Camino Inka

13 12 2010

29.11. – 01.12.2010, Tag 55 – 57

Nach dem Frühstück machen wir uns auf zum Terminal um uns nach der Abfahrt des Busses nach Abancay zu erkundigen, aus dem man unterwegs angeblich in Ramall aussteigen kann um nach Cachora zu kommen, wo wir uns jemanden suchen wollen, der uns nach Choquequirao bringt. Das nur die wenigsten Backpacker überhaupt schon mal von der Schwesterstadt Machu Picchus gehört haben, macht deutlich, dass es sich noch um einen echten Geheimtipp handelt, sowas nach dem jeder Traveller sucht. Ich bin selbst auch nur durch Zufall darauf gestossen, als während der Südamerika-Woche im August auf 3Sat (es gibt tatsächlich Leute die den Sender einprogramiert haben ;)) eine Dokumentation darüber gezeigt wurde. Dabei musste der Reporter insgesamt 4 Tage (2 hin, 2 zurück) zu Fuss mit einem Maultiertrupp durch die Berge wandern um zu den Ruinen zu gelangen. Diese sind momentan erst zu gut 40 % freigelegt, sollen aber insgesamt drei mal so gross wie die von Machu Picchu sein. Dabei bietet sich uns nochmal die Gelegenheit auf dem Camino Inka, dem Strassennetz das zu Hochzeiten der Inkas von Ecuador bis nach Chile reichte zu wandern. Durch diese Wege an denen Läufer stationiert waren, war es z.B. möglich Nachrichten von der Küste innerhalb von 2 Tagen ins knapp 700 km entfernte Cusco im Landesinneren zu bringen.

Cachora scheint zudem so klein zu sein, dass es noch nicht mal den Einheimischen im Hostel bekannt ist. Wir haben selbst haben bei unserer Dschungel-Tour den Tipp bekommen dort jemanden anzuheuern, der uns nach Choquequirao bringt. Zwar haben die Tour-Veranstalter in Cusco es mittlerweile auch im Programm, aber für mindestens den doppelten Preis. Die Resonanz scheint hierzu auch nicht so gross zu sein, da der Aufwand mit 4 Tagen Trekking für eine Ruinenstadt, die niemand kennt scheinbar viele abschreckt. Wir hingegen kämpfen uns zunächst durch die Vielzahl an Angeboten, doch irgendwie scheint kein Bus einen Stopp in Ramall im Programm zu haben. Auch unsere Anfrage, ob man uns nicht einfach an der Strasse rauslassen kann scheint nicht realisierbar zu sein. Als wir nun endlich eine passende Verbindung finden soll diese Cusco schon in 45 Min., um 13.30 Uhr verlassen. Wir nehmen ein Taxi zurück ins Hostel, landen jedoch im Stau, steigen aus und rennen den Rest. Schnell packen und auschecken und ab geht es wieder Richtung Busstation. Dort angekommen erfahren wir, dass der Bus doch nicht in Ramall anhalten kann, man hat aber einen anderen Bus für uns im Angebot, der um 18.30 Uhr fahren soll. Nachdem wir uns für diesen entschieden haben, sagt uns die Dame am Ticketschalter, dass wir um 15.30 Uhr da sein sollen, da der Bus um 16.00 Uhr fährt. Soviel zum Thema Busreisen in Peru… Wir kehren nochmal ins Hostel zurück und suchen unsere beiden Reisebegleiterinnen, die ebenfalls heute nach Arequipa reisen wollen, da wir uns vorhin nicht verabschieden und einen Treffpunkt ausmachen konnten. Als wir niemanden antreffen hinterlassen wir einen Zettel mit Treffpunkt Samstag in Puno am Titicacasee. Manchmal frage ich mich warum ich in Deutschland ein Handy habe, es geht auch ganz locker ohne…

Der Bus entspricht nicht mehr der Luxus-Variante, die wir zuletzt genutzt haben und ausser uns sind nur Peruaner an Bord. Bei der Fahrt durch die Bergwelt zeigt sich uns zum wiederholten male eine tolle Landschaft, während im Bordfernsehen eine Best-Of Sylvester Stallone DVD läuft. Nach 3,5 Std. werde ich vom Beifahrer geweckt, der meint: “Cachora!” Sind wir jetzt schon direkt dort?! Kann nicht sein! Wir steigen aus und stehen im Stockdunkeln an einer Häuseransammlung irgendwo im Nichts an der Landstrasse. Ich frage zwei Jungs, die in einem Auto sitzen, ob es irgendwo ein Taxi nach Cachora gibt. Der eine holt seinen Vater aus dem Haus, der sich bereit erklärt uns mit dem Familienauto ins ca. 50 Min. entfernte Cachora zu bringen. Die Häuser an der Landstrasse wo wir uns gerade befinden scheinen der Ort Ramall zu sein… Als wir gerade losfahren setzen sich die zwei Jungs in den Kofferraum und eine Frau auf den Beifahrersitz – zum Glück haben sich endlich zwei Gringos gefunden, die den Sprit bezahlen! Die “Strasse” ist alles andere als was man damit bezeichnet. Tiefe Schlaglöcher lassen das Auto an allen Ecken klappern, während die Lichter im Tal nur erahnen lassen, wie steil der Hang neben uns wahrscheinlich abfällt. Unterwegs halten wir noch an einem Haus, vor dem sich mehrere Männer versammelt haben. Ein Paar mit Kind steigt zu uns auf die Rückbank und wir liefern die drei noch schnell im Krankenhaus ab, was von aussen ebenfalls nicht als solches zu identifizieren gewesen wäre.

Von der Plaza aus beginnen wir die Suche nach dem Hostel dessen Name unser holländischer Tipp-Geber leider nicht mehr wusste. Da es ausser auf der Hauptstrasse keine Strassenbeleuchtung gibt, gestaltet sich das als recht schwierig und auch die Dorfbewohner scheinen nicht richtig zu wissen, wo man hier unterkommen kann. Ein weiteres Indiz für den noch nicht angekommenen Tourismus. Nach einiger Zeit entdecken wir dann doch ein Schild und für schlappe 10 Sohlen (ca. 3 Euro) bekommen wir ein Zimmer und sogar warmes Wasser, was ich hier nicht erwartet hätte. Ich frage den Hostelier, wo man jemanden findet der uns nach Choquequirao bringen kann. 5 Minuten später stellt er uns dem Besitzer des Nachbarhostels vor (was der Holländer in seiner Beschreibung wohl auch gemeint hatte), der hier sowas wie ein Monopol auf Choquequirao-Touren zu haben scheint. Wir erklären was wir brauchen und fragen, ob wir morgen früh los können. “Si, está no Problemo!” Schon beeindruckend wie schnell das hier manchmal funktioniert, wofür man bei uns sicher mal eine Woche hätte einplanen müssen. Er telefoniert kurz mit dem Caballero, der uns mit zwei Maultieren nach Choque bringen soll, erklärt uns die Route, wir feilschen noch etwas um den Preis (ab hier alles nur noch auf spanisch) und einigen uns am Ende auf 245 Soles (ca. 60 Euro) pro Person, für unseren Führer, die 2 Mulis, Zelt, Gaskocher und Verpflegung für 4 Tage. Soviel hatten wir für die Hinfahrt und den Eintritt nach Machu Picchu bezahlt. Und dabei sind wir mit nur 2 Personen sogar noch ein wenig teurer als die 4 von denen wir die Infos hatten.

Am nächsten Morgen klopft es um 7.30 Uhr an der Tür. Unser “Organisator” steht draussen und meint alles sei “fertig”. Auch so ein Begriff, der bei nicht unbedingt dem entspricht was wir normalerweise darunter verstehen… Als wir um neun, also eine Stunde vor der geplanten Abmarschzeit eintreffen stehen die beiden Maultiere bereits auf der Strasse. Während wir frühstücken werden unsere Rucksäcke begutachtet. Da wir damit gerechnet haben diese selbst tragen zu müssen, haben wir statt den kleinen Tagesrucksäcken unsere Reiserucksäcke mitgenommen, da sie neben ausreichend Platz über ein vernünftiges Tragesystem verfügen. Allerdings landen sie nun auf einem der beiden Mulis und hierfür befinden sie die beiden Damen des Hauses für zu schwer. Also sollen wir etwas auspacken, was schwierig ist, da wir nur das nötigste dabei haben. Zum Glück sieht Dayme, unser Führer das anders und so packen wir wieder ein. Ich werde ins Büro gerufen um nochmal die Details zu besprechen. Bei sowas ist man hier genau. Als wir uns in das Register eintragen sehe ich zwei Seiten vorher die Gruppe des Holländers, die breits im September hier waren. Dazwischen liegen vielleicht 10 Personen, reger Betrieb ist was anderes. André geht derweil mit der Chefin die Verpflegung einkaufen (soviel zum Thema “alles fertig”). Der hierfür angesetzte Preis schien mir etwas hoch, aber als André sogar das Restgeld ausgehändigt bekommt, habe ich zum ersten mal beim Bezahlen einer Tour nicht das Gefühl übers Ohr gehauen zu werden.

Als die Tiere bepackt sind geht es los. Wir laufen die fast menschenleeren Gassen runter, binden die Mulis kurz an eine Laterne, um vom Restgeld nochmal Wasser zu kaufen und ziehen dann weiter. Das einzige Verkehrsmittel was uns hier begegnet sind ebenfalls 4-Beiner, man fühlt sich wie vor 100 Jahren. Als wir in Comeña, wo Daymes Familie lebt, ankommen verabschieden wir uns nach einem kurzen Fotoshooting von seinem Bruder Don Pedro, der uns auf den knapp 5 km von Cachora die Namen von verschiedenen deutschen Generälen im 2. Weltkrieg um die Ohren gehauen hat, um damit seine Sympathie für Alemania zu zeigen. Wir laden den Gaskocher, der sonst wahrscheinlich in der Küche des Lehmgebäudes steht, auf das zweite Muli. Eigentlich war dieses zum Reiten gedacht, da wir im insgeheimen planen die Strecke in 3 statt 4 Tagen zu bewältigen. Die ersten 11 der insgesamt 32 km sind noch vergleichsweise harmlos. Es geht eine ähnliche Schotterpiste entlang, wie wir sie gestern mit dem Auto gefahren sind. Der Weg ist mit Baggerspuren durchzogen, den Grund erfahren wir ein paar Kilometer weiter, wo ein Erdrutsch die Strasse zugeschüttet hat und nun Aufräumarbeiten laufen. Ich frage mich für was, da ein paar hundert Meter weiter diese endet…? Plötzlich stoppt Dayme und deutet auf den Boden: Eine Schlange, die so meint er zumindest, giftig ist. Wir erreichen den ersten von zwei Pässen, die wir auf unserem Weg überqueren müssen, in 2850 Metern Höhe. Vor uns öffnet sich das Tal mit dem Rio Apurimac, der später in den Amazonas mündet. Eine traumhafte Landschaft mit dem Salkantay-Gebirge im Hintergrund, dessen Gipfel jedoch leider im Nebel liegen.

Auf dem Weg nach unten durchqueren wir Kakteenfelder und mit den beiden Mulis, die vor uns hertroten kommt eine echte Wild-West Atmosphäre auf, wie ich sie bisher nur aus Filmen gekannt habe. Zwischen Dayme und mit beginnt eine muntere Unterhaltung und am Ende des Tages habe ich gefühlt mehr Spanisch gesprochen, als auf der kompletten Reise. Zwar nicht immer flüssig, aber irgendwie versteht man sich. Kurz bevor wir das Tal erreichen werden die Wege steiler und bestehen fast ausschliesslich aus Geröll. Wahnsinn, dass die Tiere hier runter kommen, wo ich ohne Gepäck schon Probleme habe nicht abzurutschen. Als wir im Tal des Rio Apurimac auf 1500 m angekommen sind, erblicken wir die ersten Anzeichen der beginnenden touristischen Erschliessung. Hier werden erste Häuser errichtet, von wo aus in absehbarer Zeit dann wahrscheinlich ganze Horden nach Choquequirao pilgern werden. Allerdings wundere ich mich, wie die Masse an hochwertigen Baumaterialien hierher geschafft werden konnte?! Vielleicht über den Fluss, dessen niedriger Wasserstand an den freiliegenden riesigen Steinen zu sehen ist, auf denen die Hängebrücke befestigt ist. Wir passieren Kilometer 21. Unser Nachtlager befindet sich hinter Kilometer 24 auf 2300 Meter Höhe. Also mal schlappe 800 Höhenmeter den Berg hinauf. Wir gehen vor, Dayme folgt mit den Mulis. Nach jeder Schleife folgt eine weitere und es wird immer steiler und der Untergrund immer unwegsamer. Kilometer 22, Kilometer 23, wann kommt endlich der besch… Kilometer 24?! Ein nicht enden wollender Marsch, mittlerweile sind wir gute 7 Stunden unterwegs und es dämmert. Dann endlich, nach etwas über eine Stunde haben wir es geschafft. Ein ordentliches Tempo haben wir da vom Fluss aus vorgelegt, meint Dayme, der mit seinen 60 Jahren aber auch noch richtig gut in Form ist.

Auf der kleinen Ebene von Santa Rosa haben die Bauern eine Art Campingplatz eingerichtet, wo man sein Zelt aufschlagen, sich am Gebirgsbach waschen und Getränke kaufen kann. Während es zu regnen beginnt bauen wir schnell das Zelt auf und gegeben uns dann zum Abendmahl in die Lehmhütte, wo Dayme ein richtig gutes Essen bereitet. Glücklicherweise haben wir unser Geschirr dabei, denn unser Organisator hat es wohl vergessen… Eine kleine Unprofessionalität, die diese Tour ungemein sympathisch macht. Bevor ich mich in meinen Schlafsack packe gibt es noch eine Dusche unter dem Rohr, das aus dem Bach abgezweigt wurde – Warmduscher braucht mich nun niemand mehr zu nennen 😉

Am nächsten Morgen höre ich durch die Zeltwand: “Rolando, Desayuno!” Das Frühstück ist fertig und meinen Spitznamen habe ich nun auch gleich mal weg. Ich sehe auf die Uhr und mir fällt das Datum auf: 1. Dezember, krass! Ich gehe in Shorts vor das Zelt und begrüsse die Morgensonne, während der Nebel sich lichtet. Bereits während wir noch die Sachen zusammenpacken beginnen mich die Moskitos aufzufressen, fast so wie im Dschungel. Als Frühsport stehen weitere knapp 800 Höhenmeter, verteilt auf 4 km an, bis wir unser “Basislager” in Marampata erreichen. Bei sengender Sonne schleppe ich mich den Berg hinauf. Unserem Führer scheint das ganze auch nicht so leicht zu fallen, neben zahlreichen Pausen hält er sich meist am Schwanz eines der Mulis fest und lässt sich ziehen, in seinem Alter aber auch keine Schande. Ich frage mich in solchen Momenten ja doch des Öfteren warum ich sowas wie hier eigentlich mache. Heute Morgen kommt mir der Gedanke: “Was würde ich jetzt in Deutschland machen?” Wenn das keine Motivation ist J Nach knapp 2 Stunden erreichen wir Marampata auf 2850 m und erblicken hinter dem nächsten Berg Choquequirao.




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