Choquequirao

17 12 2010

01./02.12.2010, Tag 57/58

Nachdem wir das Zelt aufgebaut und zu Mittag gegessen haben, verkündet Dayme, dass wir heute Mittag alleine nach Choquequirao laufen können um den oberen Teil der Ruinen zu besichtigen. Morgen früh werde er uns dann die sogenannten Lama-Terassen auf der Rückseite des Berges zeigen. Anschliessend steigen wir dann wieder nach Santa Rosa ab. Wir geben ihm allerdings zu Verstehen, dass wir morgen zumindest den Fluss überqueren und ein Stück auf der anderen Seite wieder hinauf wollen, da wir sonst die komplette Strecke vorm Vortag am Freitag Vormittag laufen müssten. Dann machen wir uns auf die letzten 4 Kilometer bis zum Ziel. Wir kommen an ein paar weiteren Hütten von ehemaligen Bauern vorbei, die ihre Wiesen auf der Hochebene zu Campingplätzen umfunktionieren und Verpflegungsstellen einrichten. Hier sehen wir die Millionäre von Morgen, wenn hier in ein paar Jahren wahrscheinlich Luxushotels errichtet werden!

Als wir um die nächste Kurve kommen, haben wir eine herrliche Aussicht auf die unteren Terassen, die im Steilhang hängen und auf dem Bergrücken entdecken wir die Ruinen. Nach einer knappen halben Stunde haben wir den Kontrollpunkt, der sich in einer Blechhütte befindet, erreicht. Hier erfahren wir das die Tickets nur einen Tag gültig sind, wird also nichts mit der zweiten Tour morgen früh und so müssen wir uns beeilen. Das sehen die Wildpferde, die auf dem schmalen Weg am Berg grasen anders. Langsam gehen wir an den Tieren vorbei, die durch unsere Anwesenheit doch etwas beunruhigt scheinen. Nachdem das Leittier und ein weiteres an uns vorbei sind, beschliesst der Rest lieber zu flüchten und so werden wir wieder überholt und treiben die kleine Herde nun vor uns her bis wir eine Weggabelung erreichen. Davor sehen wir noch eine Schlange, die dem giftigen Exemplar von gestern ziemlich ähnlich ist…

Nachdem wir gute 45 Min. vom Eingang aus (!) unterwegs sind gabelt sich der Weg. Links geht es scheinbar zur Stadt, rechts den Berg hoch, vielleicht zum Aussichtspunkt…? Wir entscheiden uns für den einzig unbeschilderten Weg in der Mitte und ein paar Minuten später entdecken wir durch den Wald die ersten Ruinen und plötzlich stehen wir mittendrin und blicken über die komplette Anlage, wie sie sich über den Bergrücken erstreckt bis zu dem grossen Platz auf der gegenüberliegenden Anhöhe. Es gibt zwar nicht diesen einen atemberaubenden Moment wie in Machu Picchu, aber das Gefühl hier an einem Ort zu sein, der gerade erst wieder dabei ist zu erwachen und zu bestaunen was auch hier für eine beeindruckende Anlage errichtet wurde ist ebenfalls erwähnenswert. Und während letzte Woche noch knapp 1.000 Menschen mit uns den heiligen Berg besichtigt haben sind wir hier alleine. Nur später erblicken wir noch 3 weitere Abenteurer, die sich bis hierher durchgekämpft haben. Das ganze hat ein bisschen was von einem Indiana-Jones Film, irgendwo mitten im Nebelwald auf einem Berg eine Ruine, zu der man nur durch echte körperliche Anstrengung gelangt. Ein Traum, den die meisten Jungs sicher mal hatten 😉

Die bisher freigelegten Gebäude in Choquequirao kommen mir sogar etwas grösser vor als die in der Schwesterstadt. Ganz deutlich zu erkennen ist das Bewässerungssystem, dass sich durch die ganze Stadt zieht. Ich steige noch ein Stück nach oben und hinter dem Berg breitet sich das Tal des Rio Apurimac aus, ein fantastisches Bild! Der Fluss, dann die saftig grünen Berghänge, Hochebenen und dahinter teilweise schneebedeckte Berge, vor die sich von Zeit zu Zeit die Wolken schieben. Es beginnt zu regnen und neben der Stadt zeigt sich ein Regenbogen – WOW! Wie schon in Machu Picchu bekommen wir wieder die komplette Palette an Naturschauspielen geboten. Kein Wunder, dass die Inkas sich solche Orte ausgesucht haben. Wir besichtigen die weiteren Teile der Stadt und steigen die Treppen zu dem grossen runden Platz in 3.100 Metern Höhe hinauf, der wahrscheinlich religiösen Zwecken gedient hat. Anschliessend geht es über einen schmalen Pfad den Bergrücken hinuter bis es nicht mehr weiter geht. Zurück in der Stadt wollen wir noch die Lama-Terassen besichtigen, die ihren Namen aufgrund der Stein-Verzierungen in den Wänden haben. Es ist kurz vor fünf, in 15 Minuten sollen wir uns eigentlich am Kontrollpunkt wieder aus dem Buch austragen, da die Ruinen offiziell um 17.00 Uhr schliessen. Aber den fast einstündigen Weg schaffen wir sowieso nicht mehr und wann komme ich nochmal hierher, also auf geht´s! Auf den oberen Terassen sehe ich ein Zick-Zack Muster und denke an die Fotos die ich gesehen habe, wo die Lama-Bilder darunter lagen. Also steigen wir die steilen Treppen herunter, deren Stufen maximal für Schuhgrösse 35 geeignet sind… Wir gehen ein ganzes Stück, können aber nichts entdecken. Gegenüber befindet sich ein Aussichtspunkt, sind wir vielleicht zu nahe dran?! Jeder kleine weisse Stein wird zu einem Teil eines Lamas, aber recht überzeugen will es uns nicht. Weiter geht´s und nach etwa 15 Minuten Abstieg sehen wir endlich die erste Zeichnung. Darunter befinden sich dann unzählige weitere, aber die sparen wir uns, den Aufstieg im Hinterkopf, dann doch. Nachdem wir wieder gut ein Drittel nach oben gestiegen sind beginne ich die Treppen zu zählen: 294 Stufen, wer meint da noch ich habe kein Wintertraining!

Als wir wieder oben sind hat sich ein Nebelschleier über die Stadt gelegt und wir erleben nochmal dieses mystische Bild. An den nicht enden wollenden Terassen auf der anderen Bergseite geht es zurück. Der Weg zieht sich, da ich kein Wasser mehr habe befülle ich meine Flasche an dem Bergbach mit super klarem Nass, hier kann man das Risiko mit ungereinigten Wasser mal eingehen. Als wir den Checkpoint erreichen ist niemand mehr da, na ja dann gelten wir in der Statistik jetzt wahrscheinlich als Verschollen in Choququirao… Im Dunkeln erreichen wir das Camp, wo sich mittlerweile auch andere Traveller eingefunden haben. Während wir unsere Nudelsuppe löffeln, wird am Nachbartisch Pizza und frischer Kuchen als Nachspeise serviert. Hier merkt man dann doch den Preisunterschied.

Ich spreche Dayme darauf an, ob man nicht morgen nicht den kompletten Weg zurückwandern könnte. Er redet ein wenig darum herum, bis ich mitbekomme, wie er zu dem Guide der anderen Gruppe, der ebenfalls morgen an einem Tag zurück will, sagt das wir einen Vertrag für 4 Tage haben. Ich gebe ihm zu verstehen, dass wir kein Geld zurück wollen und wir legen das Frühstück auf 6.00 Uhr fest. Als letzte „Heldenaktion“ geht es wieder Richtung Gebirgsbach, der, analog der Aussentemperatur, 800 Meter höher als gestern auch bedeutend kälter ist. Aber sich Nachts auf einem Berg vom Wind trocknen zu lassen und dabei aus 2850 m in das vom Mond beleuchtete Tal zu blicken vermittelt schon ein ungemeines Gefühl an Freiheit!

Um 5.30 Uhr klingelt mein Wecker. Das Tal liegt noch im Nebel, als wir das Lager abbrechen und losmarschieren. André legt den Weg bergab auf dem Reitmuli zurück, ich spare es mir für den für mich anstrengenderen Weg bergauf. Der Weg den Berg hinunter ins Tal des Rio Apurimac, dauert länger als ich dachte, nach fast 2 Std. erreichen wir erst Santa Rosa, wo wir die erste Nacht verbracht haben, und füllen die Wasservorräte auf. Als wir vor zwei Tagen in Cachora los sind meinte Dayme, der selbst kaum getrunken hat, wir hätten zuviel dabei. Nun sieht er warum wir diese Masse an Flüssigkeit eingepackt haben. Den restlichen Weg ins Tal gehe oder besser renne ich vor, da es einfacher ist etwas schneller zu laufen, als ständig abbremsen zu müssen. Nachdem die anderen am Fluss angekommen sind, nimmt Dayme die beiden Mulis und reitet voraus um das Mittagessen vorzubereiten. Für mich beginnt nun der anstrengenste Teil des Tages. Nach einer langen Geraden, geht es unter brennender Sonne steil bergauf. Meine Erkältung meldet sich zurück und ich muss alle paar Meter anhalten um zu trinken oder die Nase zu putzen. 1.400 Höhenmeter müssen wir in den nächsten 10 km überwinden und dann folgen weitere 11 km bergab. Ein gutes Programm und in den nächsten 1,5 Stunden haben ich echte Zweifel ob es tatsächlich zu schaffen ist. Dann plötzlich die ersten Hütten, die ich erst in einer guten Stunde erwartet hätte. Geschafft! Um 11.30 Uhr erreichen wir den Punkt, auf den wir nach unserem Veto das Nachtlager verlegt hätten. Die Zuversicht es heute doch zu schaffen steigt.

Um uns nicht nur von Reis zu ernähren kaufen wir noch etwas Tomatensosse bei den Einheimischen und unterhalten uns während des Essens mit Corinna und Jörg, die ihren Trip bei einer der Agenturen in Cusco gebucht und dafür das doppelte von uns gezahlt haben. Ihr Guide scheint zudem ein echtes A… zu sein, denn von dem was versprochen wurde, wurde vieles nicht eingehalten. Traurig, dass Touristen bereits in diesem Stadium nur als Geldmaschine gesehen werden… Nachdem die beiden hören, dass wir heute noch komplett zurück laufen, fragen sie ob sie sich uns anschliessen und wir zusammen heute Abend nach Cusco fahren. Wir willigen ein und die beiden gehen vor um weiteren Streitereien mit ihrem Guide aus dem Weg zu gehen.

Wir brechen um 13.00 Uhr auf. Dayme meint, dass ich wenn jetzt reiten könnte, da es später zu steil wird. Also steige ich auf das Maultier und reite, soweit ich mich erinnen kann zum ersten mal, los. Es geht den Hang hoch, neben uns Kakteen, im Tal der Fluss, dahinter ragen die Berge auf. Der nächste Kindheitstraum geht in Erfüllung: Als Karl May Fan wollte ich früher immer mit meinen „indianischen Freunden“ durch die Wildnis reiten, wie es in den Filmen, die ich mir unzählige Male angeschaut habe, zu sehen ist. Mein „roter Freund“ ist zwar etwas älter als Winnetou und mein Reittier gleicht wohl eher der Mähre von Sam Hawkens als dem Rappen Old Shatterhands, aber der Gedanke bringt mich zum schmunzeln und so wippe ich im Sattel den schmalen Bergpfad entlang. Als es steiler wird erlöse ich meinen treuen Begleiter und führe ihn noch eine ganze Weile bis zum nächsten Rastpunkt. Von hier sollen es noch gut 1,5 – 2 Stunden bis zum Pass sein. Das erfahren wir vom Guide der beiden deutschen, die wir bisher noch nicht eingeholt haben, und der sie nun wohl „verfolgt“. Mehr Wild-West-Atmosphäre geht nicht 😉

Das Ziel im Blick geht es weiter. Dayme meinte als wir losgelaufen sind: Der 1. Tag wird schwierig, der 2. auch, der 3. so lala und am 4. lachst du drüber. Es ist der Nachmittag des 3. Tages und ich bekomme aus Gründen die ich mir selbst nicht erklären kann eine zweite Luft, ich nenne es mal den Endspurt. Ich ziehe den Rest des Berges hinauf und etwa 1 km unter dem Gipfel treffe ich auf Corinna und Jörg, die mit ihrem kompletten Gepäck unterwegs sind, eine beeindruckende Leistung! Da es mir gerade ziemlich gut geht, nehme ich noch einen der Rucksäcke mit und treibe zu guter letzt noch die Mulis, die Dayme unterwegs hat grasen lassen, zum Gipfel auf 2.900 Metern hinauf. Ein kleiner Jubel kommt bei allen auf, das wäre geschafft!

Dayme, der auch mit einer Erkältung zu kämpfen und sich seine Jacke samt Kapuze zugezogen hat, wirkt sichtlich erschöpft. Wir verabreden uns mit Jörg und Corinna in Cachora, da die beiden direkt weiter wollen um nicht noch einmal dem Guide zu begegnen, den wir unterwegs abgehängt haben. Als er 10 Minuten später ankommt erzählt er, dass 1 Std., 15 Min. vom letzten Punkt hier hoch sein Rekord seien. Äusserlich ziemlich sportlich und erst Anfang 20 weiss ich nicht ob man sich damit schmücken kann, wenn zwei fast 30-jährige, ohne Trekking Erfahrung und ein Sechzigjähriger ihm, der dies beruflich macht, auf dieser Strecke gut ein Drittel der Zeit abnehmen… Vielleicht sollte ich hier auch als Guide anfangen, die Konkurrenz ist zumindest nicht allzu gross…

Die letzten 11 Kilometer sind nun ein Spaziergang, zumal es meist bergab geht. In einem letzten längeren Gespräch mit Dayme, dank dem mein Spanisch deutlich Fortschritte gemacht haben dürfte, fragt er mich wie eigentlich die Preise seines „Amigos“ seien, der die Tour organisiert habe. Ich vermute er hat das ganze wohl für ein Trinkgeld gemacht. Von der Strasse aus sehen wir seinen Bruder Don Pedro auf dem Feld, der uns freudig überrascht begrüsst. Die Frau des Hauses läd uns dann nochmal auf eine Suppe ein, eine super herzliche Atmosphäre. Generell waren die letzten Tage weniger ein geschäftliches Verhältnis, sondern eher sowas wie ein Wander-Ausflug unter Freunden. Die letzten Kilometer runter nach Cachora ziehen sich dann doch nochmal und nachdem wir noch kurz bei unserem Veranstalter vorbeigeschaut haben besorgt uns Don Pedro jemanden, der uns nach Ramall fährt. Der Abschied hat nach dem Erlebten fast schon etwas wehmütiges und man merkt, dass es unseren Führer auch viel Spass gemacht hat und mehr als ein Geschäft war. Ich bin gespannt wie sich der Tourismus in Choquequirao in den nächsten Jahren entwickelt.

Unser „Taxi“ ist es Pick-Up, dessen Frontscheibe eine Klarsichtfolie ersetzt und statt einem Sitz finde ich mich auf einer Reihe offener Metallfedern wieder. Dazu leuchtet der Sohn unseres Fahrers von der Ladefläche mit einer Taschenlampe die Fahrbahn ab, da das Licht wohl auch nicht das beste ist… Das deutsche Pärchen mit dem wir uns treffen wollten können wir an der Plaza nicht erblicken, dafür treffen wir uns eine knappe Stunde später an der Strasse in Ramall wieder. Nach ein paar erfolglosen Versuchen reagiert ein Collectivo (Sammeltaxi) auf meinen ausgestreckten Daumen. Der Kleinbus ist proppevoll, aber geht nicht, gibt es hier nicht und so wird für die 4 Gringos die Rückbank geräumt, was zu viert in den nächsten 3 Stunden nochmal eine echte Qual ist, aber was kann uns heute noch schocken… Kurz nach Mitternacht checken wir dann um dritten mal im Yamanya-Hostel in Cusco ein und fallen halbtot ins Bett. Ein weiterer supergeiler Tripp liegt hinter uns!

Samstag geht es nun weiter zum Tititcacasee.




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