Montevideo – Futbol & Fiesta
7 03 201119. – 21.02.2011, Tag 137 – 139
Der Samstag ist ziemlich verregnet und so nutze ich die Zeit um meine Fotos zu sortieren, die ich diese noch hier brennen und als Datensicherung nach Hause schicken möchte. Auch versuche ich Fernando, den ich am Mittwoch kennengelernt habe und auf dessen Einladung für den Abend nicht reagieren konnte, zu erreichen, ohne Erfolg. Der Tag vergeht recht zügig und gegen 18.00 Uhr mache ich mich auf zum Stadion. Ich bin mir sicher, dass der Name „Estadio Centenario Montevideo“ den wenigsten etwas sagt…wer doch weiss was es für ein Stadion ist, darf sich “Fussballexperte” nennen. Denn hier wurde quasi das erste Kapitel Weltfussballgeschichte geschrieben, die Fussballweltmeisterschaft 1930. Bei diesem Turnier fanden nicht wie heute die Spiele in verschiedenen Städten, sondern alle in einem, eben diesen Estadio Centenario, statt. Die Fifa hat das Centenario darüberhinaus zum Weltfussballmuseum erklärt und nennt es neben dem Maracana, dem Aztekenstadion, Wembley, San Siro und Santiago Bernabeu zu den wichtigsten Stadien der Welt. Ursprünglich hatte die Spielstätte ein Fassungsvermögen von 100.000 Zuschauern, musste aber aus Sicherheitsgründen auf 76.000 reduziert werden. Das schöne an solchen Stadien ist (obwohl sie deutlich renovierungsbedürftig sind), dass sie eine Geschichte haben. So hypermodern die ein oder andere neue Arena auch sein mag, so sind sie doch gesichtslos. Ohne Beschriftungen und Werbetafeln kann man innerhalb des Stadions doch kaum unterscheiden, ob man sich gerade in Hamburg, München oder Frankfurt befindet, da die Tribünenkonstruktionen allesamt gleich sind. Daher ist mein Lieblingsstadion in Deutschland das Berliner Olympiastadion. Natürlich auch der Bieberer Berg, aber der ist ja nun auch dabei Vergangenheit zu werden…
Als ich aus dem Bus steige fragt mich ein älterer Herr wo ich hin will und meint ich sei ziemlich früh dran, immerhin beginnt das Spiel erst in einer Stunde. Das weiss ich zwar, aber ich wollte mich an dieser historischen Stätte auch nochmal umsehen bevor es losgeht. Draussen vor dem Stadion gibt es unzählige Stände mit Fanartikeln in gelb-schwarz, den Vereinsfarben von Peñarol Montevideo. Auf Einlasskontrollen verzichtet man bei mir. Dann gehe ich durch die Katakomben nach oben auf die “Tribuna Olympico” und es öffnet sich vor mir das grosse Rund! Irgendwie schon bewegend, gerade für mich der die Nationalmannschaft dem Fussball in den (Söldner)Ligen vorzieht. In der Mitte der Gegengerade befindet sich eine schlichte Tafel, die an dieses Ereignis vor 80 Jahren erinnert. Das Stadion ist nur bisher nur mässig gefüllt, dafür aber schon mit unzähligen Bannern und Fahnen geschmückt. Ich gehe zum oberen Rang und blicke von einer hüfthohen Mauer auf die Strasse, wenn hier mal keiner runter fällt… Das Stadion an sich ist in deutlich baufälligen Zustand, aber so ist das hier, es wird erst renoviert wenn irgendwo etwas passiert. Die Zäune sind, obwohl die Uruguayos als ruhige Vertreter gelten, genauso hoch und gesichert wie in der Bombonera und dazu gibt es davor noch einen Wassergraben. Das ist besonders lustig weil beim warmmachen ständig Bälle darin landen und die Spieler nicht rankommen ohne nass zu werden. Als die Spieler vom Gastverein Fenix sich warmmachen ertönt ein Pfeifkonzert, im sich langsam füllenden Stadion. Dank freier Platzwahl suche mir einen Sitz auf dem Oberrang und dann folgen auch schon die Mannschaftsaufstellungen. Tatsächlich kenne ich sogar einen Spieler: Die Nr. 22 von Peñarol, Dario Rodriguez hat vor ein paar Jahren mal in der Bundesliga bei Schalke gespielt. Als die Spieler dann aus dem Tunnel kommen wird es richtig laut und damit meine ich, dass mir auf der Gegengerade durch die Lautstärke hinter dem Tor fast die Ohren wegfliegen! Dabei hat das Stadion kein Dach, so dass man um ein vielfaches lauter sein muss um so einen Lärm zu erzeugen. Das Stadion ist jetzt fast halbvoll (ca. 30.000 Zuschauer würde ich sagen) und diese zünden Bengalos und Kanonenschläge, das ist noch echte Fankultur!
Das Spiel nimmt sofort Fahrt auf und es geht munter hin und her, während die komplette Tribüne hinter dem Tor singt und hüpft. Die Urus sind zwar für ihre raue Spielweise bekannt, allerdings auf technisch hohem Niveau. Warum also z.B. einem Ball an der Mittellinie einfach annehmen, wenn man ihn auch mit einem Fallrückzieher weiterleiten kann?! Absolut sehenswert und dann in der 9. Minute passiert es, Peñarol macht das 1:0. GOOOOOOOOOOOAAAAAAAAAAAAAAALLLLLL!!!!!!!!! Was ein Schrei, wer da keine Gänsehaut bekommt muss tot sein…! Die nächsten 15 Minuten herrscht eine Riesenstimmung, bis der Schiri einen Spieler von Peñarol vom Platz stellt. Nach kurzen Pfeifen geht es weiter mit dem Gesang und jetzt erhebt sich auch der Rest des Stadions. So rettet man den Vorsprung in die Pause, wo ich mich am Imbiss anstelle. Eine „Frankfurter“ soll es sein, so nennt sich hier eine Art Hot-Dog. Doch die sind begehrt und so ergattere ich nur noch die letzte “normale” Stadionwurst, die aber ebenfalls vorzüglich schmeckt. Nun stelle ich mich etwas weiter unten hin, da es oben langsam frisch geworden ist. Was sympathisch ist, dass die Fans hier nicht ihre Hauptaufgabe darin sehen den Gegner zu beschimpfen, sondern einfach nur ihre Mannschaft anfeuern. Das ist was, was in deutschen Stadion leider nicht mehr populär ist, da sich dort immer mehr Leute tummeln, die ihre Alltagsfrustration damit ausleben mal jemanden (in der Regel Spieler des Gegners oder Schiedrichter) alle Schimpfwörter die man so im Repertoire hat an den Kopf schmeissen zu können. Die Fans von Penarol singen und feiern einfach nur und versuchen ihre Mannschaft anzutreiben. Das funktioniert bis 10 Minten vor Ende auch ganz gut, dann ein perfekter Spielzug von Fenix und der Ausgleich. Kurzes Entsetzen und dann wird nochmal alles nach vorne gebrüllt, aber es reicht nicht. Enttäuscht verlassen die meisten das Stadion, aber alles bleibt ruhig. Da kein Bus Richtung Altstadt fährt muss ich einmal um das Stadion durch einen Park laufen, wo mir eine Gruppe „Ladyboys“ entgegen kommt…ansonsten verläuft der Rückweg unspektaktulär.
Im Hostel treffe ich Jackeline an der Rezeption, die schon auf mich gewartet hat. Anita die eigentlich morgens abreisen wollte ist noch eine Nacht geblieben und nun geht es heute auf die Piste. Aileen und Luis, ein chilenisches Pärchen aus dem netten Valparaiso schliessen sich uns an und fragen mich ob ich Brasilianer sei…und das ohne das ich irgendwelche Ballkünste vorgeführt habe^^ In der Altstadt reiht sich eine Bar an die nächste und überall stehen Tische vor der Tür. Wir trinken erstmal ein Bier und die beiden Chilenen sind begeistert mit drei unterschiedlichen Landsleuten unterwegs zu sein, die alle ihre Sprache sprechen. Dann geht es in einen der kleinen Clubs, in dem ein Mix aus Latino- und amerikanischer Musik aus den 90ern läuft. Jetzt folgt eine Episode aus “Blamieren leicht gemacht…” In einer südamerikanischen Disco brauch man dazu nicht viel, wenn man Europäer ist. Und damit meine ich nicht die unbeweglichen Typen wie mich, sondern einfach jeden, der sich für einen noch so guten Tänzer halten mag: Vergesst es, diese Typen hier sind einfach wie Gummi und haben den Rhythmus im Blut! Um dies zu ertragen brauche ich was zu trinken, die Bar ist mein Ziel…
Jetzt folgt ein Bericht, wo ich mir nicht sicher war ob ich überhaupt was dazu schreiben soll. Aber da ich zu jeder Art von Erlebnis bisher etwas geschrieben habe und meine männlichen Leser mich desöfteren per Mail löchern was denn nun mit den Frauen sei, schildere ich nun mal anhand dieser Nacht, wie es einem hier als Mann so ergehen kann. Das treibt dann auch hoffentlich die Wettquoten nach oben (wie ist da eigentlich so der Stand?!). Ich trinke also gerade ein Bier, als mich Diana, eine Chilenin die mit mir das Zimmer teilt anspricht und sich als Ziel gesetzt hat mich wieder auf die Tanzfläche zu zerren. Da ich gerne andere Leute belustige und mich sowieso niemand kennt, tue ich ihr den Gefallen und lasse auch die Lehrstunde, die sie erteilt über mich ergehen. Immer wieder versucht sie mir etwas zu erklären, aber die Mischung aus fremder Sprache und lärmender Musik bei steigendem Alkoholpegel machen eine Verständigung unmöglich. Das Tanzen soll aber sowieso nur Nebensache sein… Aber erstmal folgt ein Kapitel, dass ich nenne: “Sich zwischen die Stühle setzen in Perfektion!” Als wir uns gerade in den hinteren Bereich begeben wollen, werde ich von meinen eigentlichen Begleiterinnen darauf aufmerksam gemacht, dass sie nun bald gehen, weil sie morgen früh weiterreisen. Ich entschuldige mich für 5 Minuten bei meiner neuen „Tanzpartnerin“ um mich draussen zu von ihnen zu verabschieden. Irgendein beliebter Song kommt dazwischen und wir landen zwischen einer Gruppe von Studenten und Studentinnen aus Montevideo und ich habe meine nächste Tanzlehrerin… Diana sieht etwas skeptisch herüber und ich hoffe, dass das Lied bald vorbei ist, denn ich merke das ich gerade dabei bin sich die sich mir vor wenigen Minuten eröffnete Situation ziemlich zu verbocken… Das ganze zieht sich dann jedoch, ehe ich mich vor der Tür von den beiden verabschiede. Da Anita auch zum Karneval nach Rio kommt verabreden wir uns dort, bzw. später um vielleicht eine Etappe zusammen zu reisen, woraufhin Jackeline uns nach Sao Paulo einlädt.
Zurück “im Ring” entdecke ich meine chilenische Errungenschaft erstmal nicht mehr. Meine neue, nicht minder hübsche Bekanntschaft aus Montevideo, ist allerdings noch anwesend und weiter gewillt mich von meiner deutschen Unbeweglichkeit zu befreien… Nachdem sie mir dreimal ihren Namen gesagt und ich ihn dreimal (wegen der Lautstärke…) nicht verstanden habe, gebe ich auf. Wir wechseln den Club und gehen nach gegenüber, wo ich auf Dianas Freundin treffe, die mich darauf hinweist, dass sie auch hier ist – ich verweise nochmal auf den Namen des Artikels! Etwas überfordert mit den Möglichkeiten, lasse ich mich jedoch weiterziehen, da die Absichten nun alles andere als Tanzen sind…weitere Details brauche ich denke ich nicht zu umschreiben…! Der Abend endet irgendwann am Strand, wo über dem Rio de la Plata langsam die Sonne aufgeht. Da ich noch 2 Tage in der Stadt bin gebe es sicher die Möglichkeit diesen „romatischen Teil“etwas zu vertiefen, aber irgendwas in mir sagt mich jetzt lieber nicht aufhalten lassen sollte. Das hört sich sicher seltsam an, aber andere Traveller mit denen ich mich ausgetauscht habe, kamen oft zu dem selben Ergebnis, dass man in diesem Reisefluss sich nicht auf Herzensdinge konzentrieren kann. Diese Reise ist sowas wie ein Auftrag und man will sich möglichst nicht davon abbringen zu lassen diesen erfolgreich abzuschliessen. Aber ich komme zu dem Schluss, dass man hier viele Möglichkeiten hat um sich zwischen Stühle zu setzen, sich aber trotzdem immer irgendwo noch einer untergeschiebt 😉 Um 7.30 Uhr bin ich dann im Hostel, nach einer weiteren tollen Nacht in Montevideo und ich glaube ich habe mich trotz meines oben genannten Gebotes verliebt, in diese Stadt!
Der Sonntag ist schnell erzählt, nach 3 Stunden Schlaf sitze ich beim Frühstück. Anschliessend kaufe ich mein Busticket und schaue mir noch den Leuchtturm an, wo ein strenger Wind weht. Diana und ihre Freunde sind auch noch da und wollen, dass ich Abends mit ihnen weggehe. Leider verpassen wir uns, aber sie kommen aber wenig später zurück und meinen in der Altstadt sei alles geschlossen.
Montags starte ich im Internet-Cafe eine Grossaktion in Sachen Fotos brennen und nachdem ich es geschafft habe eine einzelne CD-Hülle und nur einen statt 50 Umschläge zu kaufen, schicke ich diese nach Hause. Als ich ins Hostel komme spricht mich eine Brasilianerin an und fragt ob ich ihr den Weg zum Bankautomat zeigen kann… Es wird Zeit das ich morgen hier weg komme, das Hostel hat einfach eine zu hohe Frauenquote^^ Nachdem das auch erledigt ist, erfahre ich an der Rezeption, das Fernando da war. Er hatte mir geschrieben und ich habe ihn kurz angerufen, hatte dann aber kein Kleingeld mehr und das Gespräch war weg. Valentina (die Rezeptionistin) ruft ihn kurz für mich an und er will in 10 Minuten wiederkommen. Scheint ihm echt wichtig zu sein und ich bin immer froh mit echten “Locals”, wie man unter Backpackern sagt, in Kontakt zu kommen. Ich packe derweil meinen Rucksack. Als ich runter komme bauen er und sein Kumpel mit einem “modischen” Schnauzbart auf der Treppe gerade einen Joint, den sie dann draussen anstecken, als wir an 2 Polizisten vorbeilaufen. Ich kenn mich damit ja nicht aus, aber das Teil ist im Vergleich zu denen, die man bei uns sieht, ziemlich dünn und der typische Geruch liegt auch nicht in der Luft. Als das “Tütchen” für meine Begriffe fertig geraucht ist, hebt Fernando ein Stück Papier vom Boden auf und nutzt es als Verlängerung um auch wirklich nichts zu verschwenden… Wir kaufen noch eine Flasche Bier und dann fahren wir mit dem Bus zur Universität, wo Fernando Jura studiert. “Nebenher” arbeitet er 6 Stunden täglich, um das Studium zu finanzieren. Die Uni ist jetzt nichts besonderes, aber ich finde es trotzdem interessant, denn wann kommt man denn sonst als Tourist dorthin?! Im Innenhof gibt es einen Springbrunnen, was sowas wie ihr “Chill-Platz” ist und so werden noch zwei Joints gedreht. Der Abend geht nicht ganz so lange, da beide ziemlich breit sind und Fernando irgendwann einen Anruf seiner Freundin bekommt. Scheinbar hat hier nicht jeder so eine Auswahl, dass er es sich bei einer Frau verscherzen kann 😉 Damit endet eine tolle Zeit in einer tollen Stadt. Die Vorschusslorbeeren waren nicht übertrieben und ab jetzt wird dieser Name einen noch besseren Klang haben: Monte V I D E O!