Amazonastour I

18 11 2010

05.11.2010

Die Spannung steigt, um 10.00 Uhr sollen wir an unserem Boot, der „Eduardo III“ im Hafen von Yurimaguas sein. Die Fahrt den Rio Guallaga hinunter, der in den Rio Marañon mündet, der wiederum mit dem Rio Uyacalli kurz vor Iquitos den Amazonas bildet, der (so würde ich mal behaupten) eines der Symbole dieses Kontinents darstellt. Da ich wahrscheinlich in Brasilien nicht die Möglichkeit haben werde nochmal ins Amazonasgebiet zu reisen, habe ich diesen Abschnitt eingeplant, auch wenn der Fluss hier noch nicht seine unfassbare Grösse -an der breitesten Stelle braucht man mit dem Kanu drei Tage um an das andere Ufer zu gelangen- hat. Unser Ziel, die Dschungelmetroploe Iquitos ist die weltweit grösste Stadt, die nicht auf dem Landweg erreichbar ist. So muss alles was nicht vor Ort vorhanden ist mit dem Flugzeug oder Schiff herbeigeschafft werden. Und auf einem der letzteren haben wir uns nun eingebucht.

Morgens decken wir uns noch schnell mit frischem Obst ein, so dass wir mit unseren bereis gestern erstandenen Vorräten gut gerüstet sind. Der Verpflegung an Bord eilt wie allen anderen Reiseumständen kein besonders guter Ruf voraus. Pünktlich um zehn sind wir am Ableger, wo wildes Treiben herrscht. Am Eingang zum Hafen springt jemand hinten auf unser Motoradtaxi auf, der Amigo der uns gestern die Kajüte vermietet hat. Den Platz für unsere Hängematten hat er uns ebenfalls noch reserviert, Glück gehabt. Wir hatten schon befürchtet im stikigen Unterdeck, wo seltsamerweise alle Einheimmischen sich ihre Plätze gesichert haben, schlafen zu müssen und die ganze Nacht den Motorenlärm im Ohr zu haben. Nun hängen wir direkt an erster Position wo es raus zu den Kabinen und zur Brücke geht. Die Rucksäcke verstauen wir in der Kabine, da auf den Schiffen nichts sicher sein soll. So kostet uns die Passage unabhängig von der Dauer 110 Soles (ca. 30 Euro) für Schlafplatz, Transport und 3 Mahlzeiten am Tag. Als wir alles verstaut haben, erfahren wir, dass das Schiff erst um 14.00 Uhr ausläuft, also fahren wir nochmal in die Stadt, gehen über den wuseligen Markt und ich kaufe mir ein Moskitonetz.

Zurück auf der Eduardo ist das Chaos in vollem Gange. Nebenan hat die grosse Schwester angelegt und irgendwie muss ein LKW, der vorne auf der Ladefläche steht an Land gebracht werden. Auf dem schlammigen Untergrund werden zwei Holzbolen als Steg angelegt und mit Paletten und zusammengeschnürrten Bambusrohren unterbaut. Nachdem der erste Versuch erwartungsgemäss scheitert ist der ganze Hafen in heller Aufruhr und die Anzahl derer, die zu wissen meinen wie man das Problem am besten löst steigt minütlich. Von der Baukunst der Inka scheinen die Anwesenden wenig in den Genen zu haben… Nach etwa 20 Min. startet der nächste Versuch, dabei rutscht das Vorderrad von der Holzplanke und der LKW setzt mit dem Tank auf. Währenddessen hat sich eins der Rinder losgerissen und scheucht die ohnehin schon nervöse Meute weiter auf. Eine weitere Holzbohle wird herbeigeholt und ein paar Wagemutige kriechen unter den Wagen um den perfekten Platz zu finden. Diesmal scheint es zu funktionieren, doch der Fahrer lenkt aus undefinierbaren Gründen ein, so dass der Laster kurz vor dem Ziel wieder abrutscht und nun in Schräglage mit einem Rad in der Luft hängt. Aber unsere peruanischen Freunde sind so leicht nicht einzuschüchtern und nach weiteren Unterbaumanövern gelingt es das Fahrzeug tatsächlich an Land zu bringen. Zwischenzeitlich hat ein kleiner Jung mit einem Lasso auch das Rind wieder eingefangen und zieht es nun zurück zu den anderen. Bei einer Portion Reis, die ich in einem Palmenblatt serviert bekomme, beobachten wir die Träger beim Beladen des Nachbarschiff. Dabei trägt jeder je einem Sack á 50 kg auf dem Rücken und einen auf dem Kopf, kein schlechtes Training!

Mit einer Stunde Verspätung legen wir ab. Am Ruder steht zu meiner Verwunderung nicht der uniformierte Kapitän, sondern unser Taxifahrer von gestern…war dann wohl nu rein Nebenjob^^Das Oberdeck ist nahezu leer. Wo sonst bis zu 100 Hängematten aufgeknüpft sind, hängen nun gerade mal zehn. Neben uns noch Simon, ein Deutsch-Peruaner, den wir aus dem Hostel kennen, und Sarah und Steve, ein englisches Pärchen mit denen ich mich die nächsten Stunden über Reiseerlebnisse und Pläne austausche. Wenn mein Spanisch schon so wäre wie mein Englisch mittlerweile wieder ist wäre ich hoch zufrieden. Am Ufer des Rio Guallaga, der obwohl nur ein kleinster Zufluss des Amazonas, wohl gut die Breite des Rheins hat, zeigen sich kleine Dörfer mit Holzhütten und wir beobachten die Fischer in ihren Einbäumen. Auf dem Fluss treibt allerlei Holz und wahrscheinlich noch viel mehr was dort nicht hingehört. Nach wie vor werden Flüsse als Mülltonne betrachtet, daran ändern auch die Schilder an Bord wenig, die darauf aufmerksam machen, dass die Kompostierung einer Plastikflasche 200 Jahre dauert.

Um die Atmosphäre einer solchen Fahrt richtig zu spüren hatte ich mir ein volles Schiff gewünscht, aber im Hinblick auf Sicherheit und den Zustand der sanitären Anlagen ist es so auf jeden Fall besser. Um 18.30 Uhr hören wir ein Klopfen auf Metall – Abendessen! Nach vorzeigen unseres Fahrscheins erhalten wir eine gar nicht so schlechte Portion Hühnchen mit Reis und Kartoffeln. Zum Glück habe ich mir gestern noch einen Teller gekauft, sonst müsste ich wie andere aus einer längs aufgeschnittenen Wasserflasche essen. Anschliessend beginnen wir die Moskitonetze über den Hängematten aufzuspannen. Steve nimmt dazu mein Panzertape, ich versuche ohne klar zu kommen, um das Netz weiter zu verwenden. Mit meiner “Drachenschnurr”, die ich ebenfalls eingepackt habe befestige ich das Netz an allen vier Enden etwa mittig über der Hängematte und lege die unteren Enden hinein, so dass es einen geschlossen Käfig bildet sobald ich mich hineinlege – fertig! Der Engländer betrachtet es anerkennend und wie so oft höre ich auf dieser Reise, dass wir Deutschen perfekt sind und ausserdem die besten Autos bauen 😉 Währendessen kämpft André nebenan wie so oft mit seinem Hightech-Moskitionetz, welches laut Anleitung in 5 Sek. aufgestellt sein soll. Dabei steht er symbolisch für eine ganz wichtige Lektion: Bringe nichts von zu Hause mit, was du vor Ort praxiserprobt und mit Sicherheit billiger kaufen kannst.

Zur Feier des Tages beschliesse ich gleich mal zu duschen, wer weiss wie voll das Boot unterwegs noch wird. Ich bin mir nicht sicher, ob es der Anblick des kalten klaren Wassers war, dass aus einen einfachen Rohr aus der Decke läuft, während nebendran in der offenen Toilettenschüssel das Flusswassers hin und her schwappt, oder meine Ansprüche nach 4 Wochen soweit gesunken sind, dass ich dies zum “Moment des Tages” erkläre. Nachdem ich zur Insektenabwehr helle Kleidung angelegt habe gehe ich in den Bug wo ein Matrose mit einem Handscheinwerfer für wenige Sekunden aufblendet, den Fluss nach Fischerbooten absucht und anschliessend für einige Zeit wieder Dunkelheit herrscht. Der Steuermann pfeift vor sich hin und ich finde es erstaunlich wie sie dieses Riesenschiff ohne jegliche technische Hilfsmittel bei dem niedrigen Wasserpegel navigieren. Die Ufer des Flusses sind nur dunkel erkennbar, aber als ich den Himmel einige Zeit betrachte wird es heller und heller. Ich habe noch nie so einen Sternenhimmel gesehen, ein guter Schlusspunkt um sich in die Matte zu hängen, wo es mittlerweile durch einen starken Wind gar nicht mehr allzu warm ist, und gespannt zu erwarten wie meine erste Nacht auf dem Wasser wird…




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