Alemania

23 03 2011

19.03.2011, Tag 165

Um 4.00 Uhr gehen im Flieger die Lichter an und das Frühstück wird serviert. Etwas zeitig, aber in Europa ist es nun auch schon acht. Die Zeit bis zur Landung verbringe ich damit meinem brasilianischen Sitznachbar zu überzeugen, dass er seinen nächsten Urlaub statt in Buenos Aires lieber in Bolivien verbringen soll 🙂

In Madrid habe ich dann nochmal 5 Stunden Aufenthalt ehe mein Anschlussflug nach Frankfurt geht. Also drücke ich mich etwas auf dem weitläufigen Flughafen rum, fahre vom einen Terminal ins andere und versuche den Verkäufer im Duty-Free-Shop zu belehren, dass Pisco nicht nur das Nationalgetränk Perus, sondern auch Chiles ist. Kurz vor dem Boarden sitzt eine Schulklasse neben mir, die gerade von einem Austausch zurückkommt. Sie diskutieren ihre Pläne, wohin ins Ausland sie nach dem Abitur gehen wollen. Australien, Neuseeland und die USA stehen hoch im Kurs, aber ein Mädel will auch nach Südamerika, herumreisen und arbeiten. Zum ersten könnte ich ihr jetzt einiges erzählen, das zweite wird (meiner Erfahrung nach) wohl nicht funktionieren…aber ist doch schön wenn man Träume hat!

Meiner endet dann um 18.50 Uhr deutsche Zeit, als der Flieger in Frankfurt aufsetzt. Fast auf die Minute genau 165 Tage nachdem ich das Land verlassen habe betrete ich wieder deutschen Boden. Ich hole meinen Rucksack vom Gepäckband und schultere ihn zum letzten Mal. Ein wehmütiger Moment, war er in den letzten 6 Monaten doch fast sowas wie meine Wohnung. Alles was ich besessen und unterwegs gebraucht habe befand sich darin und für mich war es ein glückliches Gefühl alles was man hat bei sich tragen zu können. Befreit von all den Dingen um die man sich im normalen Leben sonst irgendwo kümmern muss. Die Glastür schiebt sich zur Seite und ich erblicke meine Familie und meine Freunde, die mir einen (Sekt-) Empfang bereiten. Ich freue mich alle wieder zu sehen, auch wenn es natürlich schöner gewesen wäre zu einem anderen Anlass zurückzukehren. Wir fahren über die Autobahn, in die Heimat, Offenbach. Über dem Flughafen steigt ein Flieger auf, Richtung Süden und ich kann mich noch genau an meinen Abflug erinnern, die Spannung, Vorfreude, der Weg ins Ungewisse. 6 Monate einfach nur Reisen, andere Länder sehen, fantastische Orte zu besuchen, neue Menschen kennenlernen, Abenteuer erleben, einen kompletten Kontinent zu überqueren das war die Idee und nun liegt dies alles schon hinter mir. Solche Dinge schießen mir durch den Kopf, aber jetzt beginnt erstmal das “Abenteuer“ Rückkehr und es gilt die Frage zu beantworten wie stark das Fernweh ist…aber egal wie die Antwort lautet,

America del Sur, nos vemos!



Adios y muchas Gracias!

18 03 2011

Hola mis Amigos,

nach knapp 6 tollen Monaten geht die Reise, mein Traum, das Südamerika-Abenteuer nun, leider etwas früher als geplant, zu Ende. Ich möchte mich bei allen Lesern und “Fans“ dieses Blogs für die vielen netten E-Mails, Kommentare und alle anderen Feedbacks bedanken. Durch euch habe ich mich immer wieder angetrieben gefühlt das Erlebte festzuhalten und mir damit selbst ein Werk an Erinnerungen geschaffen, das ich sicher noch oft lesen werde, daher muchas GRACIAS!

Cocorvado / Rio de Janeiro

Corcovado / Rio de Janeiro

Morgen (Sa. 19.03.) um 18.30 Uhr betrete ich wieder deutschen Boden und erleide wahrscheinlich einen Kultur- und vor allem einen Kälteschock 😉

Ein letzter Gruss aus Rio de Janeiro

Roland



Rio – „El viaje va a final“

18 03 2011

17./18.03.2011, Tag 163/164

Wie bereits beschrieben verzichte ich auf die wenigen Stunden Schlaf, welche in einem Hostel möglich gewesen wären und erreiche gegen 0.30 Uhr den Flughafen, der wie ausgestorben wirkt. Gegner von Flughafen-Schläfern haben hier Sitze mit Armlehnen aufgestellt, so dass hinlegen nicht möglich ist. Auch im Sitzen schlafen ist mangels Kopfstützen Fehlanzeige und so beschäftige ich mich mit diversen Dingen bis ich um 4.00 Uhr zum Check-In kann. Dummerweise hat der Flug einen Zwischenstopp in Curitiba und so gibt es nur je knapp 1 Stunde Schlaf. Am Flughafen setze ich mich in das Shuttle das nach Ipanema fährt, von wo aus ich den Lokalbus zu Maryams Appartement in Jardim Botanico nehmen kann. Die Fahrt dauert dann nochmal gut 2,5 Stunden, wobei ich immer wieder einnicke und mich beim aufwachen orientieren muss wo wie gerade sein könnten. 31 Stunden nachdem ich in Asuncion aufgebrochen bin erreiche ich mein Ziel und obwohl es der vorletzte Tag ist und ich noch einiges an Programm auf dem Zettel habe brauch ich nun erstmal eine Mütze Schlaf. Als ich wieder aufwache ist später Nachmittag und nicht mehr viel möglich. Abends habe ich Maryam und ihre Eltern zum Essen eingeladen. Was habe ich nicht überlegt wie der letzte Abend in Südamerika sein könnte, was für eine große Party oder welche Aktion ich mir wohl einfallen lassen könnte. Aber die aktuellen Geschehnisse wecken keinerlei Partygedanken bei mir und wie wir so im Restaurant sitzen wird mir bewusst, das dieser Abend genau typisch für Südamerika und diese Reise ist. Ein nettes Beisammensein mit interessanten Gesprächen und viel gutem Essen 😉

Freitag, 18. März 2011: Der letzte Tag auf diesem Kontinent. Abschließen möchte ich die Reise mit einem echten Highlight, dem Besuch der Christus-Statue, welche auf dem 710 Meter hohen Cocorvado über der Stadt thront. Ich sehe durch die Fensterläden ein paar Sonnenstrahlen. Bereits gestern war es nur leicht bewölkt und heute Nacht war die Sicht klar. Ich öffne das Fenster und sehe einen blauen wolkenlosen Himmel, Bingo! Mit dem Bus geht es zur Station der Zahnradbahn, mittlerweile ist es kurz vor zwölf. Gegen drei sollte ich zurück sein, da ich noch packen muss und um fünf zum Flughafen aufbrechen will. Ich kaufe ein Ticket und blicke entsetzt auf die Fahrtzeit: 14.00 Uhr. Bei 20 Minuten Fahrt würde dies bedeuten, dass ich mich oben gerade mal 20 Minuten aufhalten kann. Eine andere Lösung muss her, also versuche ich die Dame am Einlass zu überzeugen, ohne Erfolg…aber aufgeben ist ja nicht mein Ding. Wenn die Bahn unten ankommt steigen zunächst die Passagiere aus, dann fährt sie etwa 30 Meter weiter hoch wo die neuen Passagiere warten. Der Ausstiegsbereich ist frei zugänglich und um in den Einstiegsbereich zu gelangen braucht man nur an einer kleinen Mauer vorbei. Zwei englische Mädels haben die gleiche Idee und während gerade eine Ladung Passagiere einsteigt beraten wird ob es möglich ist. In der Bahn gibt es nur Sitzplätze, also würde es auffallen wenn plötzlich mehr Leute drin wären, daher wollen wir die nächste Bahn abwarten und versuchen reinzuschlüpfen während die ersten Passagiere den Kontrolleuren die Sicht versperren. Einer dieser Kontrolleuer entdeckt uns und fragt was wir dort machen, Fotos natürlich, wozu habe ich sonst die Kamera um den Hals^^

Der Junge ist nett und die englischen Mädels verstehen es ihn einzuwickeln. Ihr Charme gemischt mit meiner Abflugsstory scheint ihn weichzukochen und er will es irgendwie „organisieren“. Als die nächste Bahn ankommt stehen wir hoffnungsvoll am Eingangsbereich, aber erstmal nichts. Alle Passagiere sind bereits drinnen und von unserem Helfer keine Spur. Wir sind nervös, dann plötzlich taucht er auf und zeigt der Dame am Tor an, dass sie uns durchlassen soll. Geschafft! Das ist zum Abschluss nochmal echtes Südamerika: Jeder ist ein bisschen korrupt und geht nicht gibt’s nicht! Oben (auf der überfüllten Plattform) angekommen strahlt die Sonne und vor mir breitet sich diese herrliche Stadt aus. Im Süden die Lagoa mit dem Botanischen Garten, getrennt vom Meer durch die Stadtteile Leblon und Ipanema mit ihren Stränden. Dann der langgezogene Sandstreifen der Copacabana und dahinter der Zuckerhut. Auf der anderen Seite sieht man die lange Brücke nach Niteroi, die Bucht von Botafogo, das Stadtzentrum und Richtung Norden das große Rund des Maracana. Man erkennt die vielen Hügel und Berge die sich mitten in der Stadt erheben und ihr ein grünes Gesicht verleihen. Vor der Küste liegen zahlreiche Inseln, einfach eine wunderschöne Stadt auf die „Cristo Redentor“ (Christus der Erlöser)  hinabblickt. Die 38 Meter hohe Statue, welche zum 100 jährigen Unabhängigkeitstag gebaut, allerdings erst zehn Jahre später 1931 fertiggestellt wurde ist eins der neuen 7 Weltwunder. Im 8 Meter hohen Sockel ist eine Kapelle für 150 Personen beherbergt. Die Spannweite der Arme beträgt 28 Meter, das Gesamtgewicht der Statue 1145 Tonnen. Somit ist sie die drittgrößte Christus-Statue weltweit, sicher aber die bekannteste. Das ist nun das Ende dieser Reise. Ich sehe hinunter auf Rio und der Anblick begeistert mich auf’s neue. Ein schöner Abschluss mit einem Wetter wie man sich es toller nicht hätte wünschen können. Brasilien reißt den bisher durchwachsenen Eindruck nochmal raus und verabschiedet sich mit einem Ausrufezeichen von mir 🙂

Zurück nehme ich ein Taxi, da es mit dem Bus zu lange dauern würde. Maryam meint zu mir wir sollten früher los, da durch den Besuch von US-Präsident Obama am morgigen Tag einige Straßen gesperrt sein könnten. Leichter gesagt als getan, denn ich habe noch nichts gepackt. Mit so wenig System wie nie verstaue ich alles im Rucksack, worin ich erstaunlich viel Platz habe. Das liegt aber auch möglicherweise daran, dass ich einige Dinge wie meine alten Turnschuhe nun hier entsorgt habe. Wir fahren mit dem Auto durch den stockenden Verkehr raus auf die Stadtautobahn. Dann rote Bremsleuchten vor uns, Stau! Das ist wieder so etwas was man nicht mit denen bei uns vergleichen kann, denn es geht einfach nichts mehr. Die Uhr tickt runter während wir uns alle paar Minuten um wenige Meter fortbewegen. Mein Flieger geht um 20.00 Uhr. Bis 18.15 Uhr bin ich noch locker, eine Viertelstunde später steigt die Anspannung und ich behaupte ohne es zu Wissen, dass der Check-In bis eine Stunden vor Abflug geöffnet ist. Nochmal 10 Minuten stehen, dann löst sich der Stau auf, ohne das man eine Ursache erkennen kann. Wir geben Gas und um kurz vor sieben erreichen wir den Flughafen. Der Check-In endet tatsächlich 60 Minuten vor Abflug, das wäre ein Spaß gewesen… Mein Gepäck hat „nur“ 23 kg obwohl 32 erlaubt gewesen wären. Das war mir nicht bewusst und deshalb schleppe ich nochmal 10 kg im Handgepäck rum. Um 19.20 Uhr erhalte ich meinen Ausreisestempel und als der Flieger um 20.40 Uhr in die Luft geht ist mein Aufenthalt in Südamerika beendet. Ich bin ein wenig fassungslos darüber wie schnell es vorbei ging, denn fast alle Erlebnisse, auch die der ersten Tagen sind einfach noch so präsent. Doch nun geht der Blick nach vorne und während ich einschlafe nimmt der Flieger Kurs auf Europa.



Itaipu

18 03 2011

16.03.2011, Tag 162

Die letzte Strecke dieser Reise wird noch einmal eine Mammut-Etappe. Da mein Flieger zurück nach Rio morgen um 6.00 Uhr geht, der erste Bus aber erst um 5.30 Uhr die halbstündige Fahrt an den Flughafen antritt und ich so gegen 4.00 Uhr mit einem Taxi fahren müsste, habe ich beschlossen auf ein Hostel zu verzichten und so die Kosten für Übernachtung und Taxi einzusparen und auf dem Flughafen zu übernachten. Damit bin ich dann knappe 30 Stunden unterwegs bis ich in Rio ankomme. Einen Bus um von Asuncion nach Ciudad del Este zu fahren habe ich auch diesmal nicht reserviert, aber es funktioniert wie gewohnt und um kurz nach acht steige ich in ein diesmal “etwas“ neueres Model als auf dem Hinweg. Der Abstecher nach Paraguay hat sich auf jeden Fall gelohnt, ein sehr interessantes Land, wo man noch die Möglichkeit hat sich “Abseits der ausgetretenen Pfade“ wie man so schön sagt, zu bewegen.

Die frühe Abfahrtszeit hat einen Grund, denn ich möchte die Besichtigung des Itaipu-Staudamms, nach dem 3-Schluchten-Damm der grösste weltweit, nachholen. Die Fahrt dauert statt der angekündigten 5 mal wieder 6 Stunden und so scheidet die Variante mit dem Bus zum Besucherzentrum des Damms zu fahren aus. Ich hatte aber sowieso darauf spekuliert ein Taxi zu nehmen, da ich bei der Hitze ungern in einem Linienbus steigen möchte, wenn die nächste Dusche frühestens morgen um die Mittagszeit möglich ist. Der erste Taxifahrer besteht darauf, dass ich in US-Dollar bezahle, woraufhin ich im zu erklären versuche, dass ich kein Amerikaner bin und keine Lust habe Wechselgebühren zu zahlen, wenn ich Geld in der Landeswährung einstecken habe, was ich vor dem Grenzübertritt noch loswerden möchte. Auf der anderen Strassenseite ist es einfacher und sein Kollege bietet an für umgerechnet ca. 13 Euro mich zum Staudamm zu fahren, dort 1,5 Std. zu warten bis die Tour fertig ist und mich dann an die Grenze zu fahren, vamos!

Mein Fahrer wirkt ganz in Ordnung, aber ich schreibe mir trotzdem sein Kennzeichen auf, als ich meinen Rucksack im Kofferraum lasse. Zu Beginn der Tour, die komplett kostenlos ist, wird ein Film über den Bau und alles was mit dem Damm zusammenhängt gezeigt. Ich setze mich in den nur mässig gefüllten Kinosaal und plötzlich sitzt mein Fahrer neben mir. O.K., jetzt muss ich mir wenigstens keine Gedanken mehr machen, das meine schmutzigen Klamotten auf irgendeinem Stand kurz vor dem Grenzposten landen, aber hatte wie gesagt bei ihm sowieso ein gutes Gefühl.

Das Wasserkraftwerk, ein gemeinsames Projekt von Paraguay und Brasilien wurde zwischen 1975 und 1983 gebaut und bis 1991 auf 18 Einheiten erweitert. Die Stromerzeugung von 75 Billionen kWh pro Jahr deckt 78 % des Stromverbrauchs Paraguays und 26 % von Brasilien ab. Das Wasserbecken hat eine Fläche von 1350 Quadratkilometern, bei einer durchschnittlichen Breite von 7 km und einer Normal-Höhe von 220 m. Um die Grösse dieses Bauwerks und dessen Leistungsvermögen zu erfassen hier ein paar Vergleichswerte: Für Bau und Montage wurden 1.200.000 Zeichnungen gefertigt, was übereinandergelegt einem Gebäude mit 50 Stockwerken entspricht. Das Ausgrabungsvolumen entspricht mit 60.100.000 Kubikmetern das 8,5 fache des Eurotunnels und würde ausreichen um eine Lastwagenschlange von 128.000 km zu bilden, was eine dreifache Erdumrundung bedeutet. Alle 4 Tage wurde soviel Beton produziert, wie man für den Bau eines Stadions in grösse des Maracanas benötigt, am Ende wären es 210 Stadien gewesen. Der Eisen- und Stahlverbrauch würde für 380 Eifeltürme ausreichen. Als die Anzahl der Bauarbeiter den Höhepunkt erreichte, wurden in den Kantinen 1.400.000 Essen pro Monat ausgegeben, was ca. 3.000 kg Reis pro Mittagessen bedeutet. Vielleicht denkt der ein oder andere der mit mir in der Schule war, seit wann passt der denn bei Vorträgen so gut auf? Hat er nicht, aber es gibt dort eine Infobroschüre, und zwar in deutsch 🙂

Anschliessend geht es mit dem Bus zum Rande des Damms, von wo aus man sich über die gigantische Grösse und die Wassermassen, die dort durchfliessen ein Bild machen kann. Wie “weisse Türme“ schiessen das Wasser an der Stelle, wo es zurück in den Fluss gespült wird in die Höhe und bildet zusammen mit dem erscheinenden Regenbogen ein fantastisches Motiv. Wir fahren einmal unterhalb des Dammes entlang, wo man einen Blick auf die Turbinen hat und anschliessend oberhalb mit Blick auf das riesige Wasserbecken.

Ich lasse mich wie vereinbart an der Grenze absetzen und nachdem ich meine letzten Guarani zum Mittagessen ausgegeben habe, hole ich mir meine Aus- und Einreisestempel und fahre mit dem Bus nach Foz de Iguazu. Abends treffe ich mich noch mit Theresa, Steffi und André, die gerade auch zufällig in der Stadt sind und so wird die Wartezeit etwas kurzweiliger. Schön, dass wir hier nochmal (fast) alle zusammenkommen, denn in den ersten Monaten dieser Reise haben wir schon verdammt viel zusammen erlebt. Ich bin nun der erste für den das Abenteuer zu Ende geht und als ich kurz vor Mitternacht Richtung Flughafen aufbreche heisst es Abschied nehmen…




Asuncion

18 03 2011

14./15.03.2011, Tag 160/161

Am nächsten Nachmittag starte ich bei strahlend blauem Himmel, Sonnenschein und knapp 30 Grad zu einem Rundgang durch die Stadt. Paraguay zählt zu einem der sichersten Reiseziele Südamerikas, wird aber trotzdem meist links liegen gelassen. Die einzelnen Touristen, die mir heute über den Weg laufen sind ausschliesslich Leute die in meinem Hostel wohnen. Ich komme vorbei an der Kathedrale und am Universitätsgebäude. Davor begrenzt eine halbhohe Mauer die weitläufige Plaza Constitucion und es scheint mir als beginne davor der Fluss. Als ich näher komme und herunter blicke entdecke ich jedoch eine Ansammlung von Blech- und Holzhütten, die in der Uferböschung stehen, die enstanden ist als der Fluss sich wohl zurückgezogen hat. Ein paar Meter weiter steht die “Cabildo“, das ehemalige Regierungsgebäude, ganz in rosa gehalten. Arm und reich scheinen ganz eng beeinander zu liegen, denn vor dem von Soldaten bewachten Neubau der “Casa Legislativo“ erstreckt sich nur durch einen Grünstreifen getrennt das nächste Armenviertel. Nach einem Stopp am prunkvollen „Palacio Lopez“ wo gerade zahlreiche Männer mit der Grünpflege beschäftigt sind, gehe ich über die kaputten Bürgersteige ich weiter zum Hafen, wo ein allgemeiner Trubel herrscht. Zurück im Zentrum besichtige ich an der Plaza de los Heroes das “Panteon de los Heroes“, wo man auf Gedenktafeln den Helden des Landes gedenkt. Auch ein Sarg eines bedeutenden Generals und mehrere Urnen sind hier ausgestellt. Paraguay ist stolz auf seine Helden und überall findet man Hinweise darauf, das es als erstes Land Südamerikas 1811 seine Unabhängigkeit von Spanien erklärt hat.

An der Plaza Uruguaya erwartet mich wieder ein ernüchterndes Bild: Über den ganzen Platz verteilt sind Behausungen aus Plastiksäcken errichtet und deren Bewohnern sitzen oder liegen daneben. Was einem sonst nur auffällt wenn man wirklich danach sucht bekommt man hier ungeschönt und in harter Realität präsentiert. Am Ende der Plaza liegt der alte Bahnhof “Estacion Ferrocarril“ von wo aus die erste Eisenbahnstrecke Südamerikas in den Süden nach Encarnacion führte. Hinter dem Gebäude stehen auf den Resten der ehemaligen Gleise noch verschiedene Wagen und Loks herum. Dazwischen entdecke ich eine Frau mit 3 Kindern, die im Müll scheinbar nach etwas essbaren sucht. Nach einem Stopp im Hostel mache ich mich auf zum Markt, der etwas ausserhalb des Zentrums liegt. Unterwegs fallen mir die alten bunten Busse auf, sowie unzählige Gebäude aus der Kolonialzeit, die mit dem Verfall zu kämpfen haben. Auf dem Mercado findet man Stände mit gefälschten Klamotten, aber auch Lebensmittel und was man sonst für den Alltag so braucht. Als ich mich durch das Labyrinth an Ständen gekämpft habe mache ich mich auf den Rückweg. Ich bekomme hier das was ich gesucht habe. Paraguay ist absolut authentisch. Hier wird nichts “geschminkt“ oder für Besucher aufgehübscht, sondern man findet sich im realen Leben der Menschen wieder, so wie das sein soll wenn man ein fremdes Land bereist.

Mit meiner Bettnachbarin Elli und ihrer Freundin gehe ich zum Supermarkt, wo an der Kasse auf einem Bildschirm ein Film zum Verhalten im Brandfall läuft. Das hat einen Hintergrund, denn 2006 brach in einem Supermarkt hier in Asuncion ein Feuer aus, woraufhin der Inhaber das Gebäude gegen Plünderer “absichern“ liess und so fast 1000 Menschen verbrannten. Die Mädels, die beide um die 20 sind führen im Laufe des Abends eine unterhaltsame Diskussion, in der es darum geht ihre Rückflüge zu stornieren und in Südamerika zu bleiben. Elli hat keine Lust auf die Aufnahmeprüfung an ihrer Uni, die am Tag nach der Rückkeher ansteht und ihre Freundin hat einen 36-jährigen verheirateten Chilenen kennengelernt, der sie zum bleiben überreden will. Irgendwann fragen sie mich dann auch nach meiner Meinung und ich versuche zu vermitteln, dass trotz aller Begeisterung für Südamerika das Studium nun Priorität besitzen sollte. Denn die “Qualifizierung“ als Weltenbummler ist mit der deutschen Gesellschaft irgendwie nicht kompatibel…aber wie glaubhaft ist jemand der seinen Beamtenstatus wegschmeisst um 6 Monate nach Südamerika zu reisen?! “Kopfentscheidungen“ stellen einfach nicht zufrieden, also entscheidet doch einfach aus dem Bauch heraus. Es gibt keine falschen Entscheidungen, sondern maximal welche aus denen man gelernt hat. Während aus dem 14 ein 18 Personen Schlafsaal wird, erörtert die nun grösser gewordene Runde nun wie es wohl ist heimzukehren nach so einer Reise. Wie waren die 6 Monate? Wie fühlt es sich nun an, das alles vorbei ist? Eine Antwort kann ich in meiner Situation nicht geben, aber ich merke wie sich das Blatt gedreht hat. War ich vor ein paar Monaten noch derjenige der mit grossen Ohren zugehört hat wenn andere Geschichten erzählt haben und beeindruckt war das man nur durch das Reisen eine Sprache lernen kann, gebe ich nun allerlei Tipps und übersetze zwischendrin noch für Pauolo, einen Argentinier, der hier die spanischsprachige Minderheit stellt. Die “Ausbildungszeit“ ist nun vorüber 🙂

Der nächste Tag unterstreicht nochmal wie weit weg ich vom Tourismus bin. Zwei sonst im Handumdrehen zu erledigende Dinge stellen sich hier als echte Herausforderung heraus: Eine Postkarte kaufen und verschicken und einen Aufnäher für meinen Rucksack zu bekommen. Nachdem ersteres irgendwann klappt, fahre ich auf der Suche nach einem Paraguay-Banner durch die halbe Stadt zu einem Einkaufszentrum, wo ich wieder zurück ins Zentrum geschickt werde… Ich kaufe an den Strassenständen noch ein paar der günstigen Handwerksarbeiten und verstaue diese anschliessend in meinem Rucksack, denn morgen geht es schon wieder zurück nach Brasilien, mit einem Zwischenstopp am Staudamm Itaipu.




¡Hola Paraguay!

18 03 2011

13.03.2011, Tag 159

Morgens mache ich mich auf den Weg zur „Puente de la Amistad“, welche über den Rio Paraná führt, der wiederum die Grenze zwischen Brasilien und Paraguay bildet. Mein eigentlicher Reiseplan sah vor, neben der brasilianischen auch noch die argentinische Seite der Wasserfälle zu besichtigen und anschliessend für etwa 10 Tage durch Paraguay zu reisen. Allerdings bleiben mir nun nur noch 3 Tage und so entscheide ich mich gegen einen zweiten Besuch des beeindruckenden Naturwunders und nehme Kurs auf Asuncion, die Hauptstadt Paraguays. In diesem touristisch recht unerschlossenen Land wollte ich eigentlich zuerst in den Süden, in die Stadt Encarnacion reisen, um von dort aus die Jesuitenruinen von Trinidad (UNESCO Weltkulturerbe) zu besichtigen und ggf. noch in den „Chaco“ hinausfahren, wo sich einige deutsche Mennoitensiedlungen befinden. Das begründet auch warum als Sprachen in meinem Reiseführer neben den Amtssprachen Spanisch und Guarani, auch Hochdeutsch und Plattdeutsch aufgelistet sind. Aus diesem Plan wird aufgrund der traurigen Umstände nun nichts, ich möchte aber unbedingt noch ein wenig in dieses Land “hineinschnuppern“, da es neben Bolivien zu den ursprünglichsten, allerdings auch zu den ärmsten Ländern Südamerikas zählt. Nach dem teilweise schon übertriebenen Tourismus und den hohen Preisen in Argentinien und Brasilien sehne ich mich nochmal nach so einem Erlebnis und die günstigen Lebenshaltungskosten sind natürlich auch verlockend.

Der Bus der nach Ciudad del Este über die „Freunschaftsbrücke“ fährt hält eigentlich nicht an der Grenze, da man in den Nachbarländern wohl keinen Einreisestempel braucht. Also muss ich dem (etwas begriffsstutzigen) Busfahrer irgendwie klar machen, dass ich aussteigen muss um mir meinen Pass abstempeln zu lassen. Obwohl ich diesen in der Hand halte und ihm den Einreisestempel zeige schaut er mich an wie ein Auto… Irgendwann macht es zum Glück dann doch „Klick“ und er gibt mir ein Ticket für den nächsten Bus. Die Grenzbrücke gilt nämlich als gefährlich, da es dort häufig zu Überfällen kommen soll. Also nehme ich den Bus, da ich zudem wenig Lust habe in der sengenden Sonne die Strecke zu laufen. Es sind aber so viele zu Fuss unterwegs, das ich mir schwer vorstellen kann, dass hier jemand einen Überfall verübt. Zudem bietet die Brücke auch wenig geeignete Stellen. Ich vermute, dass dieses Gerücht durch die Taxifahrer gestreut wurde, die sich eine goldene Nase damit verdienen Fahrgäste zu überhöhten Preisen über die Brücke zu befördern. Drüben angekommen bekomme ich dann meinen Einreistempel nach Paraguay, das 8. und letzte Land auf dieser Reise.

Ciudad del Este, die „Stadt des Ostens“ wird allgemein als „Marktplatz Südamerikas“ beschrieben. Hier gibt es alles, wirklich alles zu kaufen! Hinter einem Wald an Werbetafeln herrscht ein absolutes Chaos, das mich ein wenig an die Deutsch-Tschechien Grenzstädte erinnert. Genau wie dort unsere Landsleute hinpilgern um günstig gefälschte Waren zu erstehen, ist dies hier das Ziel der Brasilianer, die Kistenweise Waren über die Grenze transportieren. Es gibt allerdings nicht nur Strassenstände, sondern auch Hochglanz-Shoppingcenter mit allerlei technischen Geräten. Eigentlich wollte ich hier heute noch den Itaipu-Staudamm besichtigen, bevor ich nach Asuncion aufbreche, doch da wir Sonntag haben bin ich zu spät. Als ich mich unzähliger Taxifahrer entledigt und mich über den Stadtplan mit chinesischer Übersetzung gewundert habe, warte ich auf den Bus. Ein Mädel mit deutschen Pass in der Hand steigt aus einem Taxi und blickt suchend umher, scheinbar auf dem Weg zur Einreisestelle. Ich zeige ihr den Weg und als sie aus dem Gebäude kommt und mein Bus immer noch nicht da ist, läd sie mich ein mit ihr und ihrer Freundin aus Asuncion mitzufahren. Im Taxi switchen wir auf spanisch um und ich stelle beruhigt fest, dass alles noch da ist. Da ich in 3 Tagen bereits wieder hier sein muss, wäre es sicher sinnvoll gewesen sich vorher um einen Bus zu kümmern. Die letzten Monate war das auch das üblich Vorgehen, doch da ich Paraguay mit Ländern wie Ecuador, Peru und Bolivien vergleiche und wir dort so gut wie nie reserviert haben, baue ich auch hier auf die Flexibilität. Und tatsächlich, wir haben das Terminal kaum betreten finden wir den ersten Bus, der in 5 Minuten abfährt. Wir handeln noch etwas runter (das geht hier endlich wieder!) und für 45.000 Guarani (ca. 7 Euro) steigen wir in eine Kiste, die wahrscheinlich vor 20 Jahren in Brasilien ausrangiert wurde. Keine Klimaanlage, kein Fernseher, die Fenster klemmen und die viel zu engen Sitze sind duchgessesen…ich weiss nicht warum, aber hier gefällt es mir auf Anhieb!

Als wir losfahren erblicke ich neben dem Terminal Menschen, die unter Plastikplanen am Strassenrand hausen… Von Frieda, die ein Jahr in Asuncion gelebt und in einem Kindergarten gearbeitet hat, bekomme ich einige nützliche Tipps für das Land. Ihre Freundin Louisana trinkt derweil Maté, der im Vergleich zu Argentinien und Uruguay hier allerdings kalt getrunken wird. Beim ersten Halt wo die Verkäufer an und in den Bus stürmen kaufe ich mir eine “Chifa“ ein Gebäck, was es hier an jeder Strassenecke zu kaufen gibt, fast sowas wie die Nationalspeise. Draussen fliegen Ansammlungen von kleinen Hütten vorbei, Rinder mit grossen geschwungenen Hörnern grasen auf dem Grünstreifen und auf der roten Staubpiste, die parallel zur Strasse verläuft fahren Motorradfahrer ohne Helm entlang. Hier bin ich tatsächlich zurück in Südamerika!

Als Frieda auf halber Strecke aussteigt, wo sie eine Freundin besuchen will, bin ich der einzige Ausländer im Bus, der sich langsam füllt. Und damit ist nicht gemeint, dass es keine Sitzplätze mehr gibt, auf der 350 km langen Strecke wird so lange alles eingeladen was am Strassenrand winkt, bis der komplette Mittelgang mit stehenden Personen überfüllt ist. Die scheinen diesen Zustand gewohnt zu sein und es macht ihnen nichts aus bis zu 3 Stunden dort zu stehen und den Kopf auf den Oberarm gelegt zu schlafen! Die Händler scheinen davon ebenfalls unbeeindruckt und drängen sich weiterhin an jeden Halt mitsamt ihrer Riesenkörbe durch den überfüllten Bus, endlich wieder was los auf so einer Busreise! Wenn ich zurückdenke wie lange mir 6 Stunden zu Beginn der Reise vorgekommen sind und nun ist es eigentlich gar nichts mehr. Ich brauche auch wenig zur Beschäftigung, sondern sehe einfach aus dem Fenster, das ist besser als jedes Fernseh-Programm. Als wir ankommen zeigt mit Louisana noch die Haltestelle für den lokalen Bus, die südamerikanische Gastfreundschaft ist also auch zurück. In Asuncion, der Hauptstadt Paraguays mit 2 Millionen Einwohnern gibt es 1 (!) Hostel. Das steuere ich an und es macht auch sofort einen sympathischen Eindruck. Nach Paraguay verirren sich nur echte Abenteurer und das scheinen vor allem deutsche zu sein, denn im 14 Personen Schlafsaal, der wohl ehemals eine Garage war, stellen wir mehr als die Hälfte. Bei milden Temperaturen gehe ich nochmal kurz durch die Stadt und entdecke einen Burger King beim dem das XXL-Menü knapp 3 Euro kostet, ich glaube mir gefällt Asuncion!



Iguaçu

16 03 2011

11./12.03.2011, Tag 157/158

Da ich die Strecke nach Iguaçu nicht mit dem Bus (24 Stunden) zurücklegen möchte, habe ich einen Flug gebucht, der sogar noch billiger war als die Busreise. Ursula fährt mich gegen mittag zum Flughafen von Rio und erzählt mir dabei, dass der ehemalige Fussballstar Romario nun Abgeordneter ist. Wir sehen auch einige rote Flecken an den Hügeln jenseits der Strasse, die von den Erdrutschen vor knapp 2 Monaten zeugen, bei denen es etwa 200 Tote gab. Der Billigflieger “Gol“ hebt für Südamerikanische Verhältnisse untypisch sogar zu früh ab. Ich habe einen Fensterplatz und kann, nachdem wir die Wolken die immer noch über Rio hängen hinter uns gelassen haben, den Ausblick auf die Strände und später den Regenwald geniessen. Eine nicht enden wollende grüne Fläche, die ab und an von Flüssen durchzogen ist. Vom Flughafen fahre ich mit dem Bus nach Foz de Iguaçu, der Stadt die Ausgangspunkt für die Touren zu den berümten Wasserfällen ist. Busfahren ist in Brasilien immer so eine Sache, denn hier kassiert nicht der Fahrer sondern ein Schaffner, der neben einem für Rucksackreisende nahezu unüberwindbaren Drehkreuz sitzt und kein Erbarmen zeigt wenn man dieses nicht passieren, sondern auf einem der davor befindlichen Plätze sitzen möchte, für wen die auch immer bereit gehalten werden… Nachdem ich ein Hostel gefunden habe gehe ich durch die Stadt, wobei mir der hohe Anteil arabischer Läden auffällt. Sogar Döner gibt es hier. Ansonsten hat Foz aber rein gar nichts zu bieten, es gibt noch nicht mal eine Plaza.

Als ich am Abend zum Schreiben ins Internet-Café gehe lese ich dann die Nachricht vom Tod meiner Oma, was erstmal alle Pläne für die letzten 2 Wochen zu Staub werden lässt, denn in dem Moment ist klar, ich fliege so schnell es geht nach Hause. Am nächsten Morgen buchen wir meinen Rückflug um eine Woche nach vor, so dass die Reise nun am 19. März beendet sein wird. Die Umbuchung des Flugs von Iguaçu nach Rio, die ich anschliessend am Flughafen vornehme kostet dann nochmal fast genauso viel wie der eigentliche Flug. Das ist aber nur sekundär und eigentlich ist mir der Zeitpunkt in einer Woche auch zu spät, da die Motivation der Reise nun weg ist. Aber was soll man mit so einer Situation machen?! Hier bleibt mir nicht viel mehr als Ablenkung und deswegen beschliesse ich nach einigen Tagen auch diesen Blog fortzusetzen, da es in den letzten Monaten immer eine gute Sache war hier das rauszulassen was einem so auf der Seele liegt.

Die “Cataratas do Iguaçu“ liegen ca. 30 km ausserhalb der Stadt, die am Dreiländereck mit Argentinien und Paraguay liegt. Man kann die Wasserfälle sowohl von der brasilianischen als auch von der argentinischen Seite besuchen und da ich gerade in Brasilien bin und mich eine Einreise ins ungeliebte Argentinien nicht wirklich reizt schaue ich mir diese Seite an. Vom Eingang in der Nationalpark, in welchem sich die Fälle befinden, geht es mit einem Doppeldeckerbus nach englischem Vorbild (warum auch immer) zu den Aussichtspunkten . Beim Aussteigen hört man schon das Rauschen der 278 Wasserfälle, die aus 80 Metern in die Tiefe stürzen. Noch ein paar Stufen durch den Wald und dann eröffnet sich vor mir der erste Panorama-Blick, ein echter “Wow-Effekt“, dieses Wunderwerk der Natur. Ein Japaner bittet mich Fotos von ihm zu schiessen und drängt mich dann anschliessend fast dazu auch mich zu fotografieren. Das wiederholt sich dann an den verschiedenen Aussichtspunkten, die entlang des „Trilha de Cataratas“, dem malerischen Wanderweg zu den Wasserfällen liegen, immer wieder. Ich versuche dabei den Touristenhorden aus dem Weg zu gehen, die in Busladungen herangekarrt werden. Gegenüber liegt die argentinische Seite, wo, ich bin geneigt zu sagen typischerweise, ein Betonklotz mitten in den Urwald gestellt wurde. Immer wieder entdecke ich Tiere im Gebüsch oder bunte Schmetterlinge landen auf meiner Hand. Auf einmal entdecke ich etwas zwischen den Beinen der anderen Besucher durchhuschen: Ein Ameisenbär! Dieser scheint sich an den Menschenmassen wenig zu stören, im Gegenteil, denn er ist auf Nachrungssuche. Plötzlich merke ich ein ziehen an meiner Tasche und entdecke ein kleineres Familienmitglied, das versucht meine Essensvorräte zu plündern. Da füttern von Wildtieren verboten ist, muss ich es leider vereiteln und entferne mich mitsamt der Tasche. Meine halbvolle Dose lasse ich stehen, woraufhin er sich daran zu schaffen macht und sie umkippt, Danke! Irgendwann hat sich das ganze Rudel versammelt und ist auf Futtersuche. Dabei wird sogar “Männchen“ gemacht um sich etwas zu erbetteln, aber ich muss leider hart bleiben.

Etwas weiter hinten entdecke ich dann die Metallplattformen, über die man hinein zur „Garganta do Diablo (“Teufelsrachen“) gehen kann, wo sich der Rio Iguaçu in 12 Fällen am breitesten in die Tiefe stürzt. An deren Beginn kommen mir etliche klatschnasse Leute entgegen, weshalb ich den Regenponcho, welchen ich noch vom Carnaval habe, um die Tasche und die Kamera wickele. Als erstes erblicke ich einen Regenbogen, quasi ein Synomym für tolle Erlebnisse auf dieser Reise. Und nach ein paar Metern bin ich komplett nass und das ohrenbetäubende Rauschen des Wassers lässt keinerlei Kommunikation mit potentiellen Fotografen zu. Riesiges Wassermassen, die wie Nebelschwaden wirken, steigen auf und man kann nur erahnen wo sich das Ende dieses Naturwunders befindet. Nachdem ich nass genug bin gehe ich zurück und trockne meine Kamera, die es zum Glück gut überstanden hat. Von hier aus kann man mit einem Aufzug auf eine Aussichtsplattform fahren, um das Spektakel von oben zu bewundern, was ich dann auch mache. Nach einer kleinen Pause kehre ich in der Abenddämmerung dann nochmal an diese Stelle zurück um die veränderten Lichtverhältnisse zu bewundern. Dann geht es zurück. Ein trotz der augenblicklichen Umstände toller Tag an einem der grössten Naturwunder dieser Welt. Morgen geht es dann weiter auf einen kurzen Abstecher nach Paraguay.




Rio – Centro & Maracana

16 03 2011

10.03.2011, Tag 156

Der voerst letzte Tag in Rio beginnt mit einem Rundgang durch das Zentrum, genauer gesagt den Stadtteil “Saara“, abgeleitet von dem Wort Sahara, da hier vormals viele arabische Einwanderer lebten und arbeiteten. Auf der Busfahrt erfahre ich von Ursula verschiedene Geschichten über die Stadt. Zum Beispiel müssen die Anwohner der früheren Hafenpromenade in Botafogo eine “Piratensteuer“ zahlen. Dies betrifft etwa 4.000 Personen, was zu wenig ist um das Gesetz, dass diese Steuer festsetzt durch eine Volksabstimmung ausser Kraft zu setzen. Wizigerweise liegen diese Gebäude nun gar nicht mehr am Wasser, sondern teilweise bis zu 1 km davon entfernt. Dies ist dadurch begründet, dass man im Zentrum Rios einen Berg abgetragen hat um einen Frischluftkanal zu schaffen, da das Klima in den Sommermonaten dort unerträglich war und die reiche Bevölkerung regelmässig aufs Land geflüchtet ist. Das dort entfernte Material wurde in der Bucht von Botafogo zur Landgewinnung aufgeschüttet. Dort sieht man nun noch die ehemalige Kaimauer, sowie das Ende des Wasserkanals, der im Stadtteil Santa Teresa beginnt unter über ein Viadukt im Stadtteil Lapa Frischwasser zum betanken der Schiffe in den Hafen gebracht hat.

In den von alten Gebäuden gesäumten Gassen von Saara gibt es so ziemlich alles zu kaufen, was man braucht. Über der Strasse weht noch die Karnevalsdeko, die von der grossen Partys der letzten Tage zeugt. Zunächst führt uns der Weg in die Bibliothek, in deren fast ausschliesslich aus Original-Teilen bestehenden Lesesaal es tausende historischer Bücher zu bewundern gibt. Nach einer kurzen Pause im ebenfalls historischen “Café Colon“ besuchen wir noch eine Ausstellung im Gebäude der Banco de Brasil. Dort sind die Werke des niederländischen Künstlers Maurits Cornelis Escher zu sehen, der für seine Perspektivzeichnungen bekannt ist.

Danach verabschiede ich mich, denn ich habe noch einen anderen Programmpunkt und der heisst Maracana. Das Fussballstadion liegt im Nordteil der Stadt, in den man als Tourist sonst eigentlich nicht kommt, da sich alle Highlights Rios im südlichen Teil befinden. Nachdem ich mich aller Wertsachen entledigt habe nehme ich die Metro und begebe mich in den nicht ganz ungefährlichen Teil der Stadt. In der Gegend rund um das Stadion befinden sich zahlreiche Favelas, die Armenviertel Rios. Neben seiner sportlichen Bedeutung gibt es noch einen weiteren Grund warum das Maracana bei mir so deutlich im Gedächtnis ist und dazu möchte ich die Lieblingsgeschichte meines Vaters erzählen: Auf der Südamerika-Reise meiner Eltern 1980/81 wurde auch in Rio Station gemacht. Für einen echten Fussballfan natürlich ein Muss eins der grössten und bekanntesten Stadien der Welt zu besichtigen. Das Erlebnis einer Stadionbesichtigung war an diesem Tag doch leider nicht zu realisieren, dafür geschah etwas anderes. Ein Jogger nähert sich und zückt in unmittelbarer Entfernung eine Waffe und fordert meine Eltern auf ihm alle Wertsachen auszuhändigen. Meine Mutter hält ihm die Tasche entgegen, in der sich neben Bargeld, Pässe, Flugtickets und der Schlüssel zum Apartement befindet. Der Ganove greift zu, doch mein Vater ebenso und reisst im die Tasche wieder aus der Hand. Wie er ihm in diesem Moment ohne ein Wort portugiesisch oder spanisch klar gemacht hat, dass er ihm nur das Geld aushändigen will weiss ich nicht, aber er gibt ihm lediglich das Bargeld und der Jogger packt die Waffe wieder ein und zieht von dannen. So, nah war ich also davon entfernt als Halbwaise aufzuwachsen… Zum Glück ist diese Geschichte gut ausgegangen und kann nun immer wieder zum besten gegeben werden.

Das Stadion befindet sich gerade im Umbau für die Fussballweltmeisterschaft 2014, sowie die Olympischen Spiele 2016. Um zum Eingangsbereich zu kommen muss ich das Stadion einmal umrunden und ich muss sagen, obwohl ich viele zwielichtige Gegenden auf dieser Reise gesehen habe, ist es hier wirklich ungemütlich. Vom Museum aus kann man durch eine Glasscheibe einen letzten Blick in das Stadion werfen in dem ehemals 220.000 Menschen Platz gefunden haben. Zuletzt war die Kapazität jedoch auf 100.000 Zuschauer beschränkt und nach den Umbauarbeiten wird es ein Fassungsvermögen von “nur noch“ 80.000 Personen haben. Trotz dessen, dass ich quasi nur noch die Ruine vorfinde ist es toll nochmal an solch einer historischen Stätte gewesen zu sein. Und damit war ich in (bzw. einmal nur an) jedem Stadion dieses Kontinents auf dem ein WM-Enspiel ausgetragen wurde: Santiago de Chile (1962), Buenos Aires (1978), Montevideo (1930) und nun Rio de Janeiro (1950). Dem fussballerischen Auftrag auf dieser Reise ist damit nun auch genüge getan. Im Museum finden sich Fussabdrücke brasilianischer Ballzauberer, aber auch anderer internationaler Fussballgrössen, u.a. Franz Beckenbauer. Das Mädel, dass hier eine Art Guide spielt hat allerdings noch nie von ihm gehört, so dass ich ihr Fussballfachwissen erweitere, damit sie bei dem nächsten Besucher damit protzen kann. Ich probiere dann auch mal ein paar Füsse aus und stelle fest, dass mir dabei die von Pelé am besten passen…war aber auch nicht anders zu erwarten 😉 Im Ausgang kann man dann noch Fotos mit einer Nachbildung des WM-Pokals machen und ich möchte hiermit schon mal zeigen wie ich Philipp Lahm (oder wer immer dann Kapitän sein wird) im Sommer 2014 sehen möchte.

Abends packe ich dann nach langem mal wieder meinen Rucksack, da ich morgen weiter zu den Wasserfällen von Iguazu fliege um von dort weiter nach Paraguay zu reise. Endlich wieder ein leichter Rucksack! Trotz des mässigen Wetters bleibt die Erinnerung an eine tolle Zeit in Rio, was meinen durchwachsenen Gesamteindruck von Brasilien doch herausgerissen hat. Die Stadt hat wirklich etwas bezauberndes und es gibt so viele Dinge zu sehen und zu erleben, dass die Zeit dafür viel zu knapp war. Vielen Dank auf diesem Weg auch an meine Gastgeber, die mich herzlich aufgenommen haben und alles getan haben um mir eine tolle Zeit zu bereiten, was auch funktioniert hat. Doch jetzt geht es zur letzten Etappe dieser Reise, auf zu den grössten Wasserfällen der Welt.





Rio – Copacabana & Zuckerhut

16 03 2011

08./09.03.2011, Tag 154/155

Der eigentliche Plan war es heute mit der Seilbahn auf den Zuckerhut zu fahren, aber es regnet mal wieder…also fahren wir ins Zentrum, was allerdings einer Geisterstadt gleicht, da irgendwo in Rio natürlich immer noch Carnaval gefeiert wird. Wir kommen an die Kathedrale , wo vor 15 Jahren eine Gruppe von Strassenkindern erschossen wurden, weil sie in der nahegelegenen Ladengalerie gehaust und regelmässige Diebstähle in den Läden verübt haben. Erst verstehe ich 50 Jahre und bin schon entsetzt, aber das war das Jahr 1996, also 15 Jahre, in dem hier eine öffentliche Hinrichtung stattgefunden hat! Das ist auch Brasilien…

Wir fahren zu einem Markt, der in einer Art Kolloseum untergebracht ist wofür man wiederum Eintritt zahlen muss…Rio ist auch leider kein Shopping-Paradies und selbst die dort angebotenen gefälschten Waren sind unheimlich teuer. Nachdem ich mal wieder das Problem der Geldbeschaffung hatte, gehen wir da sich das Wetter etwas gebessert hat an den wahrscheinlich bekanntesten Strand der Welt: Die Copacabana! Dazu hat man jetzt wahrscheinlich allerlei Bilder im Kopf, aber auch hier muss ich gerade für meine männlichen Leser einige Träume platzen lassen, denn nur mit minimalen Stoff bekleidete Strandschönheiten muss man hier wirklich suchen. Ansonsten versprüht der Ort aber trotzdem eine gewisse Schönheit, trotz der Hochhausfront im Rücken. Abends treffe ich mich nochmal mit Theresa, Steffi und einem Brasilianer (dessen Name ich mal wieder vergessen habe…). Unser Ziel ist einer der Clubs, was aber an den Eintrittspreisen scheitert, die zwischen 60 und 100 US-$ schwanken. Wir landen in einem Irish-Pub und selbst da müssen wir noch Eintritt zahlen! Vielleicht für die Klimaanlage, denn die läuft hier wieder auf Hochtouren… Auf dem Rückweg entdecke ich dann das in den besseren Vierteln die Strassenschilder beleuchtet sind. Als ich kurz später ein paar Obdachlose am Strassenrand liegen sehe stelle ich mir dann die Frage, ob man für die Kosten jedes einzelne Strassenschild auszutauschen und eine Stromleitung dorthin zu legen in dieser Stadt nicht besser hätte investieren können. Ich will jetzt nicht alles schlecht reden, denn grundsätzlich ist Rio eine wunderschöne Stadt, aber diese Gegensätze machen mich wie so oft nachdenklich.

Am nächsten Tag steht dann das nächste Highlight auf dem Plan, der “Pao de Azucar“, auf deutsch “Zuckerhut“. Da laut Lonely Planet die Aussicht am späten Nachmittag am besten ist steige ich erst gegen fünf in die Seilbahn, die man aus dem James Bond Film “Moonraker“ kennt. Die erste Seilbahn wurde 1912 eingeweiht und konnte 16 Personen befördern. Das aktuelle Nachfolgermodell fasst bis zu 65 Personen und fährt alle 3 Minuten. Der erste Stopp ist auf dem “Morco de Urca“, dem kleinen Berg der zwischen der Stadt und dem Zuckerhut liegt. Dort nimmt man eine zweite Gondel hinauf zum 395 m hohen Monolit. Diese Strecke wurde auch schon von einem Seiltänzer und einem Motorradfahrer (aus Deutschland) überwunden. Oben angekommen ist es gerade bewölkt und es wird langsam dunkel. Ich bin doch etwas spät dran und als mich dann noch ein Peruaner in ein längeres Gespräch über sein Land verwickelt ist es fast dunkel bis ich die ersten Fotos schiesse. Das ist das verhängnisvolle wenn ich meine Tasche mit den Länderaufnähern dabei habe, man kann sicher sein, dass mich irgendjemand darauf anspricht, denn die Südamerikaner sind begeistert vom Reisen, wenn selbst sie es nur meist in ihrem eigenen oder dem Nachbarland tun. Aber ich finde solche Unterhaltungen auch interessant und kann so auch mal wieder ein bisschen Spanisch üben, denn ich habe doch etwas Angst es langsam wieder zu vergessen.

Aber auch oder gerade bei Nacht ist der Blick auf die beleuchtete Copacabana und den Rest der Stadt beeindruckend. Leider zieht immer wieder einen Wolke durch und macht das Sichfenster zu. Aber es reicht um die traumhafte Lage dieser Stadt zwischen den zahlreichen Bergen zu erfassen. Der Mond wird sichtbar und plötzlich färbt sich eine der Wolken lila und man erkennt eine Form. Nach kurzem überlegen wird mir klar, dass es die Christus-Statue auf dem Cocorvado ist, die mit ausgebreiteten Armen aus dem Nebel zu kommen scheint. Ein Bild das mir tagelang im Kopf bleiben wird… Es beginnt zu regnen, besser gesagt zu schütten und ich dränge mich in die Seilbahn, wo man während der Fahrt einfach nichts sieht. In der Zwischenstation sitzt alles fest, da der Weg auf die andere Seite des Berges nicht ohne Schirm zu meistern ist. Ich gehe derweil in das dort befindliche Museum und bestaune die Geschichte vom Bau dieser Anlage. Irgendwann lässt der Regen nach und ich fahre runter. Mit den Bus komme ich zu einer riesigen Mall, wo ich Maryam und Haleh treffe und wir mit einem befreundeten Pärchen Pizza essen gehen. Morgen ist mein vorerst letzter Tag in Rio und da steht ein weiteres Highlight an, das Stadion Maracana.




Rio – “Carnaval“

16 03 2011

06./07.03.2011, Tag 152/153

Der Grund warum ich meine Reiseroute geändert habe und jetzt schon 3 Wochen vor Ende der Reise an meinem Abflugsziel bin heisst Carnaval! Da dieser 2011 ziemlich spät stattfindet will ich die Chance nutzen und mir das grösste Fest weltweit ansehen. Dazu muss ich vielleicht vorher erklären, dass der Carnaval hier sich nicht nur in der Grösse sondern auch im Ablauf von der deutschen Variante deutlich unterscheidet. Das was bei uns meist im Fernsehen gezeigt wird mit grossen Umzugswagen und leicht bekleideten Sambatänzerinnen findet nicht auf der Strasse, sondern im Sambadromo, einer Art länglichen Stadion statt. Dann gibt es noch den Strassenkarneval aber dazu später. Samba ist hier neben dem Fussball sowas wie die Volkssportart. Es gibt unzählige Sambaschulen, die direkt in der Woche nach dem Carnaval mit der Vorbereitung für die nächste Saison beginnen. Dabei werden Tänze und Choreografieren einstudiert und die Festwagen gebaut. Dabei kam es vor ein paar Wochen zu einem tragischen Zwischenfall bei welchem die Wagen von mehreren Gruppen niedergebrannt sind und man schon in Erwägung gezogen hat das ganze Fest abzusagen. Die Carnavals-Verrückten Brasilianer haben es aber geschafft innerhalb kürzester Zeit etwas neues auf die Beine zu stellen. Denn es geht hier nicht einfach nur um eine nette Show, sondern das ganze funktioniert wie in einem Ligensystem. Die 1. Liga tritt in der Nacht von Sonntag auf Montag auf und ermittelt einen Sieger, sowie einen Absteiger in die 2. Liga, die heute auftritt. Da die Karten ausverkauft sein sollen und wahrscheinlich auch deutlich teurer sind haben wir uns entschieden unser Glück heute bei den Schwarzmarkthändlern zu versuchen. Schwer zu finden sind diese nicht, denn aufgrund des anhaltenden Regens ist die Nachfrage nicht so gross wie normal. Für knapp 13 Euro bekommen wir dann 3 Karten für die letzte Tribüne, quasi das Finale des Festzugs. Das Sambadromo ist 700 m lang, so dass es knapp 30 Minuten dauert bis die Spitze einer Gruppe vom Start bis ins Ziel marschiert ist. Erst wenn dann die komplette Gruppe mit ihren 3000 – 4000 Personen durch ist, was bis zu 90 Minuten (!) dauern kann, zieht vorne die nächste los. Das erklärt auch warum die Show bis in die Morgenstunden dauert. Insgesamt passen 88.500 Zuschauer in das Sambadromo, die auf 13 Tribünen verteilt sind. Überwacht wird das ganze von Jesus höchstpersönlich, der von dem Cocorvado herabblickt. Warum die Karten so billig waren sehen wir schon von aussen. Aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen ist die letzte Tribüne ein Stück nach hinten versetzt, so dass man nur nach vorne Sicht hat und nicht die komplette Länge der Strecke überblicken kann. Mit unseren Regenponchos suchen wir uns einen Platz auf dem Oberrang und stellen fest, dass es heute bei weitem nicht ausverkauft ist… Aufgrund der schlechten Sicht kann man die Kostüme nur über den Bildschirm beobachten. Von oben erkennt man nur die spektakulären Wagen und kleine Menschen die darauf herumtanzen. Jede Gruppe hat ihre Geschichte, die sie erzählt und dazu gibt es einen eigenen Samba-Song, der in Endlosschleife läuft und das wie gesagt bis zu 90 Minuten… Die Spitze des Zuges bildet immer ein Paar, dann kommen mehrere Tanzgruppen und Wagen (die trotz ihrer Grösse von Hand geschoben werden!) und relativ zum Schluss die Trommlergruppen. Ein sensationelles Spektakel, dem auch einige Prominente beiwohnen. So wird Ronaldinho, der wie gesagt für Flamengo spielt, auf der Leinwand gezeigt und wenig später entdecke ich ihn gegenüber in einer Loge. Die Leinwand ist sehr praktisch, da wir wenigstens so die Tänzerinnen aus der Nähe zu sehen bekommen. Die Brasilianer haben für diejenigen deren Attraktivität erst unterhalb des Kopfs beginnt die Beschreibung “Mulhea Camaran“, “Shrimp Frauen“, da man den Kopf wegwerfen und nur den Rest nehmen soll. Oder sie geben den Spitznamen “Raimundo, feia de cara, bonita de bunda“, was soviel heisst wie hässliches Gesicht aber schöner Hintern. Soviel zum Basiswissen 😉

Die Show ist wirklich der Wahnsinn, aber nach gerade mal vier Gruppen haben wir um 3.00 Uhr dann genug gesehen und machen uns auf den Heimweg. An der Strasse entdecken wir Berge von Kostümen, die von den Teilnehmern einfach weggeworfen wurden. Ich würde behaupten, dass man mit der Masse die alleine heute dort liegt, den kompletten Bürgeler Fastnachtsumzug ausstatten könnte. Wenn ich mehr Platz hätte würde ich einen Satz für meine Berjeler Fans Fastnachtsgruppe mitnehmen, aber leider sind die Kostüme so gross und aufwendig, das schon der Heimtransport hier schwierig wird. Denn da Haleh und ich beide kein Kostüm für den Strassenkarneval haben, decken wir uns nun erstmal ein. Dabei finde ich ein Wikingerkostüm was gut zu meinen äusseren als “Nordmensch“ passt. Draussen auf der Strasse stehen immer noch die Gruppen aufgestellt, die später noch ihren Auftritt haben. Ein paar Meter weiter an der Metrostation liegen neben den Feiernden die Obdachlosen auf der Strasse zugedeckt mit löchrigen Decken und Pappkartons. Einer liegt zusammengekauert mitten auf der Halteplattform für die Busse, das zerissene T-Shirt über Kopf und Knie gezogen. So eng liegen die Unterschiede beieinander in Brasilien. Da werden Kostüme weggeworfen deren Herstellungskosten wahrscheinlich ein ganzes Armenviertel für ein Jahr hätte ernähren können…

Sonntags wollen wir uns den Strassenkarneval ansehen, der zu verschiedenen Uhrzeiten in den jeweiligen Stadtteilen stattfindet. Die ersten beiden Veranstaltungen für den heutigen Tag haben wir leider verschlafen, daher geht es erst gegen Mittag nach Ipanema. Dabei treffe ich mich mit Theresa, die auch gerade in Rio ist und bei der Familie ihrer Freundin Steffi wohnt, die ebenfalls mit von der Partie ist. Eigentlich war geplant, dass sich hier die komplette Reisegruppe nochmal trifft, aber da André nach Kolumbien geflogen und Anja noch in Argentinien ist, ist nun nur die Hälfte vertreten. Den Carnaval da Rua gibt es erst seit ein paar Jahren wieder. Zuvor sind die Einwohner Rios während der Karnevals-Ferien meist verreist um den Touristenhorden aus dem Weg zu gehen. Dann fing man an in einigen Nachbarschaften, was hier der Begriff für Stadtteil ist, Fussmärsche zu veranstalten, die sogenannten Blocos. Bei einem Bloco gibt es ein paar Trommler, oder manchmal auch einen Wagen mit Musik, die das Publikum anheizen, während man durch die Strassen des Viertels zieht. Dabei wird gefeiert, getanzt und vor allem getrunken. Geworfen wird nichts, daher würde ich es vom Ablauf her eher mit der Loveparade als mit einem Umzug in den deutschen Rheinmetropolen vergleichen. Die meisten sind dabei auch verkleidet, aufgrund der Temperaturen aber deutlich dünner als bei uns. Das ist auch so ein Problem, warum ich eigentlich gar nicht in Faschingsstimmung bin, das Wetter passt einfach nicht. Wie schon an Weihnachten und Silvester ist es einfach zu ungewohnt, dass es nicht kalt ist… Vom Bloco in Ipanema bekommen wir leider auch nur noch das Ende mit, also gehen wir an den Strand, wo die Leute noch kräftig am Feiern sind. Abends sehen wir dann das ausverkaufte Sambadromo im Fernsehen, diesmal auch ohne Regen. Doppeltes Pech gehabt…

Am Rosenmontag geht es früh raus, denn heute soll es endlich klappen mit einem richtigen Bloco. Maryams Freundinnen Fernanda und Elena holen uns gegen 9.00 Uhr ab, ich werfe meinen Wikinger über und dann geht es los. Da ich noch kein Frühstück hatte brauche ich erstmal einen Hot-Dog bevor ich mit dem Biertrinken anfange, ich werde alt… Das Primärziel der Stadtverwaltung Rios scheint auf dem Einschränken des “Wildpinkelns“ zu liegen, denn überall weisen Schilder darauf hin und selbst gestern im TV kamen Werbespots dazu. Wir laufen erst am hinteren Teil des Blocos, entscheiden uns dann abzukürzen damit uns der Wagen entgegen kommt. Ich merke den Nachteil meines Kostüms, denn in der Menschenmenge ist es extrem schwer damit durchzukommen. Als wir einen guten Platz gefunden haben dauert es noch eine gute Stunde bis sich der Wagen nähert, dessen Betreiber ein Bierhersteller ist, der eine Dose in Megaformat durch die Strassen schickt. In der Kurve vor uns bleibt der Wagen dann stecken und so spielt die Musik nun direkt vor uns, während aus den oberen Stockwerken der Häuser eine kostenlose Duschen für die schwitzende Menge gibt. Auffällig ist, das Brasilianer dazu neigen sich als Frauen zu verkleiden, ich würde behaupten gut die Hälfte trägt ein Kostüm des anderen Geschlechts und bei der anderen Hälfte ist es ein Renner sich als “Deutscher“ zu verkleiden! Davon kommt mir eine ganze Gruppe entgegen, mit Bayern-Outfit unter blonder Perücke. Ob ich nächstes Jahr als Brasilianer gehen soll 😉

Als wir die Location wechseln wollen, merke ich beim Laufen wie irgendwas an der Knietasche meiner Hose zieht, ich greife nach unten und merke, dass die Tasche geöffnet ist. So schnell es mit meinem voluminösen Kostüm geht drehe ich mich um und sehe einen Typ sich seitlich von mir wegbegeben, Erwischt! Mein Portemonaie, in dem sich aber sowieso nur Kleingeld befindet ist noch da. Nachdem wir etwas gegessen haben geht es nach Botafogo zum nächsten Bloco. Hier gibt es neben dem Festwagen noch eine Bühne auf der Beatles-Songs gespielt werden, ein echter Renner. Unter unseren Begleitern wird heute hauptsächlich portugiesisch gesprochen und ich bin froh, das Haleh dabei ist. Wenn wir mal wieder länger nichts verstanden haben sagt dann einer von uns zum anderen: “Hey, they make this funny voices again“ um dezent darauf aufmerksam zu machen, dass wir die Sprache nicht verstehen. Die Tour endet am frühen Abend, auch bedingt dadurch, dass das recht dünne brasilianische Bier auf mich irgendwie eine einschläfernde Wirkung hat und ich gegen sieben kaum noch die Augen offen halten kann… Damit endet dann das Kapitel “Karneval in Rio“. Ein Riesenspektakel und absolut sehenswert, aber man muss eine Leidenschaft für Samba haben und ordentlich trinken um wirklich mitziehen zu können.

Wir widmen uns dann ab morgen wieder den anderen Highlights die Rio des Janeiro zu bieten hat und das sind nicht wenige