La Serena – „Navidad“

16 01 2011

23. – 26.12.2010, Tag 79 – 82

Noch etwas euphorisiert vom geglückten Trampen überqueren wir die Panamericana, die hier mitten durch die Stadt führt. Mit dem Reiseführer in der Hand stehen wir vor einer Tankstelle und versuchen die Richtung des Hostels zu bestimmen. Ein Chilene fragt, ob er helfen kann und wir nehmen dankend an. Nachdem er uns den Weg ausführlich beschrieben hat fragt er mich noch, ob die Tüte in meiner Hand Müll sei?! Ich sage ja und prompt bin ich den Beutel los! Als wir am nächsten Zebrastreifen warten hält plötzlich ein Auto an und lässt uns die Strasse passieren. Das habe ich seit ich Deutschland verlassen habe nicht mehr erlebt. Normalerweise wird man als Fussgänger am Zebrastreifen angehupt, damit man bloss nicht über die Strasse geht. In Sachen Gastfreundschaft haben die Chilenen schon mal gewonnen! Das Hostel was wir als Treffpunkt ausgemacht haben ist leider voll. Wir fragen nach Anja und André, aber die beiden waren noch nicht hier, also ERSTER 🙂 Man schickt uns nebenan und als die Tür geöffnet und wir reingebeten werden, haben wir den Eindruck wir stehen im Wohnzimmer der Familie (was sich später auch bestätigen wird). Das gemütliche Hostel hat entlang des Gartens eine Reihe Flachbauten in dem sich die Zimmer befinden. Wir bekommen zu zweit jeweils ein Dreibettzimmer, da hier momentan wohl der Andrang nicht so gross ist. Vor den Zimmern steht eine Hollywood-Schaukel und wir können Küche und Wohnzimmer mitbenutzen. Ein netter Ort um Weihnachten in der Fremde zu feiern.

Ich mache mich auf noch einiges zu erledigen, gehe waschen und in die Mall, die mich davon überzeugt, dass wir hier wieder in der Zivilisation angekommen sind. Der Unterschied zu Bolivien ist ziemlich krass und der Einkaufstempel in Stile der amerikanischen Vorbilder toppt auch alles was ich aus Deutschland kenne. Anschliessend drehe ich noch eine Runde durch die Innenstadt, die mit ihren 29 Kirchen für Weihnachten bestens ausgestattet ist. Auf dem Rückweg höre ich jemand meinen Namen rufen und als ich mich umdrehe entdecke ich Anja und André, die es auch per LKW bis hierher geschafft haben.

Am Morgen des 24.12. stelle ich fest, dass der Zeitunterschied zu Deutschland nur noch 4 statt der wie ich dachte 6 Stunden beträgt. Da Bolivien 5 Stunden Zeitverschiebung hatte, habe ich angenommen im weiter westlich liegenden Chile seien es wieder 6 wie in Peru und Ecuador. Problem ist nun, dass wir heute Nachmittag (21.00 Uhr deutsche Zeit) in die Heimat skypen wollten, es wegen Heiligabend nun aber Probleme geben könnte ein Internet-Café zu finden das um fünf noch geöffnet hat. Zunächst geht es aber erstmal einkaufen im Jumbo, der seinem Namen alle Ehre macht. Ich ertappe mich dabei, dass ich, wie üblich wenn ich mal einen grossen Supermarkt finde, Vorratskäufe machen will. Das wird hier in Chile allerdings nicht mehr nötig sein und mit ca. 16 Kilo in den Tüten (grössenteils Getränke für die Feiertage) geht es zurück den Hang hinauf an dem das Hostel liegt. Gerade in solchen Momenten wäre doch ein Auto super praktisch… Zum skypen in die Heimat finde ich in der Innenstadt dann doch noch ein Internet-Café und so bin ich wenigstens virtuell dabei, als alle zusammen beim Raclette sitzen. Um 18.00 Uhr wir die Liveschaltung dann allerdings beendet, da die Besitzerin des Call-Shops heute natürlich auch noch feiern will.

Zurück im Hostel ist Theresa noch beim Plätzchen backen und der Sohn des Hauses rennt mit seiner neuen Elektro-Gitarre durch die Gegend aus der es immer wieder schallt: „Hey ho, let´s go!“ Während wir in der Küche essen, findet nebenan im Wohnzimmer/Eingangsbereich des Hostels die Bescherung statt. Der kleine Mann sahnt hierbei richtig ab, denn neben der genannten Gitarre gibt es ein neues Fahrrad und einen ferngesteuerten Hubschrauber. In meinem nächsten Leben will ich auch ein kleiner Chilene sein 😉 Bei uns gibt es natürlich auch eine Bescherung, wobei wir es Anja zuliebe noch etwas in die Länge ziehen^^ Nach ein paar Bier, die ich mir zur Feier des Tages gönne, geht es nach einem wie ich finde harmonischen Abend auf die Zimmer, wo wir das mit Top-Filmen gespickte Fernsehprogramm geniessen. Mein erstes Weihnachtsfest, dass ich nicht in Deutschland verbringe. Irgendwie komisch und so richtig kommt es mir auch nicht wie Weihnachten vor. Liegt wahrscheinlich an den sommerlichen Temperaturen, denn auch wenn wir zu Hause nicht immer weisse Weihnacht haben, so ist es doch auf jeden Fall nicht so warm, dass man in Shorts rumlaufen kann.

Als ich am nächsten Tag aufestehe ist es 13.00 Uhr. Im Fernsehen läuft „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ (der Kerl, der als alter Mann geboren und dann immer jünger wird), ein wie ich finde sehr guter Film mit vielen interessanten Momenten. Zum Beispiel wird anhand einer Szene gezeigt, wie eine aneinanderreihung von Zufällen manchmal ein ganzes Leben verändern können…und man sieht wie Benjamin als körperlich junger Mann, aber im Alter von gut 70 Jahren, die Welt bereist und dabei sagt: „Es ist nie zu zpät irgendetwas zu tun!“ Meine Rede, aber zum Glück habe ich diese Einsicht ein paar Jahre früher bekommen. Etwas sentimental angehaucht lasse ich mich dann am Nachmittag am Fusse des Leuchtturms von La Serena nieder und schreibe mein „Zwischenfazit“ dieser Reise. Eine Feuerwehrparade, die hupend vorbeifährt beendet dann meine Gedanken und mit Blick auf die Uhr merke ich, dass es Zeit ist zurück zu gehen. Ich war zwar nicht schwimmen, da der Pazifik doch etwas kalt ist, aber ich war Weihnachten am Meer 🙂 Auf dem Rückweg laufe ich nochmal durch die Innenstadt, die wir leergefegt ist.

Der zweite Weihnachtsfeiertage ist ebenfalls unspektakulär, ausser das heute die zweite Hälfte meiner Reise beginnt. Mit Markus, einem Schweizer, der mit dem Fahrrad durch Südamerika reist gehen wir zum Strand und legen uns in die Sonne. Auf dem Rückweg machen wir beim Supermarkt Halt, der trotz des Feiertags der zudem auf einen Sonntag fällt, geöffnet hat. Abends checkt ein zweiter „Fahrrad-Wahnsinniger“ ins Hostel ein und wir tauschen uns mit den beiden aus. Um ein Land richtig und mit genügend Zeit kennen zu lernen ist ein Fahrrad sicher eine fast optimale Variante. Selber fahren würde ich allerdings so eine Strecke nicht, da hält sich meine sonstige Sportbegeisterung doch in Grenzen… Die für morgen geplante Tour machen wir dann lieber mit dem Auto, ins nahegelegene Valle de Elqui.



Trampen auf der Panamericana

15 01 2011

San Pedro de Atacama – Antofagasta – Chañaral – La Serena

22./23.12.2010, Tag 78/ 79

Der Bus, der uns um 7.30 Uhr nach Antofagasta an die chilenische Küste bringt ist ziemlich voll. Scheinbar wollen alle Touristen und auch die Chilenen über Weihnachten in den Süden. Unser eigentlicher Plan sah so aus die Feiertage in San Pedro de Atacama zu verbringen, denn „Weihnachten in der Wüste“ hat man auch nicht jedes Jahr. Allerdings hat die staubige Kleinstadt, die irgendwie an Mexiko erinnert, zwar ein ganz hübsches Erscheinungsbild, sonst aber nicht allzu viel zu bieten. Die meisten Aktivitäten, wie z.B. einen Besuch der nahen Geysire, kennen wir schon aus Bolivien, wo es zudem um einiges billiger war. Und die durchweg hohen Preise laden nicht gerade zum verweilen ein… Also beschliessen wir zu meiner allerersten Idee zurück zu kehren und Weihnachten am Strand zu feiern. Der Küstenort La Serena ist dabei unser Ziel. Als wir gestern das erste mal im Büro des Busunternehmens waren, gab es noch Tickets. Eine halbe Stunde später, nachdem wir nach langem Suchen einen Geldautomaten gefunden hatten bei dem wir uns mit chilenischen Pesos eindecken konnten, war die Fahrt ausgebucht. Daher also erstmal an die Küste, wo die Panamericana vorbeiläuft und hoffen, dass wird es durch die grössere Anzahl an Busunternehmen, die dort ansässig ist doch noch irgendwie Richtung Süden schaffen.

Antofagasta, das in unseren Reiseführern nicht gut wegkommt, begrüsst uns mit einem schönen Blick auf den Pazifik und widerlegt dieses. Der oben beschriebene Plan geht leider nicht auf, da alle Busunternehmen bis nach Weihnachten ausgebucht sind. Die nächste Idee ist es einen Mietwagen zu nehmen und damit nach La Serena zu fahren. Wenn man den Preis durch 4 Personen teilt sollte das bezahlbar sein und wo wenn nicht in Chile kann man sich in Südamerika als Europäer trauen Auto zu fahren. Also gehen Theresa und ich Richtung Innenstadt, die deutlich weiter entfernt ist, als es auf dem Stadtplan den Anschein hatte. Auch hier wirkt Antofagasta mit seinem Fischerhafen und dem Leuchtturm eigentlich ganz nett. In der Touristeninformation an der Plaza erhalten wir eine Liste mit allen Mietwagenfirmen. Die erste ist gleich um die Ecke und der Preis ist eigentlich auch o.k. (ca. 50 Euro pro Tag). Das Problem ist der Rücktransport des Fahrzeugs, der sprengt mit umgerechnet ca. 250 Euro deutlich unseren Rahmen, denn es kommt ja auch noch Benzin dazu und das ist bei 850 km auch nicht gerade wenig. Die weiteren Anfragen bringen ebenfalls das gleiche Ergebnis. Das einzig nette an dieser Tour ist der Warteraum bei Europcar, die sich in einem Luxushotel befinden, durch dessen Glasfront man die Pelikane am Ufer beobachten kann.

Nach fast 3 Stunden kehren wir zu Anja und André an den Busbahnhof zurück, die dort mit dem Gepäck gewartet haben. Unterwegs hatten wir schon Witze gemacht man könnte doch per Anhalter fahren. Nun wird das zur echten Option. Wir könnten uns aufteilen und mit irgendwelchen Bussen zu unterschiedlichen Zeiten in den Süden fahren, aber das wir Weihnachten zusammen feiern wäre dann sehr unwahrscheinlich. Diese Option steht uns aber morgen immer noch zur Verfügung, also beschliessen wir unser Glück an der Strasse zu versuchen. In wenigen Minuten sind Pappschilder organisiert und während uns einige Wartende begutachten, gehen andere helfend zur Hand. Egal wie es ausgeht, Spass haben wir schon mal gehabt 🙂

Da wir keine armen Anhalter sind, lassen wir uns von einem Taxi an die Auffahrt zur Panamericana bringen. Da wir dafür gute 20 Min. brauchen war dies schon mal keine schlechte Entscheidung. So stehen wir also mit unseren mit Sonnen und Smileys verzierten Schildern an einem Berghang, hinter dem die längste Strasse der Welt entlangführt. Wir teilen uns in zwei Gruppen auf, da trampen zu viert ziemlich unrealistisch wäre. Unser Ziel ist La Serena, wer als erstes dort ist hat gewonnen 😉 Den Platz an dem wir stehen halte ich jeodch für ungünstig, da wie LKW-Fahrer, die wir im Visier haben hier schlecht anhlaten können. Und genauso deuten wir ihre Zeichen, die sie machen und uns wohl damit sagen wollen, dass wir weiter rauf müssen. Also schleppen wir die Rucksäcke bzw. uns in den Staubwolken der vorbeifahrenden Fahrzeuge den Berg hoch. Es dauert nicht lange da ist meine Euphorie dahin und die aufmunternden Zeichen, die uns die vollbesetzten Autos geben helfen nur bedingt darüber hinweg. Wir erreichen eine Haltebucht und ich beschliesse ein zweites Schild mit einem nicht ganz so weit entfernten Ziel zu erstellen. Fast 900 km sind dann am Anfang doch etwas weit. Am oberen Ende der Haltebucht sehen wir Anja und André mit einem Lasterfahrer, der dort gehalten hat. Erst schliessen sie die Tür wieder, doch dann steigt der Fahrer aus, schnallt die Rucksäcke auf der offenen Ladefläche fest und die beiden sind unterwegs. Scheint also zu funktionieren… Noch bevor ich das zweite Schild fertig habe hält ein Pick-Up Fahrer und versucht uns etwas zu erklären, was wir nicht ganz verstehen. Es scheint, als würde es in 18 km eine Polizeikontrolle geben, weshalb hier niemand halten würde. Claudio bietet an uns bis dahin mitzunehmen und nun sind auch wir „on the Road“!

Unterwegs erzählt er uns, dass er mit Obst handelt und eine Flotte mit über 100 LKWs hat, die in ganz Südamerika verkehren. Heute ist leider niemand mehr Richtung Süden unterwegs, aber er bietet uns an, falls wir nicht weitergekommen, uns morgen früh an der Stelle wo wir aussteigen werden mitnehmen zu lassen. Kurz vor dem Ziel kommt uns noch ein Laster entgegen und wir halten an. Der Fahrer ist sein Vater, der ihm erstmal die Rückbank mit Beuteln voller Obst vollmacht. Claudio drängt uns fast etwas zu nehmen und so steigen wir gut eingedeckt am beschriebenen Kontrollpunkt aus und vereinbaren morgen um 9.00 Uhr an seiner Arbeitsstelle vorbeizukommen, die in unmittelbarer Nähe ist, falls wir heute hier nicht wegkommen. Ich mache mich weiter daran das zweite Schild fertigzustellen, doch bevor dies geschehen ist werden wir schon von einem Fahrer eines Bierlasters der Marke Cristal angesprochen, der meint das er uns bis ins ca. 350 km entfernte Chañaral mitnehmen kann. Genau dieser Ort sollte auf mein Schild, also auf geht´s! Wir schmeissen die Rucksäcke auf das Bett, Theresa nimmt daneben Platz und ich besetze den Beifahrersitz. Nach knapp einer Stunde sind wir erfolgreich, was ein geiler Moment! Das erste mal trampen in meinem Leben, in Südamerika, dazu in einem Bierlaster und dann noch auf der Traumstrasse Panamericana, mehr geht nicht!

Nach einem kurzen Gespräch erzählt uns Edgardo, dass er morgen nach Santiago weiterfährt und in Chañaral nur übernachtet. Da La Serena auf dem Weg liegt könnte er uns dort morgen am Nachmittag rauswerfen, sofern wir irgendwo einen Schlafplatz für die Nacht finden. Perfekt, was will man mehr?! Die Panamericana zieht sich scheinbar endlos durch die Atacama-Wüste, die bei der langsam untergehenden Sonne ein tolles Bild bietet. Ich sitze auf meinem erhöhten Aussichtspunkt und geniesse einfach nur die Landschaft. Unser Fahrer erweist sich als ein echter Glückgriff: Erst begutachten wir an einer Tankstelle einen 8 x 21 Meter grossen Bagger, für den wohl die ganze Fahrbahn gesperrt werden muss, wenn er fortbewegt werden soll. Dann erblicken wir eine „Hand“ mitten in der Wüste. Edgardo drosselt das Tempo, wie ich denke das ich bessere Fotos machen kann. Doch dann biegt er plötzlich ab und fährt mit dem Sattelschlepper, direkt vor die „Mano del Desierto“ die ein Künstler dort erschaffen hat. Während der Fahrt folgt eine nette Unterhaltung, die sich aufgrund des chilenischen Spanischs, was deutlich schneller ist als das der Nachbarländer und über ein zusätzliches Vokabular verfügt, dass daraus besteht einfach Wörter zu verkürzen, anfangs schwierig gestaltet. Dank Wörterbuch kommen wir aber irgendwie zurecht und so wird die Zeit auch nicht so lang. Das Problem sehe ich auch gerade für die Fahrer, denn der LKW verfügt weder über Fernsehen, wie manch anderer, noch über Radio!

Entlang der Strecke sammeln sich unmengen an geplatzten Reifen, die wohl aufgrund der Verbindung von Hitze und überhöhter Geschwindigkeit ihren Dienst versagt haben. Ebenso häufig sind kleine „Häuschen“ mit Kerzen, die hier für Verkehrstote errichtet werden. Gegen halb zwölf erreichen wir Chañaral und parken an einer Tankstelle. Unterwegs hatten wir schon gefragt, ob wir nicht mit Schlafsäcken auf der Ladefläche übernachten könnten. Die ist allerdings randvoll mit Leergut und so checken wir gegenüber in einem Hostel ein, wobei sich Edgardo nicht nehmen lässt uns dabei zu „unterstützen“.

Am nächsten Morgen stehen wir wie verabredet um 7.30 Uhr am Laster, wo wir die ersten sind…chilenische Zeitrechnung nennt man das 😉 Theresa hat noch Brötchen direkt aus der Backstube bekommen und so geht es weiter Richtung Süden. Die Panamericana wechselt vom Meer weg ins Landesinnere und die Landschaft verändert sich. Olivenhaine säumen den Strassenrand und umso weiter wir fahren, umso grüner wird es. Edgardo erzählt von seiner Familie und wie er Weihnachten und Silvester feiert. Er fragt viel bei uns nach und ich zeige ihm ein paar Fotos aus Deutschland, die ich noch auf meiner Kamera habe. Gegen 14.00 Uhr erreichen wir La Serena – wir haben es geschafft. 850 km in nicht mal 20 Std. und keinen Cent bezahlt. Wir tauschen noch E-Mail-Adressen aus und es folgt ein fast herzlicher Abschied. In der kurzen Zeit hat sich ein ziemliches Vertrauensverhältnis entwickelt und wir sind ihm wirklich dankbar, dass wir unser Ziel so unproblematisch erreicht haben. Mal sehen ob wir die ersten sind…