Isla Chiloe

11 02 2011

20.01.2011, Tag 107

In meiner Herberge gibt es normalerweise erst ab 8.00 Uhr Frühstück, aber da ich dann schon los muss, serviert es mir der „gute Geist“ des Hauses es etwas früher. Dann ganze hat wirklich absolut was von „bei Oma“: selbstgemachte Marmelade, frische Brötchen, dazu Tee und jemand der ständig um einen herumwuselt und fragt ob alles o.k. ist. Während der knapp 15 Minuten die ich dort sitze verstellt sie zudem mindestens 6 mal das Radio, ohne das Empfang oder Programm tatsächlich besser werden^^ Während ich mich (aussergewöhnlich) pünktlich vor dem Büro einfinde, sind meine chilenischen Freunde natürlich zu spät…als ich dann in den Kleinbus einsteige denke ich zunächst ich befinde mich auf einem Familienausflug. Zumindest wirken die Anwesenden, allesamt Chilenen, so auf mich. Mario, neben den ich mich auf die Rückbank setze erklärt mir aber, dass er und seine Freundin sowie das weitere Pärchen mit dem sie hier ihren Jahresurlaub verbringen, den Rest auch gerade erst kennengelernt haben. Auf jeden Fall wieder ein guter Anlass mein Spanisch zu verbessern, da niemand Englisch spricht.

Die Isla Grande de Chiloe, so der offizielle Name, ist nicht das was man ein Hauptreiseziel für Traveller nennt. Das macht sie für mich umso interessanter, da es an solchen Orten meist noch etwas ursprünglicher ist. Dazu endet im Süden der Insel die Panamericana, wie schon des Öfteren erwähnt die längste Strasse der Welt, auf der ich so viele Kilometer von Reisebeginn in Ecuador bis hier in Chile herunter in den Süden gefahren bin. Wenn man von hier aus weiter ins südliche Patagonien will gibt es nur wenige Möglichkeiten, aber dazu mehr im nächsten Bericht. Die Insel selbst ist 180 km lang, 50 km breit und auf ihr leben ca. 180.000 Menschen, die hauptsächlich von Fischfang, Lachszucht und Landwirtschaft leben. Letztere ist durch das feuchte Klima begünstigt. Der 2 km breite Kanal von Chacao trennt die Insel vom Festland, im Osten befindet sich der 50 km breite Golf von Ancud, im Südosten der Golf von Cocorvado. Ich nehme ganz stark an, dass dies niemanden etwas sagt, aber sollte irgendwann eure 1 Mio.-Frage bei “Wer wird Millionär” lauten durch was Chiloe von Chile getrennt ist wisst ihr nun Bescheid und ich würde mich über sagen wir mal 10 % freuen 😉

Nach etwa einer Stunde erreichen wir die Ablegestelle der Fähre rüber nach Chiloe (wer weiss noch wie der Kanal heisst?^^) und können direkt auf das Schiff fahren, das gerade ablegen wollte. Während der Überfahrt kann man aussteigen und auf der Plattform im Wind stehen -eine kleine Einstimmung auf Patagonien- oder in der Snack-Bar fernsehen. Den Grossteil der halbstündigen Fahrt verbringe ich auf der Terasse, dann gehe ich kurz rein und entdecke eine Preisliste für den Transfer. Das ist deswegen interessant, da ich es bei meiner Mietwagen-Kalkulation irgendwie vergessen hatte und die einfache Strecke schon genauso viel wie die heutige Tour gekostet hätte…jetzt war es auf jeden Fall ein Schnäppchen!

Auf Chiloe angekommen machen wir direkt in Chacao, dem kleinen Dorf an der Nordspitze Station. Die “Highlights” auf der Insel sind die vielen Holzkirchen, die hier zu besichtigen sind und wir sehen nun die erste. Meine neuen Reisegefährten stellen sich nun vor und fangen an mich über alles mögliche auszufragen. Sich mit einem Deutschen zu unterhalten scheint ein echtes Event zu sein, denn das ganze Gespräch wird per Video aufgezeichnet. Wir fahren weiter nach Ancud, wo es eine Festung zu besichtigen gibt, oder das was übrig geblieben ist. Unterwegs kommt uns ein Bauer mit seinem Ochsenkarren entgegen, ein scheinbar nicht ganz unübliches Fahrzeug hier und ein Beweis etwas ausserhalb der “touristischen Pfade” zu sein. Oberhalb des Ortes legen wir zuvor noch einen Stopp ein und nun nutzen meine neuen Freunde die Möglichkeit mit einem Aleman ein Foto zu machen. Erinnert mich ein bisschen an Peru, als auch wir und nicht der Ort das beliebteste Fotomotiv waren. Genauso weiter geht es dann an der Festungsmauer wo noch einige Kanonen zu besichtigen sind. Es vergeht kaum eine Minute in dem nicht jemand fragt: “Roland, una Foto?” – “Si….!” Der nächste Stopp ist an einer Kirche in der wiederum Miniaturmodelle aus Holz der schönsten Kirchen der Insel ausgestellt sind. Als wir danach zur Plaza gehen, erlebe ich ein weiteres Beispiel chilenischer Begeisterungsfähigkeit: Hier befinden sich etwa 12 Figuren auf kleinen Podesten (auf den Fotos braun mit orangenen Sockel), die ich wahrscheinlich kurz betrachtet und dann links liegen gelassen hätte. Die vier schaffen es aber sich vor jeder Figur fotografiaren zu lassen und dabei immer neue Begeisterungswellen auszulösen. Ich komme wieder zu dem Schluss, dass Chilenen einfach leicht zufrieden zu stellen sind. Ein beneidenswerter Charakterzug.

Auf der Weiterfahrt in die Insel-Hauptstadt Castro nicke ich ein und wache erst wieder auf, als wir die ersten Pfahlhäuser erreichen. Ein tolles Postkartenmotiv, aber ich registriere auch die ärmlichen Umstände in denen die Menschen hier leben, denn die Gebäude sind nach wie vor bewohnt. Alleine kann man da natürlich wenig ändern, wie so oft in ähnlichen Situationen auf dieser Reise. Um mein Gewissen zu beruhigen sage ich mir in solchen Momenten meistens, dass dadurch das ich den Ort oder das Land bereise und hier mein Geld ausgebe dies die Wirtschaft ankurbelt und ich so wenigstens einen winzigen Teil zur Verbesserung beitrage. Daher gehen wir nun erstmal im Hafen essen, natürlich in einem Restaurant das auf Pfählen in der Bucht steht. Während des Essen beantworte ich dann ausführlich die Fragen zu meiner Reise, meiner beruflichen Situation in Deutschland usw. Das ist das Thema, welches mir auf spanisch am leichtesten fällt, da ich die passenden Vokalbeln und Sätze nun schon mehrfach üben konnte und mittlerweile auswendig kann. Nach dem Essen geht es mit einem Boot einmal rund durch die Hafenbucht, von wo aus wir nochmals die Pfahlbauten und den Blick auf die Stadt geniessen können. Dazu entdecken wir noch einige Komorane auf einer Boje sitzend. Anschliessend haben wir noch etwas Zeit und verbringen diese auf dem Markt am Hafen und an der Plaza, wo sich nochmal eine tolle Holzkirche befindet.

Letzte Station ist der Kleine Ort Dalcahue, wo unzählige Boote vor Anker oder an Land liegen und im Hintergrund die Lachszuchten zu sehen sind. Auf der kurzweiligen Rückfahrt bekommt Mario einen Anruf und er spricht voller Stolz ins Telefon: “Wir sind auf Chiloe, mit einem Deutschen!” Ich denke das beschreibt den Tag ganz gut. Für mich ein netter Ausflug, bei dem ich neben der schönen Insel wieder einen guten Einblick in das Thema “Leute” (von dem viel genannten „Land und Leute kennenlernen“) bekommen habe. Und als ich erfahre das der Preis für die Chilenen bei 15.000 Pesos (ich habe wie geschrieben 9.000 bezahlt) lag, weiss ich nun auch sicher, dass es ein gutes Geschäft war. Zum Abschluss lernen sie noch ein paar deutsche Wörter (nein, keine Schimpfwörter…) und wir verabschieden uns nach der Ankunft in Puerto Montt als würden wir uns jahrelang kennen. Zurück an meiner Hospedaje muss ich über den 2-Meter-Zaun klettern, da bereits abgeschlossen ist und es draussen keine Klingel gibt. Als mir dann das Mütterchen in Bademantel öffnet ist sie untröstlich, dass sie mich scheinbar vergessen hat… Einfach ein sympathisches Volk, denke ich mir während ich meine Sachen für die Reise durch die chilenischen Fjorde zusammenpacke.



Puerto Montt

11 02 2011

19.01.2011, Tag 106

Nach dem Frühstück nehme ich den Bus Richtung Puerto Montt, wo ich am späten Vormittag ankomme. Das Terminal liegt praktischerweise am Hafen, so dass ich direkt zu Navimag, der Fährgesellschaft bei denen ich die Passage nach Puerto Natales im Süden Chiles gebucht habe, gehen und meine Buchung bestätigen kann. Nachdem das erledigt ist, nehme ich mir meinen nächsten Plan vor: Da ich nun noch heute und den morgigen Tag Zeit habe, möchte ich noch einen Ausflug auf die Insel Chiloe machen, die von hier aus in etwa zwei Stunden erreichbar ist. Optimal wäre dafür ein Auto damit man die Insel auf eigene Faust abfahren kann. Das ist zwar nicht ganz billig, aber wenn ich eine Nacht auf Chiloe bleibe und im Auto schlafe spare ich eine Übernachtung und die Alternativ-Variante mit dem Bus, der mich dann allerdings nur in die Hauptstadt der Insel bringt kostet ungefähr die hälfte der Leihgebühr. Das Unternehmen gestaltet sich allerdings nicht ganz einfach, denn alle Autoverleiher bei denen ich vorspreche haben derzeit keine Wagen in der kleinsten Klasse verfügbar. Als ich endlich einen Anbieter gefunden habe, der mir einen kleinen Chevrolet offeriert der für diese Tour geradezu perfekt ist, gibt es ein neues Problem. Die Abfrage meines Kreditrahmens meiner Visa-Card funktioniert nicht und ohne diesen bekomme ich für das Auto keine Versicherung. Der Vermieter meint ich könne diesen bei der Bank auch ausdrucken, aber ich bin mir eigentlich sicher, dass dies mit meiner Karte nicht möglich ist. Trotzdem versuche ich es, aber ausser Geld abheben werden mir keine Funktionen angeboten. Also beende ich dieses Vorhaben und suche mir eine Unterkunft für die nächsten beiden Nächte. Das Hospedaje Betty ist so wie wenn man bei seiner Oma auf dem Dorf zu Besuch ist. Ein mit allermöglichen Krimskrams eingerichtetes, rosa getünchtes Häuschen mit quietschenden Böden und vergilbten Bildern aus der 70ern an den Wänden. Aber wirklich nett und zum ersten mal auf dieses Reise habe ich ein Einzelzimmer. Gar nicht zo schlecht, da ich die nächsten Tage in einer 42-Personen Kabine verbringen werde.

Der Chiloe-Ausflug ist natürlich nocht nicht abgehakt. Ich mache mich auf den Weg zurück zum Terminal um für morgen einen Bus nach Castro, der Insel-Hauptstadt zu buchen. Auf dem Weg dahin komme ich an verschiedenen Tour-Anbietern vorbei, die ebenfalls diesen Ausflug im Programm haben. Ich hole einige Angebote ein, aber insgesamt ist es mir  zu teuer. Als ich kurz vor dem Busbahnhof bei einer Agentur stehenbleibe um deren Fotos zu betrachten macht mir der Inhaber eine “Oferta-Especial”: 9.000 Pesos (ca. 14 Euro) für den Tagesausflug. Wenn ich nicht wüsste, dass der normale Preis das vierfache ist, würde das Spezial-Angebot als Geschwafel abhaken, aber hier scheine ich wirklich gerade ein Schnäppchen zu machen. Der normale Bus würde mich schon 12.000 Pesos kosten und hier habe ich den Transfer mit einem Minibus zu drei Orten auf der Insel, allerdings ohne das übliche Touri-Programm, was ich sowieso nicht mag. Gekauft!

Danach sehe ich mich noch ein wenig in der Stadt um, die allerdings nicht allzu viel zu bieten hat. Eine typische Hafenstadt mit einer geschäftigen, etwas schmuddeligen Hauptstrasse auf der alles gehandelt wird was man braucht, oder auch nicht. Neben modernen Einkaufzentren stehen alte Holzgebäude, ähnlich denen in meinen letzten Stationen und im Hafen kann man das Marinegelände mit einer Leuchtturm-Kuppel betrachten. Das war´s dann auch schon zu Puerto Montt. Mal sehen was morgen Chiloe zu bieten hat.



Puerto Varas

9 02 2011

18.01.2011, Tag 105

Als mich der Hostelier morgens im strömenden Regen vor der Bank rauslässt ist der Automat immer noch ausser Betrieb. Zum Glück habe ich noch 40 US-$ einstecken, die ich nun in chilenische Pesos tausche. Anschliessend nehme ich den lokalen Bus nach Puerto Varas am Südufer des Lago Llanquihue, das, wie weitere Orte im Seengebiet, sowas wie eine deutsche Kolonie ist. Deutlich darauf aufmerksam macht mich ein Plakat mit der Aufschrift „Prositfest“, das auf dem Dorfplaz in einem mit deutschen Fahnen geschmückten Festzelt stattfindet. Leider werde ich nicht so lange hier sein um mir dieses „Event“ live anzusehen. Ansonsten ist Puerto Varas sowas wie der chilenische Ableger des argentinischen Bariloche, zumindest wird versucht den Ort entsprechend (im süddeutschen Stil) zu gestalten. Nachdem ich mich bei der Touristen-Information mit einem Stadtplan versorgt habe, suche ich eine Agentur auf, die Raftingtouren veranstaltet. Da die letzten Wochen nicht soo sportlich waren, habe ich gerade Lust auf etwas „Action“ und das Wetter lässt hier in den Gegend gerade keine anderen Outdooraktivitäten zu, bzw. ist es dabei egal ob es regnet, da man sowieso nass wird. Als die Tour für den Nachmittag gebucht ist, checke ich in ein Hostel ein, das von einem Hippie-Pärchen geführt wird. Ganz nett, aber etwas chaotisch und das man 45 min. warten muss weil es im ganzen Haus nur 2 WCs gibt ist nicht gerade optimal…

Um 15.00 Uhr geht´s los. Mit einer Gruppe Amerikaner und einer Österreicherin als Guide fahren wir zum „Basecamp“, wo wir mit Neoprenanzügen, Helm und Schwimmweste ausgestattet werden. Eigentlich wäre ich lieber mit dem Kajak den Fluss heruntergefahren, aber soweit sind auch schon die Chilenen mit ihren Sicherheitsvorschriften, dass es leider nicht möglich ist. Von daher geht es mit dem Schlauchboot noch ein Stück weiter bis zur Einstiegsstelle in den Rio Petrohue. Dabei sind auch 3 Kajakfahrer, einer als Rettungsboot, einer filmt und der andere ist nur zum Spass dabei und demonstriert dies erstmal mit einer Eskimorolle. Der Kanadier hatte mir kurz vorher erzählt, dass er erst seit 3 Wochen in Chile ist, kein Wort spanisch spricht und einfach nur Spass am Kajakfahren hat und deswegen hier als Guide anfängt. Vorher hat er als Ranger in den Rocky Mountains gearbeitet und ist dort die Flüsse und Seen abgepaddelt, beneidenswert!

Im Raft setze ich mich erstmal nach vorne, denn nach der letzten Tour bei unserer Chile-Reise 2009 kann mich eigentlich nichts mehr schocken, zumindest was kaltes Wasser angeht. Der Fluss ist mit Schwierigkeitsstufe IV vergleichbar mit dem Rio Trancura in Pucon. Es geht dann auch gleich munter los und ich stelle fest was ein guter Neopren doch ausmachen kann. Hatte ich beim letzten mal noch unter Erfrierungserscheinungen gelitten, ist es jetzt doch ziemlich erträglich. Nachdem wir mehrere Stromschnellen hinter uns gelassen haben, wobei die Kajakfahrer so knapp vor dem Boot fahren, dass ich das Gefühl habe wir werden sie gleich überfahren, geht es erstmal ins Wasser. Für den schwierigen Part des Flusses üben wir vorher wie wir wieder ins Boot gelangen. Dafür geht es im Sprung aus etwa 2 Metern von einem Felsen rein in den Fluss und man muss versuchen direkt nach dem Auftauchen das Paddel zu schnappen das man hingehalten bekommt. Nachdem das erledigt ist geht es weiter und wir schiessen durch die Stromschnellen, alles ohne Zwischenfall. Ein super Spass, vor allem als wir zum Ende dann nochmal das Boot umkippen. Allerdings muss ich sagen das es in einer Gruppe die man kennt natürlich noch lustiger ist. Die letzten Kilometer sind flaches Gewässer und unser Guide erklärt, dass der Fluss seine aktuelle Richtung erst seit einem Erdbeben hat und vorher in die entgegengesetzte Richtung geflossen ist. Im Camp gibt es dann nochmal einen kleinen Snack, ehe es zurück nach Puerto Varas geht.

Abends in der Küche gibt es, wie schon einige male auf dieser Reise, beeindruckte Gesichter unter meinen südamerikanischen Tischnachbarn, als ich meine „Hackfleischtoast“ (eins der wenigen Gerichte die so einfach sind, dass ich sie selbst machen kann^^) aus dem Ofen hole. Mich beruhigt das dann immer, da ich daraus schliesse das es viele Menschen gibt die noch untalentierter als ich in der Küche sind…diesen erkläre ich dann das simple Rezept und so wird Chile noch ein bisschen deutscher 😉 Dann geht es wieder ans packen, da ich morgen nach Puerto Montt weiterfahre, wo am Freitag meine Fähre in den Süden Patagoniens ablegt. Irgendwie hatte ich mit dem chilenischen Seengebiet, auf das ich mich doch sehr gefreut habe, kein Glück. Denn so schön es hier sonst auch sein kann, wie ich z.B. in Bariloche gesehen habe, mit Regen macht es doch nur halb so viel Spass. Hoffentlich habe ich mehr Glück auf der Fähre durch die chilenischen Fjorde, auf geht´s nach Puerto Montt.



Puerto Octay

9 02 2011

17.01.2011, Tag 104

Gegen 10.00 Uhr verlasse ich meine „Luxusherberge“ und erwische gerade so den Bus nach Puerto Octay, der immer zur vollen Stunde fährt. Der kleine Ort im chilenischen Seengebiet am Nordufer des Lago Llanquihue gilt als Geheimtipp in der Region, die stark durch die deutschen Einwanderer geprägt ist. Genau so ein Tipp soll das Hostel „Zapato Amarillo“ sein, das etwas ausserhalb des Ortes liegt. Nachdem ich nach etwas suchen den Zugang gefunden habe kann ich dem zustimmen. Dies ist wirklich eine der schönsten Unterkünfte die ich auf der Reise gesehen habe: Stilvoll stehen mehrere Häuser mit grasbewachsenen Dächern in einem verwinkelten Garten, vor welchem auf einem Feld Schaafe grasen. Das Highlight ist das runde Hauptgebäude unter dessen Dachkuppel sich der Schlafraum befindet. Die Betten sind rundherum in kleine Nischen eingelassen, mal etwas anderes zu den sonst üblichen Hochbetten. Erschaffen hat dies der Hostelier, ein Schweizer der das Hostel mit seiner chilenischen Frau betreibt,  selbst und im Haus können Fotos von den Bauarbeiten bewundert werden. Er selbst erzählt mir beim (späten) Frühstück von seiner eigenen Reise durch Südamerika.

Nach einem längeren Plausch mit meinen amerikanisch, bzw. kanadischen Bettnachbarinnen, mache ich mich auf mir das Dorf anzusehen in dem es noch viele für die Region typischen Häuser geben soll. Dies ist in der Tat der Fall, dazu sieht man Schilder mit „Kuchen“, „Zimmer frei“ oder „Hotel Haase“ die ganz klar den Einfluss meiner Landsleute erkennen lassen. Nachdem ich mich ein wenig umgesehen habe laufe ich raus auf die Halbinsel Centinela und hoffe das sich die Wolken verziehen und ich einen freien Blick auf die Vulkane Osorno und Calbuco bekomme. Ich wandere knapp anderthalb Stunden bis zu einer Engstelle, an der sich am schwarzen Sandstrand ein Campingplatz mit Tretbooten befindet. Aber leider habe ich mit der Sonne heute kein Glück und so muss ich mich mit einem einsamen Fischerboot auf dem See und grasenden Kühen als Fotomotiv begnügen. Wie man vielleicht rauslesen kann ist diese Abgeschiedenheit für mich (als Stadtmensch ;)) irgendwie nichts. Ich bin zwar gerne in der Natur, aber dann brauche ich wenigstens etwas „Action“. So ganz ohne Beschäftigung halte ich es hier, so schön ich es auch finde, nicht lange aus. Deshalb beschliesse ich, nachdem ich das Panarama nochmal vom Aussichtspunkt oberhalb der Stadt genossen habe, am nächsten Tag an das Südufer des Sees weiterzuziehen.

Vorher muss ich noch ein Problem lösen, denn bei meiner schnellen Abreise heute morgen habe ich vergessen in Osorno Geld abzuheben, da ich nach meinem Kurzaufenthalt in Argentinien nur noch einen Restbetrag an chilenischen Pesos habe, der im örtlichen Supermarkt für das Abendessen draufgeht. Der Bankautomat (den ich hier gar nicht nicht vermutet habe) ist ausser Betrieb und so vereinbare ich mit dem Hostelier, dass er mich morgen kurz zur Bank fährt, wo ich versuche meine „Notfalldollars“ zu tauschen um die Rechnung begleichen zu können. Anschliessend werde ich dann den Bus nach Puerto Varas nehmen.



Santiago – „Vacaciones del Viaje“

26 01 2011

08. – 12.01.2011, Tag 95 – 99

Heute müssen wir für chilenische Verhältnisse früh aufstehen, da Valentin um 10.20 Uhr landet. Aber wir wären keine echten Chilenen (und da habe ich mich sofort angepasst^^) wenn wir nicht auf den letzten Drücker fahren würden. Ich bin gespannt wie der Empfang abläuft, denn dazu muss man vielleicht kurz erläutern was es hier heisst jemanden zu begrüssen: Eine normale Begrüssung, wenn man sich ein paar Tage nicht gesehen hat, würde bei uns einem Wiedersehen nach mehreren Monaten gleich kommen. Ein Abschied, auch wenn er nur bis zum nächsten Tag ist und den Amanda scherzhaft “das Drama” nennt, wirkt als würde man den anderen auf unbestimmte Zeit nicht wiedersehen. Nach Besito und Umarmung stehen am Ende alle an der Strasse und winken. Eine sehr sympathische Sache wie ich finde. Als wir am Flughafen ankommen ist der Flieger gerade gelandet, perfektes Tming. Um die Vorfreude auf die Ankommenden noch zu steigern gibt es am Flughafen von Santiago eine Fensterfront von der aus man den Raum mit den Gepäckbändern quasi observieren kann. Ständig brechen Leute neben uns in Euphorie aus, kreichen, winken und trommeln an die Scheibe. Nach etwa einer halben Stunde ist es bei uns auch soweit und der Hauptdarsteller des heutigen Tages betritt die “Bühne”. Noch ein paar Minuten gespanntes Warten bis der Koffer da ist und dann beginnt die oben geschilderte Zeremonie.

Nachdem Valentin gut 20 Stunden unterwegs ist darf er jetzt nicht etwa ins Bett, sondern es geht zum Auftakt des Ess-Marathons zu Ximena zum Frühstück. Als wir dann am frühen Nachmittag im Haus der Grosseltern ankommen, gehen wir (während das Mittagessen vorbereitet wird…) auf den Markt, der um die Ecke beginnt und einige Strassenblocks durch das Viertel führt. Auf dem Weg plaudern wir über allerlei u.a. unseren ersten Individualurlaub. Ich habe nämlich vor ein paar Tagen gerade darüber nachgedacht wann ich meine erste wikrlich selbst organisierte Reise gemacht habe. Erst dachte ich an die Zeit nach den Pauschalurlauben, aber dann fiel mir ein, dass wir bereits mit 15 Jahren zu viert mit den Fahrrädern ins etwa 100 km entfernte Amorbach gefahren sind und dort gezeltet haben. Auf dem Rückweg sind wir dann in einen Dauerregen gekommen und mein Vater musste 4 klatschnasse “Abenteurer” irgendwo auf einer Strassenkreuzung in Aschaffenburg einsammeln, weil es (uns) zu nass und zu kalt war um weiter zu fahren. Die restlichen Heimweg sassen wir dann mit unseren Fahrrädern auf der Pritsche unseres Lastwagen, im echten Traveller-Stil 😉 Das und viele weitere Geschichten lassen den Nachmittag sehr kurzweilig werden. Nach dem 2. Essen des Tages (insgesamt werden es am Ende vier Mahlzeiten sein!), werden wir in die Kunst chilenischer Würfelspiel eingeweiht. Das Spiel ist angeblich ähnlich wie Poker, nur das mein meiner Ansicht nach machen darf was man will…sogar Würfel einfach auf die Rückseite drehen. Wenn Valentin nicht genau die gleichen Probleme beim Verständnis des Spiels hätte würde ich denken ich werde über den Tisch gezogen^^ Aber durch die unzähligen Möglichkeiten sich am Ende doch einen guten Wurf zurecht zu rücken sind irgendwie immer alle glücklich, typisch chilenisch würde ich sagen 😉 Danach wird im Hof eine grosse Tafel aufgebaut an der dann alle Familienmitglieder, die zur Begrüssung vorbeikommen (heute “nur” 13 Personen), Platz finden, insgesamt. So lassen wir den Tag mit Kuchen essen und Abendbrot ausklingen. Jetzt hat mein „Urlaub von der Reise“, wie ich die Zeit in Santiago zurückblickend gerne nenne, richtig begonnen.

Sonntags sind wir bei Maria Elena zum “Asado” eingeladen. Das Anwesen (und so kann man es wirklich bezeichnen) im Weinbaugebiet Pirque, etwas südlich von Santiago, kenne ich schon von unserer Chile-Reise 2009. Damals hatten wir dort mit 25 Personen im Garten gezeltet und die unzähligen Freizeitmöglichkeiten ausgenutzt, die das Gelände bietet. Neben einem Volleyballfeld und Fussballtoren, Tischkicker und Tischtennisplatte befindet sich zwischen der grossen Terasse und dem Grillhäuschen als Highlight der Swimmingpool. Ich würde sagen es ist sowas wie da Familien-Freizeitpark und deshalb sind heute auch viele (nicht alle) da. Insgesamt 19 Personen, inklusive eines deutschen, was laut Amanda etwa ein Drittel der Familie ist. Gegrillt werden hier nicht Würstchen oder dünne Steaks wie wir sie kennen, sondern “echtes” Fleisch! Nach dem Essen leihe ich mir Ivannas Laptop um nach Deutschland zu skypen. Währendessen werden draussen die Mannschaften für das Volleyballturnier ausgelost und es entbrennt ein Jubel als ich meine Zettel mit dem Buchstaben “B” zeige. Wenn die wüssten, das ich für Ballspiele mit den Händen noch untalentierter bin als mit den Füssen… Während des telefonierens komme ich auf die Idee den Laptop in die Runde zu halten, damit alle Hallo sagen können. Einem ersten für hiesige Verhältnisse zaghaften Winken folgen „Chi- Chi- Chi-, -le, -le, le – Sprechchöre“ und ein Jubel bricht aus. Damit aber nicht genug, den ein Chilene lässt sich nicht mit einer einfachen Gemeinschaftsaktion abspeisen. Hier zählt noch die persönliche Kontaktaufnahme und als ich dann zum sprechen wieder ins Haus gehe kommen nacheinander fast alle an den Bildschirm um meine Eltern persönlich zu grüssen. Durch ihre Südamerika-Reise vor fast genau 30 Jahren und die Besuche der Familienmitglieder in Deutschland kennen sie sich natürlich auch und so werden auch die Spanisch-Kenntnisse meiner Mutter überprüft. Als dann unser Hund Bobby ins Bild kommt entbrennt eine neue Begeisterungswelle und ich werde vor dem Bildschirm fast erdrückt^^ Ich muss das hier einfach mal so detailiert schildern, da man sich diese Begeisterungsfähigkeit bei uns überhaupt nicht vorstellen kann. Anschliessend bekomme ich dann die Geschichten von Besuchen in Deutschland u.a. auch im Haus meiner Familie erzählt. Bei den meisten war ich noch recht jung, doch ich erinner mich durchaus, dass einige male Gäste aus Chile bei uns waren. Und ich bin begeistert welche Details sie noch kennen, das sie in unserer Wohnküche gesessen haben, die Schreinerei und Modeleisenbahn meines Vaters gesehen haben und im Garten bei meiner Oma waren. Andererseits werde ich die Momente von diesen Aufenthalt sicher auch ewig im Gedächtnis behalten!

Während meiner Abwesenheit wurden draussen die Schlachtrufe der einzelnen Teams ausgearbeitet (das ist kein Scherz!). Und so gibt es vor dem Turnier, das auf Video festgehalten wird, erstmal eine Choreographie. Während wir unseren Schlachtruf: “Saqué, pegué, remaché – somos del Equipo Beeee!” ausrufen, machen wir dazu die passenden Bewegungen, da es sich wohl um Begriffe aus dem Volleyball handelt. Unser Konkurenten haben für dieses Spektakel sogar Plakate gemalt. Mit Schiedsrichter und Anfeuerungen von der Zuschauertribüne geht es dann auch los. Man muss das nochmal wiederholen: Wer in Deutschland kann ein familieninternes Volleyballturnier starten und hat dabei sogar noch einen Teil der Familie als Zuschauer?! Zu meiner Überraschung gewinnen wir alle Spiele, bestreiten dann aber trotzdem nochmal ein Endspiel. Valentin und ich einigen uns darauf, dass es wie beim Würfeln ist, am Ende haben alls irgendwie gewonnen. Anschliessend wird das Netz abgehängt, damit das Fussballfeld frei wird. In einem 7 gegen 7, bei dem sogar Don Hugo nochmal sein Können zeigt, liefern wir uns ein heisses Spiel, bei dem ansonsten vor allem die Frauen überraschen. Zum Abschlus geht es zur Abkühlung nochmal in den Pool. Und so endet ein toller Nachmittag mit einer tollen Familie und es fällt mir ziemlich schwer meine Abreise zu planen…

Nachdem ich am folgenden Tag meine Fähre in den Süden gebucht und um ein paar organisatorische Dinge gekümmert habe, geht es nochmal ins Zentrum, wo wir uns mit Ximena am Turm der Telefongesellschaft “Telefonica” treffen. Dort wartet noch ein besonderer Leckerbissen auf mich: Eigentlich ist der Turm, welcher in der Bauweise an ein Handy erinnern soll, für Besucher nicht zugänglich. Ximena, die bei der Telefongesellschaft arbeitet hat uns aber Besucherausweise organisiert mit denen wir auf die Terasse im 31. Stock dürfen! Ein toller und absolut exklusiver Ausblick, der sich uns von dort oben über die gesamte Stadt und auf die angrenzenden Anden bietet. Das Ende der 5 Mio.-Einwohner Metropole kann man aber auch von hier nicht erkennen, da es leider irgendwann im Smog versinkt, der über der Stadt liegt. Den Weg nach unten nehmen Valentin und ich die Treppen, man muss ja was tun bei der ganzen Esserei^^ Nach einem kleinen Rundgang durch das angrenzende Barrio Bellavista fahren wir mit dem Bus nach Maipu, wo wir von Jorge abgeholt werden. Auf der Terasse steht eine Tischtennisplatte und davor der Fernseher. Allerdings sollen wir hier nicht spielen, sondern es wird nochmal gegessen und zwar Completos! Wir schauen uns ein paar Videos an, Pisco wird ausgeschenkt und am Ende weihen wir beim Thema Folklore die Chilenen in die Kunst des “Schunkelns” ein.

Der 11.01.2011 ist für mich ein besonderer Tag: Ich richte meine erste Party in Südamerika aus! Nachdem ich die letzten Tage einer Einladung nach der anderen gefolgt bin, wird es nun Zeit auch mal aktiv zu werden und danke zu sagen für die tolle Zeit, die ich hier hatte. Gleichzeitg feiere ich so meinen Abschied, da ich morgen Abend nach fast 10 Tagen abreisen werde. Die längste Zeit, die ich auf dieser Reise an einem Ort vebracht habe. Vorher steht noch das Probepacken an. Wie bereits erwähnt wird Valentin einige meiner Dinge nach Deutschland transportieren und ich plane mit “leichtem Gepäck” weiter zu reisen. Als die Waage immer noch 20 kg zeigt hole ich Amanda dazu um mir beim “abspecken” zu helfen. Immerhin 2 weitere Kilos werde ich dadurch noch los, aber mehr geht nicht, da ich die warme Kleidung und Campingsausrüstung für meine Tour nach Patagonien und Feuerland brauche. Anschliessend geht es in den Supermarkt zum einkaufen. Da dort das Fleisch nicht optimal aussieht fahren wir in einen anderen Supermarkt, der besser sein soll, da er von einem Deutschen geführt wird. Überhaupt steht hier deutsch oder “Aleman” für Qualität und so zeigt man vor seinem Geschäft auch gerne mal eine deutsche Fahne. Dazu gibt es noch so nette Bezeichnungen wie Schoppothek oder Schopperia, die tatsächlich von der deutschen Bezeichnung für Bier abgeleitet ist.

Wir kaufen 20 kg Fleisch, was ich für 18 Personen für zu viel halte, aber ich vertraue mal den Profis. Eingeladen haben wir ab 18.00 Uhr, aber auch nur, wie Amanda sagt, damit nicht alle erst um zehn kommen, sondern “schon” um neun^^ So haben wir noch genug Zeit alles vorzubereiten, wobei ich eigentlich nur an eine einfache Runde gedacht hatte. Doch nun wird der Carport mit Vorhängen abgehängt, eine lange Tafel aufgebaut, wie ich sie noch an keiner Geburtstagsfeier hatte. Dazwischen wird der Grill angeheizt, mit einer Methode die Valentin (haha^^) den “Indianertrick” nennt. Eine Flasche wird mit Zeitungspapier umwickelt, dann Kohle darum aufgehäuft und die Flasche herausgezogen. Zündet man nun die Zeitung an, wirkt der entstandene Schacht wie ein Vulkan und die Kohle brennt sofort. Trotz der kurzfristigen Einladung hat sich jeder etwas überlegt und so bekomme ich nun gleich zwei chilenische (Mini-)Hüte, die zukünftig meine Tasche zieren werden, 4 Flaschen Wein (wo ich gerade mein Gepäck erleichtert habe^^) und einen Kuchen. Dazu haben Ximena und ihre Familie irgendwo ein “I Love Santiago” Shirt für meine Schwester aufgetrieben, was ich den letzten Tagen desöfteren verzweilfelt gesucht habe. Ich würde ihnen sogar zutrauen, dass sie es extra haben drucken lassen 😉

Nach alle dem kommt nun der Moment um Danke zu sagen. Als das Fleisch serviert ist, wird es Zeit für meine erste Rede auf Spanisch. Ich habe mir vorher einiges überlegt, davon aber die hälfte wieder vergessen, aber wenn ich in die Augen um mich herum sehe merke ich, das sie verstanden haben was ich meine. Die Zeit hier war einfach nur der Wahnsinn, wie man mich hier aufgenommen hat, wieviele Gedanken man sich gemacht hat und die Möglichkeiten die mir geboten wurden die Stadt und das Leben der Menschen hier kennen zu lernen sind einzigartig. Man sagt ja immer so schön man will Land und Leute kennen lernen, bisher waren die “Leute” aber meist welche, die irgendwie mit dem Tourismus in Verbindung stehen. Das ist hier anders, das ist alles echt, das ist das Leben und ich bin dankbar dafür daran eine Zeitlang teilgenommen zu haben zu dürfen: Muchas muchas Gracias!

Nach mir ergreift Valentin das Wort und im Laufe des Essens lässt es sich keiner nehmen auch nochmal was zu sagen. Sie bedanken sich ebenfalls und finden es toll nun auch nochmal ihre eigene Stadt ein Stück mehr kennengelernt haben. Wirklich viele ergreifende Momente und die Messlatte dafür wurde nun ziemlich hochgelegt… Aber geht natürlich nicht nur ums Abschied nehmen, sondern es gibt auch noch einen lustigen Teil. Als Amanda die Gitarre herausholt beginnt ein Trinkspiel, bei welchem alle Monate durchgesungen werden und wer in dem genannten Monat Geburtstag hat aufstehen und sein Glas leeren muss. Als alle Monate durch sind folgen andere Gründe noch mehr zu trinken, beispielsweise wer blonde Haar hat, wer ein blaues Shirt trägt, er einen schwarzen Ohrring hat und viele weitere von denen es mir so vorkommt als müsse es immer auf mich zutreffen 😉 Danach zeige ich noch ein paar Bilder der Reise und als wir in Chile und anschliessend in Santiago ankommen brennt heller Jubel auf. Ein wunderschöner Abend, den ich so schnell nicht vergessen werde. Als zu fortgeschrittener Zeit alle gegangen sind machen Valentin und ich uns noch über den Wein her, da ich ihn unmöglich mitnehmen kann. Von der Unterhaltung bleibt uns beiden nicht viel, ausser das der Film „Into the Wild“ einen „Braveheart“ verdient hat^^

Am nächsten Morgen habe ich den ersten richtigen Kater meiner Reise. Bier, Wein, Pisco-Cola und alles nicht in kleinen Mengen, damit habe ich heute zu kämpfen. Den Tag über herrscht echte Abschiedsstimmung. Ich packe, räume mein Lager und irgendwie ist der Tag dann plötzlich auch rum und ich muss zum Terminal. Nach einer herzlichen Verabschiedung von Amanda, Valentin und den Grosseltern fällt es mir schon recht schwer in den Bus zu steigen. Ich habe in der Zeit hier (neben dem „kostenlosen Sprachkurs“) unheimlich viel über die Menschen gelernt, die Freude und der Optimismus mit dem sie alles angehen, die Wärme und die Herzlichkeit sind einfach unbeschreiblich. Natürlich gibt es hier auch Probleme, aber ich denke die Mentalität macht das Leben immer um vieles einfacher, wo unsereins es deutlich schwerer haben würde. So hänge ich meinen Gedanken nach während wir uns durch das Fenster ein letztes mal zuwinken, und wie schon bei der letzten Reise bleibt wieder „ein Teil von mir“ in Chile…




Santiago de Chile

21 01 2011

03. – 07.01.2010, Tag 90 – 94

Als ich morgens am Frühstückstisch sitze bin ich der letzte derjenigen, die hier den Jahreswechsel gefeiert haben, Zeit zu gehen. Ausserdem werde ich in Santiago auch erwartet. Ursprünglich hatte ich mit Amanda, die auf dieser Reise meine „chilenische Kontaktperson“ ist, vereinbart Anfang oder mitte Dezember in Santiago einzutreffen. Nachdem wir allerdings immer mehr Zeit unterwegs gebraucht haben, haben wir nun Anfang Januar ausgemacht und heute ist es soweit. Für die „Nicht-Bürgeler“ sei nochmal kurz der Zusammenhang unserer Familien erklärt: Amanda ist eine Freundin meiner Schwester, die gerade ein Jahr in Chile bei ihren Grosseltern lebt und dort ein Praktikum in einem Kindergarten absolviert hat. Ihre Mutter Pilar ist Chilenin und ihr Vater Pit ist derjenige, der mich 2009 als Ruderer reaktiviert und mit dem Verein auf die grandiose Chile-Reise genommen hat. Am Samstag trifft dann noch Amandas Bruder Valentin ein, mit dem ich auch schon seit unserer gemeinsamen Kindheit befreundet bin. Das erste mal also, dass ich auf dieser Reise jemanden aus der Heimat treffe. Zudem wird Santiago, die erste und wahrscheinlich auch einzige Station sein, die ich zum zweiten mal bereise. Etwas was ich eigentlich nicht gerne mache, denn wenn es mir irgendwo gefallen hat, wie bei dem letzten Aufenthalt in Santiago, bereise ich den Ort ungern nochmal, weil es dann immer schwierig ist das ganze nochmal zu toppen und man das Risiko eingeht sich die Erinnerung etwas zu verzerren. Ich denke mir dann immer es gibt noch so viel auf der Welt zu sehen, warum irgendwas mehrmals besuchen bevor ich alles gesehen habe. Hier mache ich davon eine Ausnahme, da die Art der beiden Reisen, 2009 und jetzt, völlig verschieden ist. Damals stand etwas mehr die super Gruppe, die wir hatten, im Vordergrund, jetzt ist es die Stadt und die Familie, die mich eingeladen hat .

Gegen eins bin ich am Busbahnhof, der immer noch die Nachwirkungen von Neujahr zu verkraften hat. Trotzdem bekomme ich noch einen Platz eine halbe Stunde später. Jetzt werden mir auch schon die Folgen des Alleine-Reisens bewusst. Konnte ich sonst zumindest meinen grossen Rucksack irgendwo bei den anderen stehen lassen, muss ich nun immer alles bei mir tragen. Die Neubaugebiete am Stadtrand von Santiago könnten glatt in Deutschland stehen. Struktur, Bauweise usw., alles identisch. Eigentlich hätte ich anrufen sollen, wenn ich ankomme, aber da Santiago über ein gut strukturiertes Metro-Netz verfügt und ich nicht will das meine Gastgeber stundenlang vor dem Telefon sitzen, mache ich mich direkt auf den Weg. In den Stadtteil „La Cisterna“ im Süden Santiagos brauche ich mit einmal umsteigen ca. 45 Min. Den Weg von der Haltestelle zum Haus habe ich mir vorher auf dem Stadtplan angeschaut: 3 Blocks runter, dann links, 5 grosse und 3 kleine Blocks – das gehe ich doch mal zu Fuss…!

Der Thermometer zeigt gute 25 Grad und die Mittagssonne brennt. Da die Gegend mit Touristen überhaupt nichts zu tun zu haben scheint, werde ich etwas skeptisch beäugt. Der Typ, der mir ein gefrorenes Wasser verkauft fragt ob ich mich verlaufen habe und erzählt mir dann stolz, dass er selbst ein „Mochilero“ sei. Ein nächster Hinweis auf die Länge der Strecke hätte die Hausnummer 1087 sein können…aber gut, was ich angefangen habe bringe ich auch zu Ende 😉 Dann endlich das Haus mit dem weissen Anstrich. Ich klingele und im Hof erscheint Amandas Grossvater, Don Hugo: „Hola Roland, como estas?“ Sie haben mich schon erwartet und sind fast entsetzt, dass ich einfach hierher gelaufen bin. Sra. Bella begrüsst mich in der Küche, die sowas wie das „Zentrum des Hauses“ darstellt, wie man mir gleich erklärt. Nach ein paar Minuten kommt Amanda mit ihrer Tante Maria Elena dazu und im Schnelldurchlauf erzähle ich die Geschehnisse der letzten Tage und die verschiedenen Stationen meiner Reise. Dann folgt etwas was ich in den nächsten Tagen sehr häufig tun werde: Essen 🙂 Danach besichtige ich die Werkstatt für Metall-Feinarbeiten (ich hoffe das habe ich richtig umschrieben?!), die sich hinter dem Haus befindet. Diese sei angeblich „gerade nicht aufgeräumt“, aber ich möchte behaupten, dass es die ordentlichste und sauberste Werkstatt ist, die ich in ganz Südamerika gesehen habe. Selbst manche Küchen waren nicht so sauber! Dann folgt ein spannender Moment: Wir wiegen meinen Rucksack. Nicht vorstellbare 25 kg und nochmal 10 kg Handgepäck. Wer meine Berichte der letzten Tage gelesen hat weiss nun warum ich bei den Märschen so platt war! Aber die „Einkaufspolitik“ der letzten Wochen zielte auch darauf ab, von hier wieder etwas nach Hause zu schicken. Diesmal allerdings mit dem Flugzeug (in Valentins Gepäck), da mein Paket aus La Paz wahrscheinlich abhanden gekommen ist… Später schlage ich dann mein Lager auf einem Feldbett im Wohnzimmer auf. Genau an dieser Stelle haben meine Eltern, als sie mit Amandas Vater und weiteren Freunden auf Ihrer Südamerika-Reise 1980 hier zu Besuch waren auch geschlafen. Bis heute schwärmen sie noch von der Gastfreundschaft und ich werde in den nächsten Tagen erfahren was sie meinen. Bevor ich ins Bett gehe, erhalte ich noch eine Einweisung für den Fall eines Erdbebens. Mir war gerade gar nicht mehr bewusst, dass ich mich in einer Risikoregion befinde, aber dazu später mehr. Also überprüfe ich ob der Weg zur Tür frei ist und wenn es losgehen sollte stelle ich mich in den Türrahmen.

Das Frühstück findet bei den Chilenen relativ spät statt, hier meist gegen 12.00 Uhr. Nun wird mir auch klar warum die chilenischen Hostels meistens bis um die Mittagszeit Frühstück anbieten. Mir kommt es auf jeden Fall entgegen. Zum Mittagessen (ich habe ja gesagt, das spielt hier eine zentrale Rolle^^) kommen Amandas Cousine Javiera und ihr Bruder Joaquin dazu, mit denen wir danach in die Innenstadt fahren. Dort treffe ich zum vorerst letzten mal Anja und Theresa mit denen wir noch einen kleinen Rundgang durch das historische Viertel, durch den Park und zum Kulturzentrum machen. Dann heisst es erstmal Abschied nehmen und mal sehen ob und wo man sich wieder sieht.

Am nächsten Morgen bekommt Amanda einen Anruf von ihrer Tante Ximena, dass es heute beim Arbeitgeber ihres Mannes eine Flugshow gibt, die wir uns anschauen könnten. Davor kommen die beiden mit ihren Töchtern Fernanda und Sofia zum Mittagessen vorbei. Während des Essens bekommt Jorge einen Anruf, das die Show abgesagt wurde. Nun bricht schon fast eine kleine Panik aus was man machen könnte, ich bekomme allerdings erst später mit um was es geht… Amanda hat mir gesagt, dass sich alle schon seit Tagen wenn nicht sogar Wochen Gedanken gemacht habe, wie sie mir den Aufenthalt in Santiago gestalten können und daher gibt es zum Glück noch genügend Möglichkeiten. Zusammen mit Javiera und Joaquin fahren wir zum Tempel im Stadtteil Maipu, wo es im Museum del Carmen eine interessante Ausstellung über die Kolonialzeit gibt. Im Auto zeigt sich dann etwas was mir des Öfteren schon bei den Chilenen aufgefallen ist: Sie singen gerne, und zwar laut und öffentlich und brauchen dafür nicht mal (wie wir Europäer) Alkohol! Also komme ich in den Genuss eines Livekonzerts im Auto 🙂 Der Tempel selbst ist ein imposantes Bauwerk mit einem riesigen Platz davor, den ein Fahrradfahrer als Radrennbahn umfunktioniert. Im Museum befindet sich u.a. eine grosse Sammlung an Pferdekutschen, die alle erstaunlich gut erhalten sind. Nach einer kurzen Pause zum Eisessen geht es weiter.

In einem Wohnviertel, ebenfalls in Maipu, machen wir halt. Ich weiss nicht was der Grund ist, laufe aber einfach mal hinterher. Als wir um die nächste Ecke kommen sehe ich dort ein Haus was etwa ein 1/4 auf die Seite gekippt ist. Wem die Geschehnisse in Chile nicht so präsent sind, möchte ich es hier nochmal kurz erläutern: Am 27.02.2010 wurde die Region um Concépcion, wo wir letztes Jahr an der Regatta teilgenommen haben, von einem Erdbeben der Stärke 8.8 heimgesucht. Neben den riesigen Zerstörungen in der Stadt, wurden durch eine von dem Beben ausgelöste Flutwelle viele Küstendörfer, von denen wir auch eins besucht hatten, fast komplett zerstört. Auch hier in Santiago, über 1000 km vom Epizentrum entfernt, wurden, wie hier, noch Schäden angerichtet. Einen wie ich finde sehr gute Dokumentation könnt ihr euch unter diesem Link anschauen: http://www.youtube.com/watch?v=fEIBeQ5M2y4
Das Haus hier war im Prinzip stabil gebaut, was man daran sieht, dass es immer noch in einem Stück ist. Nur das Fundament auf Säulen war für das Gebäude zu schwach. Für mich ein ziemlich beklemmender Moment so etwas nicht nur im Fernsehen zu sehen und nun wird mir auch klar, warum es hier so präsent ist. Dazu hat es vor wenigen Tagen im Süden wieder gebebt.

Anschliessend fahren wir nach Hause zu Ximena und Jorge und auf mich wartet mal wieder eine Überraschung: In einem Fotoalbum zeigen sie mir Bilder von einem Besuch in Deutschland, von Valentin und mir als Kindern und einer Grillfeier bei meinen Eltern im Garten. Schon witzig, da fahre ich um die halbe Welt und sehe dann Fotos von mir, die ich noch nie im Leben gesehen habe. Generell finde ich es sowieso total beeindruckend, dass hier jeder der Familie meine Familie und die anderen Familien aus dem Freundeskreis unserer Eltern mit Namen kennt, obwohl man sich wenn überhaupt nur wenige male gesehen hat. Aber wie Amanda mir erklärt sind hier auch alle etwas Deutschland besessen^^ Also versuche ich mir im Gegenzug die Namen ihrer 11 Cousins und Cousinen zu merken. Beim Abendessen lerne ich dann auch noch Jorgito, den Sohn des Hauses kenne, jetzt ist schon mal die erste Familie komplett. Danach ist aber natürlich noch nicht Schluss, sondern wir brechen auf zu einer Tour, die wir da nennen: „Santiago en la Noche!“ Wir fahren hoch in die Innenstadt, durchqueren das Zentrum und fahren bis in die nördlichen, reichen Viertel. Wirklich tolle Bilder, die sich mir unterwegs bieten und durch die Fahrt mit dem Auto bekomme ich auch einen Eindruck über die Grösse der Stadt. Auf dem Rückweg frage ich wo das Stadion ist, da ich es mir vielleicht noch anschauen möchte. Keine 10 Minuten später stehen wir vor dem Bauwerk, das zur Fussball-Weltmeisterschaft 1962 errichtet wurde und in dem bis heute alle grossen Spiele stattfinden. Zum Abschluss der Tour gibt es an einer Tankstelle nochmal einen nächtlichen Imbiss und ich bin einfach nur beeindruckt welche Mühe sich hier alle geben und wie viele Ideen entwickelt werden um mir den Aufenthalt angenehm und interessant zu gestalten. Und ich kann jetzt schon sagen, dass es zu 100 %  gelungen ist!

Neuer Tag, neues Event: Wir treffen uns mit Javiera und Joaquin in der Innenstadt und besichtigen zunächst eine Ausstellung für moderne Kunst unter dem Palacio de la Moneda, dem Regierungsgebäude. Davor wurde zum 200 Geburtstag der Nation im letzten Jahr eine grosse Fahne aufgestellt, die passender Weise auch 200 kg wiegt! Anschliessend besuchen wir noch das Museo Chileno de Arte Precolombino, eines der besten Südamerikas. Vor dem Museum erwartet uns dann schon Amandas Tante Maria Elena mit ihren Töchtern Ivanna und Francisca. Wir gehen durch das Finanzviertel und jetzt steht erstmal wieder etwas typisch chilenisches an: Completos essen bei „Domino“ dem besten Laden der Stadt! Dabei handelt es sich um einen Hot-Dog, der allerdings noch mit unzähligen weiteren Zutaten versehen werden kann, so dass es später unmöglich wird alles in dem kleinen Brötchen zu behalten. Ich stelle mal die These auf, dass es Ziel des ganzen ist sich dabei an möglichst vielen Körperteilen einzusauen^^Aber egal wie, es schmeckt gut!

Anschliessend besichtigen wir die Nationalbibliothek und machen Station auf dem Cerro Santa Lucia, eine Art Park mit einer Festungsanlage auf einem Hügel, einer der schönsten Plätze der Stadt. In der Grünanlage findet man zwischen Palmen verschiedene hübsche Gebäude und Brunnen, die den kompletten Hügel säumen. Oben angekommen hat man einen schönen Rundumblick über das Stadtzentrum und auf den benachbarten Cerro St. Cristobal mit der Statue der Virgen de la Inmaculada Concepcion auf der Spitze. Der Heimweg hält auch noch eine Überraschung für mich bereit: Als wir an der Pferderennbahn vorbeikommen, kommt Maria Elena die (wirklich tolle) Idee wir könnten diese doch auch gleich besichtigen. Das das Gelände eigentlich geschlossen ist, interessiert dabei nicht und nach kurzer „Verhandlung“ mit dem Wachmann kommen wir in den Genuss einer Exklusiv-Besichtigung! Also setzen wir uns auf die schöne alte Tribüne mit Holzsitzen, stehen an der Rennbahn und testen den Blick aus der V.I.P.-Loge. Ich denke ein besseres Programm als jetzt geschildert kann man sich nicht wünschen! Zum Abschluss des Tages wird dann (obwohl ich mich dagegen wehre! ;)) nochmal gekocht und alle sitzen zusammen in der Küche, fast wie daheim!

Freitags bin ich dann zur Abwechslung alleine in Santiago unterwegs und besichtige nochmal die typischen Touristenziele rund um die Plaza de Armas. Als ich Abends meine Landkarte auf dem Küchentisch ausbreite, bemerke ich wie Don Hugo an einem anderen Tisch herumräumt und eine Leselampe festschraubt. Ich denke mir nichts dabei, aber als er fertig ist besteht er darauf, dass ich dorthin „umziehe“ weil das Licht besser ist und dazu seine Lupe benutze. Alle „Gegenwehr“ hat keine Sinn und keine 5 Minuten später setzt er sich zu mir und versorgt mich mit Informationen und interessanten Tipps zu den Teilen des Landes die ich noch bereisen werde. Dies nochmal als kleiner Exkurs zum Thema Gastfreundschaft, die in diesen Tagen für mich nochmal eine ganz neue Bedeutung bekommen hat! Und mir bleiben noch ein paar Tage in Santiago de Chile…Fortsetzung folgt!




Valpo II & Viña del Mar

21 01 2011

01./02.01.2011, Tag 88/89

Am Neujahrstag herrscht erstmal Katerstimmung. Gegen 15.00 Uhr kämpfe ich mich aus dem Bett Richtung Dusche. Als ich später in die Stadt runterlaufe treffe ich Anja und Theresa, die nun in dem Hotel wohnen, wo wir die erste Nacht in Valparaiso verbracht haben. Ihre Feier war genauso wie Andrés gegen drei beendet, also gar nicht so schlecht, dass ich dann alleine unterwegs war. Auf den Strassen sieht man natürlich noch die Überreste der vergangenen Nacht, im Vergleich zu dem wie es am Neujahrsmorgen in Deutschland immer aussieht ist es hier aber sogar fast sauber. Ich denke das liegt an den fehlenden Böllern, die, gerade wenn es regnet oder schneit, eine ziemliche Sauerei verursachen. Ich gehe runter in den Hafen, der vor Eröffnung des Panama-Kanals der bedeutenste Südamerikas war und lass den Tag etwas dahingleiten. Abends gehe ich nochmal zu den Mädels ins Hotel um Fotos auszutauschen, da sich unsere Gruppe nun in den nächsten Tagen trennen wird. Die beiden wollen nach 1-2 Tagen Santiago in den Süden reisen. Ich werde meinen Besuch bei Amanda und ihrer Familie in Santiago machen und dort (wahrscheinlich) ein paar Tage länger bleiben. André beschliesst derweil mit ein paar Leuten aus dem Hostel morgen nach Argentinien zu fahren, da in Mendoza die Rally Dakar Station macht. Auch eine verlockende Möglichkeit, doch ich habe meine Ankunft in Santiago nun schon zweimal verschoben und freue mich nun auch mal wieder bekannte Gesichter zu sehen.

Das Gruppenreisen war nicht immer eine einfache Sache, aber zusammenfassend würde ich sagen es hat ganz gut funktioniert. Mein Gedanke mit mehreren Personen zu reisen hatte primär den Hintergrund Geld zu sparen, da alleine Reisen meist etwas kostspieliger ist. Beispielsweise was Fahrten im Taxi oder Übernachtungen angeht, wenn es keine Schlafsäle gibt, sondern man ein Einzelzimmer nehmen muss, was in der Regel nur unbedeutend weniger kostet als ein Doppelzimmer. Desweiteren konnten wir den ein oder anderen Gruppenrabbat aushandeln, finanziell gesehen also für alle eine gute Sache. Dazu wie gesagt so Sachen wie Sicherheit und Arbeitsteilung was den Reisealltag angeht. Und was die soziale Komponente angeht auf jeden Fall auch, denn man hat jemand mit dem man das erlebte teilen kann. Wenn wir uns irgendwann nach der Reise mal wiedersehen wird man sagen können: „Hey, weisst du noch damals auf Machu Pichu“ oder „erinnerst du dich noch an die nasse Nacht im Regenwald“. Das ist der entscheidende Vorteil wenn man lange mit den gleichen Leuten reist. Man findet zwar unterwegs ständig neue Leute mit denen man mal einzelne Touren starten kann, aber in der Regel bleibt danach ausser einer Online-Freundschaft nicht viel. Und jedes mal wenn man jemand neuen kennenlernt fängt man wieder von vorne an seine Lebensgeschichte, Reisemotive, Route und Ziele runter zu erzählen. Die ersten male ist das ganz nett, weil man damit ja auch ein gewisses Interesse entgegengebracht bekommt. Aber nach dem 20ten mal wird es irgendwann anstrengend immer wieder von vorne anzufangen. Ich will damit nur sagen: Muchas Gracias a mis Amigos del Viaje y hasta luego! Und es ist ja nicht ganz ausgeschlossen, dass wir uns wieder sehen 😉 Jetzt geht es erstmal alleine weiter, was in den anstehenden Ländern nicht allzu schwierig sein sollte. Im Moment brauche ich diese Erfahrung auch irgendwie und was eines meiner Ziele dieser Reise angeht, die Sprache zu lernen, wird es mich auf jeden Fall deutlich weiter bringen.

Als ich am nächsten Morgen aufstehe haben André und die beiden Mädels schon ausgecheckt. Ich beschliesse einen zweiten ruhigen Tag dranzuhängen, mir den Rest von Valparaiso anzuschauen und später ins benachbarte Viña del Mar zu fahren. Hinter dem Hafen nehme ich einen der Ascensores und fahre auf eine der Aussichtsplattformen, diesmal mit Blick über den Hafen. Es ist wirklich gut mal richtig viel Zeit in einer Stadt zu verbringen, denn so lernt man jeden Tag unzählige neue Seiten kennen und davon hat Valpo, wie jetzt schon einige male erwähnt habe, genug. Unten an der Metro-Station, der ersten übrigens mit der ich in Südamerika fahre, passiert das was ich oben gerade beschrieben habe. Ich stehe noch keine 2 Minuten an der Haltestelle, da spricht mich Jeff an und fragt, ob ich auch nach Viña fahre. Wer noch nicht alleine unterwegs war wird das als seltsam empfinden, aber sowas ist unter Rucksackreisenden völlig normal. An der Stelle will ich mal auf einem Artikel verweisen, der da heisst: „Lonely Planet hat mein Leben zerstört“  Meiner Ansicht nach ist er am Ende etwas überspitzt, da nicht jeder Backpacker sich nie mehr in die Gesellschaft eingliedern kann, aber die Beschreibung des „Reisevirus“ ist dem Autor in den ersten Absätzen wie ich finde ganz gut gelungen.

Zurück in die Gegenwart: Jeff, ein US-Amerikaner, der Biologie (oder irgendwas in der Richtung) studiert aber keinen Job gefunden hat, reist nun auf die Kosten seiner Frau durch Südamerika und absolviert demnächst ein Praktikum in einer Forschungsstation für Schildkröten. Finde ich ganz interessant, genauso wie er sich für meinen Lebensweg begeistern kann. Wir laufen durch das nette Viña, zum Park (der heute geschlossen hat), den Fluss (ohne Wasser) entlang zum Strand. Nach ein paar Stunden und interessanten Unterhaltung trennen sich unsere Wege wieder, mit einem unter Rucksackreisenden üblichen „Nice to meet you!“ Ich schaue mir dann noch kurz das Casino von innen an, ich glaube das erste in dem ich überhaupt gewesen bin, und fahre dann zurück und bereite meine Abreise vor. Morgen geht es endlich nach Santiago!




„Año Nuevo“

20 01 2011

31.12.2010, Tag 87

Reisen und trinken ist so wie Silvester und nüchtern sein, es passt einfach nicht zusammen 😉
Normalerweise heisst es am nächsten Tag nämlich weiterreisen, was mit „dickem Kopp“ sehr unangenehm werden kann, oder es steht irgendeine Aktivität an, die widerum Geldverschwendung wäre, wenn man nur damit beschäftigt ist mit seinem Kater zu kämpfen. Und wenn man danach einen „freien Tag“ hat, dann ist da immer noch das liebe Geld und die, die meine Art zu feiern kennen, wissen das ich zu den Menschen gehöre, die ungern nach Hause gehen und das wird selbst in Südamerika irgendwann teuer…was ich damit sagen will: In den letzten 3 Monaten habe ich so wenig getrunken wie lange nicht mehr, aber heute geht es in steil in bester Tradition!

Die beste Vorbereitung für eine lange Nacht ist natürlich ausschlafen! Am frühen Nachmittag machen wir uns dann auf den Weg uns einen guten Platz für das Feuerwerks-Spektakel zu finden. Als Geheimtipp haben wir die „Plaza Bismarck“ an der „Calle Aleman“ empfohlen bekommen, klingt spontan symphatisch soviel Heimat in der Fremde. Also klettern wir wieder den Hügel hinauf und kommen immer wieder in den Genuss neue enge Gassen mit bunten Häusern zu entdecken. Irgendwann stelle ich die These auf, dass in Valparaiso wahrscheinlich vorgeschrieben wird, dass ein neues Haus einen anderen Baustil und eine andere Farbe haben muss als das Nachbarhaus. Vielleicht ist es auch einfach nur eine Stadt in der Architekten ihre Kreativität ausleben können, auf jeden Fall ist Valpo wunderschön, auf eine ganz spezielle Art und Weise. Als wir unser Ziel erreicht haben sitzen dort in der ersten Reihe, von der man einen tollen Blick über die Stadt zum Hafen hat, der bis ins benachbarte Viña del Mar reicht, um 13.00 Uhr schon Leute mit Stühlen und Tischen und haben sich die Plätze reserviert. Das könnte eng werden heute Abend…also laufen wir den oberen Ring entlang, der über die Hügel oberhalb der Altstadt führt, finden aber keinen vergleichbaren Platz, dafür weitere hübsche Seiten der Stadt. Besonders die Wandgemälde, die wahrscheinlich durch die hier in grosser Anzahl ansässigen Künstler gefertigt wurden, haben es mir angetan.

Als wir wieder unten in der Stadt sind, ist dort die Hölle los: In den Strassen verkaufen unzählige Händler alles was man heute Abend braucht (oder auch nicht…). Auf der Plaza steht extra ein Festzelt in dem es nur Silvesterartikel zu kaufen gibt. Dabei handelt es sich nicht um Kracher oder Tischfeuerwerk, sondern um Verkleidungen. Schon in den letzen Tagen ist mir aufgefallen, dass es in allen Läden irgendwelche Kostüme zu kaufen gibt, hier hat Silvester eher etwas von dem wie wir Fastnacht feiern. Auf jeden Fall platzt Valparaiso aus allen Nähten. Das Feuerwerk gibt es dort seit den 50er Jahren und seitdem pilgern jedes Jahr am 31.12. Millionen (und das ist nicht übertrieben) in die 300.000 Einwohner-Stadt an der chilenischen Pazifikküste. Die Autobahn ins 120 km entfernte Santiago wird in diese Richtung gesperrt, damit man für die aus der Hauptstadt ankommenden Fahrzeuge mehr Spuren zur Verfügung hat. Damit wäre dann auch beantwortet warum die Zimmerpreise so extrem ansteigen. Das kann man sich wahrscheinlich nicht vorstellen, aber das ist einfach der ganz normale Wahnsinn, wenn die Chilenen Silvester feiern. Und um mich ein wenig anzupassen kaufe ich mir noch einen Mütze in den Landesfarben 🙂

Um 20.00 Uhr sind wir mit Anja und Theresa bei uns im Hostel verabredet um dann gleich mit unseren Getränkevorräten Richtung Aussichtspunkt zu marschieren. Aber wie das immer so ist dauert das Vorglühen länger als gedacht und so starten wir erst gegen 22.30 Uhr. Im Hostel hat es in der Zwischenzeit unzählige male geklingelt und irgendwelche armen Kerle haben nach einem Zimmer gefragt. Der letzte wollte dann sogar nur noch seinen Rucksack abstellen…zum Glück war ich wenigstens einmal auf dieser Reise früh dran! Direkt vor dem Hostel beginnt in der schmalen Strasse eine zweite Parkreihe. Ich ahne böses was unseren Platz angeht und verbreite zur Beruhigung das Gerücht, dass die meisten Touris den Platz gar nicht kennen oder zu faul sind so weit hochzumarschieren und deshalb wir uns dort „nur“ mit den Einheimischen die Plätze teilen müssen (und die sind meistens kleiner als ich). Als wir nach 20 Min. oben sind scheine ich mit meinem Dummgelaber sogar recht zu haben! Der Platz ist gut gefüllt, aber wir finden ohne Probleme noch ordentliche Plätze mit freier Sicht auf die Bucht mit dem Spektakel. Noch ein bisschen was trinken und dann ist es soweit:

Diez, nueve, ocho, siete, seis, cinco, cuatro, tres, dos, uno – Feliz año Nuevo! Was dann los ist würden wir deutschen mit dem Begriff  „ausrasten“ umschreiben. Eine wildes Gejubel,  „Chi-Chi-Chi-, -le-le-le, vive CHILE“ Sprechchöre und wildfremde Menschen die sich um den Hals fallen. Es heisst nämlich, dass man umso mehr Glück im kommenden Jahr hat,  je mehr Leuten man ein frohes neues Jahr wünscht. Wenn das stimmt, sollte es bei mir ein sehr glückliches Jahr werden! Das Feuerwerk beginnt übrigens erst um um 0.05 Uhr, damit sich alle voll darauf konzentrieren können. Während die restliche Stadt dunkel ist (wie gesagt werden hier sonst keine Raketen geschossen), ist der Hafen hell erleuchtet. Von den vor Anker liegenden Schiffen startet eine Rakete nach der anderen und es erscheinen alle nur denkbaren Formationen am Himmel. 23 Minuten dauert das Schauspiel, einfach nur beeindruckend! Eine der besten Entscheidungen hierher zu kommen, und die Nacht fängt jetzt erst an…

Wir gehen runter zur Bühne auf der Plaza, wo sicher über 100.000 Menschen feiern (ich denke nach den Fussball-Fanfesten in Deutschland kann ich sowas halbwegs einschätzen ohne zu übertreiben). Innerhalb kürzester Zeit „kenne“ ich die meisten Menschen um mich herum, ein Aleman mit Chile-Mütze, der Pisco-Cola trinkt kommt scheinbar gut an… Die Mädels beschliessen in einen Club zu gehen und nachdem ich noch eine Zeit mit Andre auf der Plaza verbracht habe trennen sich auch unsere Wege. Morgen wird er sagen er war nur kurz auf Toilette gewesen und genau an die gleiche Stelle zurückgekehrt, doch ich halte das für ein Gerücht^^ Ein paar Meter weiter treffe ich Daniel, Jessy und Frederick aus unserem Hostel und schliesse mich ihnen an. Und was ist besser als ein grosser  Blonder? Zwei davon! Als Gentlemann möchte ich hier nicht alle Details niederschreiben^^ aber sowas was wir heute sind nennt man wohl  Könige für einen Tag 🙂

Wir gehen wieder hoch auf einem der Hügel und in allen Strassen herrscht Party, die so aussieht, dass einfach jemand ein paar Boxen auf die Fensterbank stellt und die Menschenmassen davor stehen bleiben, tanzen, singen und trinken. Es vergeht keine Minute in der ich ohne Glas und/oder Flasche da stehe. Jeder unserer Gastgeber/innen will heute wohl einen neuen Amigo haben. Irgendwann verliere ich die drei aber auch wieder im Gedränge und stehe alleine da – mit meinen chilenischen Freuden. Im Minutentakt werde ich von irgendjemand, irgendwo hingezogen und dem ganzen Freundeskreis vorgestellt. Ich kann nicht einen Namen wiedergeben, wie so einiges was in den nächsten Stunden passiert (daher gibt es auch nicht so viele Bilder), aber es war einfach nur eine Hammerparty! Ich erinnere mich noch, dass ich irgendwann mit einer dieser Gruppen eine Strasse runtergelaufen bin, die an der Plaza endete, die so voll war, das wir nirgendswo durchgekommen sind und das war sicher min. 4.00 Uhr morgens. Mit einer meiner neuen Kumpels, der mich unbedingt noch auf eine Party schleifen will, bin ich dann gegen 6.00 Uhr zufällig vor unserem Hostel und beschliesse kurz nachzusehen, ob ich noch Getränke im Zimmer habe. Soweit kommt es nicht, denn im Flur fängt mich Fabian ab, der ebenfalls seine Leute verloren hat. Als wir uns gerade, aus Mangel an Gläsern, Pisco-Cola in die Kaffetassen giessen kommen Mascha und Sabrina, unsere Zimmergenosinnen, dazu und wir starten eine After-Hour. Ich weiss nicht mehr wie lange diese Runde noch zusammengesessen hat, aber gegen 9.00 Uhr wache ich mit dem Kopf auf dem Esstisch auf, 4 leere Tassen vor mir, und höre wie in der Küche das Frühstück vorbereitet wird…Zeit ins Bett zu gehen!

Ich würde sagen einer der besten Jahreswechsel, die ich gefeiert habe.  So kann das neue Jahr weitergehen!



Valparaiso

19 01 2011

28. – 30.12.2010, Tag 84 – 86

Da wir uns am Morgen auf nichts anderes einigen können, gehen wir runter zur Tankstelle an der Panamericana und fragen bei den Lasterfahrern. Nach kurzer Zeit haben die Mädels wie erwartet Erfolg und brausen davon. Hatte ich mal wieder recht denke ich mir und gehe die Alternativen am gegenüberliegenden Busbahnhof auschecken. Da heute aber kein Bus mehr frei ist bleibt uns gar nichts anderes übrig als per Anhalter in den Süden zu kommen. Grundsätzlich eignet sich Chile perfekt dafür, da es aufgrund seiner schmalen Form nur eine Autobahn hat, die Panamericana oder Ruta 5, die sich durch das ganze Land zieht und in deren Mitte Santiago als absolutes Zentrum liegt. Also steht abwechselnd einer von uns an der Strasse und der andere fragt bei den LKW-Fahrern an. Nach ca. 1,5 Std. als wir gerade versprechen zukünftig jeden Anhalter in Deutschland mitzunehmen, hält ein Beattle-Fahrer und erklärt uns, dass die Stelle ungünstig sei, da die meisten Fahrzeuge im angrenzenden Coquimbo erst beladen werden. Er bringt uns die 11 km zum Ausgang dieser Stadt und erzählt dabei, dass er früher selbst „mit dem Daumen“ wie er es schön beschreibt von Mexiko nach Feuerland getrampt ist. Hinter Coquimbo lässt er uns raus und meint die Stelle sei besser. Leider stehen wir wieder an einer Anhöhe ohne Haltemöglichkeit. Hinter uns ruft ein Mechaniker aus einer Werkstatt, der unsere Absicht wohl erahnt, dass wir weiter laufen sollen. Ich gehe kurz rüber und er erklärt, dass in 1 km eine Tankstelle kommt und wir dort einen Fahrer ansprechen sollen. Ich hätte dabei daran denken sollen, dass in Südamerika Entfernungen ähnlich wie Zeitangaben sind…

Wir wandern also an der Autobahn entlang, das Schild in der Hand und immer schön lächeln. Auf einmal ein Hupen, wir drehen uns erwartungsfroh um und sehen den LKW mit den Mädels vorbeifahren, jetzt die offene Ladefläche voll beladen. Na ja, immerhin haben wir auch schon 11 der, wie wir am Strassenschild ableiten ca. 350 km… Nachdem wir gut eine halbe Stunde bergauf gewandert sind, bin ich mir sicher, dass es mehr als 1 km zur Tankstelle ist. Das Problem ist hierbei nicht das wandern oder bergauf, sondern die Kombination mit meinem Gepäck, was sich (wie ich später erfahren werde) mittlerweile auf 35 kg beläuft. Nach fast einer Stunde erreichen wir die beschriebene Tankstelle und anhand der Kilometersteine weiss ich, dass es min. 3 km waren. Wir teilen uns wieder auf, ich klappere die rastenden Fahrer ab während Andre mit dem Schild an der Ausfahrt wartet. Nach einer guten weiteren Stunden spricht uns einer an und meint er könne uns an der Ausfahrt Richtung Valparaiso rauswerfen. Perfekt, hatte ich also unrecht, geht doch! Also laden wir die Rucksäcke hinten in den sonst leeren Anhänger und setzen uns auf die Schlafläche, da diesmal ein Beifahrer mit an Bord ist. Die Fahrt wird ziemlich rasant und unser Chauffeur hält wenig von der chilenischen Geschwindigkeitsbegrenzung für LKWs von 100 kmh. Die Berge runter mit Geschwindigkeiten von bis zu 130 kmh, wobei man das Gefühl hat der Hänger würde hinten ausscheren sind keine Seltenheit. Generell hat die Fahrt nicht mehr den Charme des ersten Trampens und da die beiden schon zu zweit sind werden Fragen an uns meist nach der erfolgten Antwort intensiv untereinander diskutiert. Wir beobachten derweil die „Strassenverkäufer“, die auf dem Standstreifen der Autobahn auf ihren Tischen alles anbieten was man sich vorstellen kann. Von Getränken über Besen bis zu frisch geschlachteten Schweinen, die wie Transparente in die Höhe gehalten werden ist alles dabei.

An einer Maustelle überholen wir den Laster mit den Mädels, was wollen wir mehr! Allerdings überholen sie uns wenig später wieder als wir mit unseren Begleitern beim Abendessen sitzen. Dabei fährt man nicht extra auf eine Raststätte raus, sondern parkt einfach auf dem Standstreifen und läuft über die Autobahn. Nach dem gemeinsamen Essen entwickelt sich ein angeregtes Gespräch und ich stelle wieder fest, dass in jedem Chilenen ein Fremdenführer zu stecken scheint. Gegen 23.00 Uhr ereichen wir die Aufahrt bei La Galera, wo wir rausgelassen werden. In den Ort sind es noch 4 km, also heisst es nochmal wandern. Im stockdunkeln geht es an der Landstrasse entlang, deren Seitenstreifen manchmal nicht breit genug ist, dass wir darauf laufen könnten. Als wir nach gut einer Stunde die Stadt erreichen suchen wir eigentlich ein Hostel für die Nacht, da unsere Fahrer meinten morgen würde man mit den Bussen unproblemtisch nach Valparaiso kommen. Plötzlich hupt ein Busfahrer neben uns der scheinbar unser Schild gesehen hat. Wir steigen ein und er bringt uns nach Quilota, wo wir umsteigen sollen. Er kann uns allerdings nicht sagen, ob der letzte Bus schon weg ist… Ein junger Chilene mit dem ich im Bus gesprochen habe bietet an das wir bei ihm übernachten und morgen den Bus nehmen können. Wir sind allerdings so kurz vorm Ziel und wollen unbedingt diese Etappe noch schaffen. Und tatsächlich kommt nach langem warten noch ein Bus. Unterwegs nicke ich ein und als André mich weckt haben wir gerade einen anderen Bus ausgebremst und wir sollen nochmal umsteigen. Damit durchqueren wir dann das hübsche Viña del Mar und erblicken dann von oben den Hafen von Valparaiso, in dem die vor Anker liegenden Schiffe alle beleuchtet sind. Ein toller Anblick nach so einem Tripp. Um 2.00 Uhr haben wir unser Ziel erreicht und Alexander, ein Chilene den wir gerade im Bus kennengelernt haben, bringt uns zu einem Hotel, vor dessen Tür gerade jemand mit einem Hochdruckreiniger die Strasse saubermacht. Für die Silvester-Nacht ist es durch den hier üblichen Zuschlag zu teuer, aber für heute ist es o.k. Morgen gehen wir dann auf Hostelsuche für Silvester in Valparaiso.

Als ich morgens aufwache fällt mir die Zeitbestimmung schwer, denn das Zimmer hat keine Fenster. Um kurz vor eins bekommen wir dann gerade noch so das letzte Frühstück. Das Hotel wirkt etwas wie ein Geisterhaus. Ein altes Gebäude mit knarrenden Böden, hohen Zimmer, innenliegenden Balkonen und einer Einrichtung (bis auf die Zimmer) die ebenso alt zu sein scheint wie das Gebäude. Ab und zu läuft der Hostelier oder eine der Angestellten verloren durch die Räume, aber das war es dann auch schon, sonst nur leere und stille. Als wir vor die Tür gehen ist es damit vorbei. Valparaiso oder Valpo, wie es die Chilenen nennen, ist eine muntere Hafenstadt und hat es mir sofort angetan. An uns vorbei fahren Busse im Stil der 50er Jahre und gegenüber fährt ein Accensor den Hang hinauf. Insgesamt verfügt Valpo über 11 dieser Aufzüge, die die unteren Teile der Stadt mit den oberhalb am hang liegenden verbinden und sowas wie das Wahrzeichen sind. Wir überqueren die Plaza, auf der gerade die Bühne für das Silvester-Konzert aufgebaut wird und kommen in den Bankenbezirk, dessen Häuser ein wenig an die Wall-Street in New York erinnern. Wir finden sogar ein Gebäude, dass in seiner Form wie ein Nachbau des Flatironbuildings wirkt.

Die Silvesterparty in Valparaiso ist die grösste des Landes und das Feuerwerk mit 25 Minuten Dauer nach Sydney und Rio de Janeiro angeblich das drittgrösste weltweit. Alles was ich bisher an Informationen erhalten habe deutet darauf hin, dass Valpo der Platz in Chile ist um in das neue Jahr zu feiern. Also brauchen wir dringend ein Hostel. Ich habe ein paar rausgesucht und wir klappern diese nun nacheinander ab. Bereits das erste Hostel, Casa Aventura, das leicht versteckt in einer Seitentreppe liegt, hat es uns angetan und hat auch noch 2 Betten zu einem akzeptablen Preis frei. Die Besitzer, ein deutsch-chilenisches Ehepaar, suchen uns weitere Hostels in der Nähe raus, wo noch Zimmer frei sein sollten. Also besichtigen wir mehrere Hostels am ganzen Hang, insgesamt werden es am Ende des Tages 16 sein. Dabei eröffnen sich immer neue Blickwinkel durch dië Gassen mit den hübschen bunten Häusern auf dem Cerro Concepcion. Nun wird mir auch klar, warum man die Stadt das kleine San Francisco nennt! Was die Unterkünfte angeht, ist von schönen familieren Herbergen, über das Luxuszimmer mit Ausblick auf das Feuerwerk, bis zur Designerwohnung eines Architekten, der gerade im Ausland weilt, ist alles dabei, aber auch alles deutlich über dem Preis, den wir als Maximun angesetzt haben. Der liegt mit 30.000 Peso (ca. 45 Euro) deutlich über dem was wir sonst ausgeben. Aber geschenkt gibt es an Silvester hier nichts. Da wir mehr als eine Nacht in Valpo bleiben wollen checken wir in die Casa Aventura ein, wo wir uns das Zimmer mit zwei deutschen Mädels teilen.

Als alles unter Dach und Fach ist suchen wir ausserhalb des Stadtzentrum nach einer günstigeren Unterkunft für unsere beiden Reisepartnerinnen. Dabei lernen wir die vielen Facetten der Stadt kennen. Nachdem wir die „Wall-Street“ passiert haben, kommen wir an einen Torbogen, den wir spontan „Arc de Triumph“, danach geht es durch eine Palmenpromenade, die etwas an Miami erinnert und vorbei an Plattenbauten (Ost-Deutschland ;)). Es ist fast so als habe man hier jeden Baustil einmal irgendwie kopieren wollen. Als wir den Mercado Central erreichen, der in einer Art Metall-Fachwerk-Gebäude untergebracht ist sind wir was den Verkehr und die Hektik angeht eindeutig in Südamerika, ein Treiben wie z.B. in Peru. Nach weiteren Hostels entdecken wir eine Art Studentenunterkunft. Das Zimmer ist preislich o.k. und ich beschreibe es mal als „Einfache Unterkunft ohne Fenster mit Gemeinschaftsbad und Familienanschluss“ ^^

In unserem Hostel sind mittlerweile die deutschen in der Überzahl und so ergeben sich beim Essen und beim anschliessenden Spieleabend eine super lustige Runde, die bis spät in der Nacht zusammensitzt. Das ist auch der Grund warum ich am nächsten Morgen das Frühstück verschlafe, aber hier wird (deutscher) Service gross geschrieben und ich bekomme sogar nochmal frisches Rührei gemacht! Nachdem Anja und Theresa geschrieben haben, dass sie das Zimmer nehmen gehen wir nochmal vor Ort um zu reservieren. Auf dem Rückweg kaufe ich mir noch eine Konfettikanone, die hier zur Standardaustattung für die Silvester-Party gehört. Als die beiden Mädels dann am späten Nachmittag plötzlich schon vor der Tür stehen begleiten wir sie noch in ihre Herberge und gehen anschliessend auf Anraten unseres Hosteliers schon für morgen einkaufen. Dem Tipp zu folgen war auf jeden Fall richtig, denn trotz 40 (!) geöffneter Kassen ist der Supermarkt proppevoll. Abends folgt eine zweite lustige Hostelrunde und so starten wir gut eingestimmt in Richtung Jahreswechsel.




Valle de Elqui

17 01 2011

27.12.2010, Tag 83

Beim Frühstück lernen wir Katharina aus einer Stadt Namens Frankfurt^^ kennen, die gestern hier angereist ist. Gemeinsam wollen wir uns ein Auto mieten um ins nahegelegene Elqui-Tal zu fahren, was für Seine Weinbaugebiete bekannt ist und wo die bekannten Brennereien des Nationalgetränks Pisco ihren Sitz haben. Für den späten Abend haben wir uns für eine Sternbeobachtung im Observatorium Mamalluka angemeldet, was sich ebenfalls im Tal befindet. Bei einer Autovermietung um die Ecke werden wir auch gleich erfolgreich und zahlen am Ende inklusive Benzin 18 Euro pro Person.

Seit 3 Monaten bin ich kein Auto mehr gefahren, aber so schnell verlernt man es zum Glück nicht. Hier in Chile ist es im Vergleich zum Rest Südamerikas auch relativ einfach, da man sich hier wenigstens ab und zu an Verkehrregeln hält. Wir fahren aus der Stadt raus und kommen auf eine Landstrasse: Jetzt erstmal Gas geben! Nachdem wir einen Tunnel passiert haben öffnet sich vor uns ein riesiger Stausee. Wir halten kurz an und geniessen den Blick von einem kleinen Hügel. Die Strasse bringt uns nach Vicuña, wo wir uns heute Abend auch wegen des Besuchs des Observatoriums einfinden werden. Allerdings ist der Ort nicht so spektakulär, deshalb fahren wir weiter nach Pisco Elqui, wo es, wie man aus dem Namen ableiten kann, einige Brennereien gibt, von denen wir eine besuchen wollen. Als wir aus dem Ort raus sind öffnet sich das Valle de Elqui und Zeist sich von seiner schönsten Seite. Während die Berge im Hintergrung braun und nur spärlich bewachsen sind, ist das Tal saftig grün und von Weinreben durchzogen. Über eine kurvige Strasse erreichen wir den Ort Pisco Elqui und stoppen vor der Brennerei von Mistral Pisco. Diese ist heute jedoch leider geschlossen, wie fast alle anderen auch. Man sagt uns ausserhalb gebe es noch eine kleinere Brennerei, also machen wir uns auf den Weg. Doch auch bei “Fundo los Nichos”, der ältesten Pisco-Brennerei, haben wir kein Glück. Ausser einer kostenlosen Probe im dazugehörigen Laden ist dort nichts zu machen. Also fahren wir auf Drängen unserer weiblichen Begleitungen, die heute in der Überzahl sind, weiter zu einem Artesanal, einen Kunsthandwerkermarkt. Wir biegen bei einem Schild von der Hauptstrasse ab und fahren auf einer Schotterpiste ins Tal hinab. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass sich hier überhaupt irgendwas befindet, ausser den kleinen Hütten mit den Eseln die davor stehen… Doch wenig später erreichen wir das nett angelegte Gelände auf dem von Schmuck über Deko bis zur Kleidung alles angeboten wird.

Nach einem beinahe Unfall auf dem Weg zurück zur Hauptstrasse und einem weiteren Stopp in Pisco Elqui, fahren wir nach Vicuña um noch etwas zu essen bevor es um 22.30 Uhr ins Observatorium geht. Wir probieren Pastel de Choclo, ein Maisauflauf mit Fleischfüllung, der unten würzig und oben süss ist. Danach machen wir uns mit einem Auto-Konvoi auf zum Observatorium. Als wir die Schranke zur Anlage passieren müssen wir das Licht ausschalten und den kleinen grünen Markierungen auf dem Boden folgen, die uns zum Parkplatz bringen. Von dort aus sehen wir schon warum die grössten Teleskope weltweit in Chile (in der Atacama-Wüste) stehen: Der Himmel ist super klar und es ist so eine grosse Anzahl an Sternen schon mit blossem Auge zu erkennen, wie ich sie vorher noch nie gesehen habe. Es geht es direkt unter die Kuppel zum grossen Teleskop. Unser erster Beobachtungsziel ist der Jupiter mit seinen 4 Monden, dann folgt N… (die Zahl habe ich vergessen), der Stern den man von überall auf der Welt sieht und die Magellan-Galaxie. Der Führer erklärt uns die verschiedenen Sternbilder: Kreuz, „Fake-Kreuz“, Jäger, Lama, Falke und einige weitere, nachdem sich u.a. früher die Seefahrer orientiert haben. Dazu erklärt er uns was der Betrieb eines der grossen Teleskope in Chile pro Tag kostet. Ich müsste jetzt lügen um eine Zahl zu nennen, aber sie war auf jeden Fall 7-stellig, Dollar versteht sich. Die grossen Teleskope werden auch alle von anderen Ländern betrieben, allen voran den USA. Chile darf als „Gastgeber“ 10 % pro Jahr nutzen. Die Gegend ist optimal, da durch die Lage am Pazifik und vor den Anden ein besonders klarer Himmel entsteht. Aktuell ist ein noch grösseres Teleskop im Bau, was von Amerika und der EU betrieben wird, da es ein Land alleine nicht finanzieren könnte. Das Teleskop was im letzten James Bond Film zu sehen war steht auch in Chile, wurde im Film allerdings nach Bolivien verlegt, was hier für ziemlichen Unmut gesorgt hat.

Wir gehen nach draussen zu einem weiteren Teleskop. Bevor wir durchschauen, meint unser Führer noch wir sollen auf dem Stern über dem Berg hinter uns achten, dort würde gleich ein zweiter auftauchen. Durch das Teleskop sehen wir blaue Sterne, die gerade erst „geboren“ wurden und rote, die bald „sterben“. Den wir sehen beobachten die Experten schon seit Jahren, durch die Entfernung von mehreren Millionen Lichtjahren wird er aber schon lange verschwunden sein, wenn wir es dann sehen können (nur als Info für die, die sich wie ich mit der Materie nicht auskennen…). Als wir uns wieder umdrehen stehen über dem Berg tatsächlich zwei Sterne, wodurch man die Bewegung der Erde ableiten kann. Ich habe zwar keine Ahnung von Astronomie aber ich finde das alles unheimlich interessant und auch beeindruckend, wieviel Zeit die Fachleute darin investieren einfach nur den Himmel zu beobachten, wo für uns Normalos eigentlich nichts passiert. Wir bekommen erklärt, dass es einen Planeten gibt, der so beschaffen ist wie unsere Erde und in ferner Zukunft vielleicht irgendwann besiedelt werden könnte. Das wäre doch mal was wo man noch abseits der touristischen Pfade reisen kann, ganz im Sinne von „Per Anhalter durch die Galaxis“ 😉 Nach einem kurzen Vortrag, bei dem uns ein interessantes Programm vorgestellt wird mit dem man das aktuelle Himmelsbild über seinem Wohnort abrufen kann, fahren wir zurück. Auch wenn der erste Teil unseres Ausflug sich, abgesehen von der Landschaft, nicht unbedingt gelohnt hat, war der zweite Teil umso beeindruckender.

Noch in der Nacht teilen uns Theresa und Anja mit, dass sie nicht wie geplant nach Valparaiso fahren möchten, sondern direkt nach Santiago. Sie gehen davon aus, dass es dort schwierig sein wird ein Zimmer zu bekommen, da in 3 Tagen die grösste Silvesterparty des Landes steigt. Wir sehen das anders und so teilen wir uns auf. Andre und ich versuchen nach Valparaiso zu kommen, ein (bezahlbares) Zimmer zu finden und wenn wir erfolgreich sind kommen die Mädels die knapp 120 km rüber. Die beiden suchen derweil eine Unterkunft in Santiago und falls wir nicht erfolgreich sein sollten wäre das für uns die Alternativ-Variante für den Jahreswechsel. Problem bei der Sache ist nur, dass wir wieder trampen wollen und in der Konstellation wird es für die Maedels zwar einfacher, wir als zwei Männer werden es aber wohl etwas schwerer haben eine Mitfahrgelegenheit zu finden…ich bin gespannt ob und wann wir in Valparaiso ankommen.