Riobamba

27 10 2010

24.10.2010

Um 5.30 Uhr starten wir den Versuch uns zu dritt im Bad und beim packen nicht ständig auf den Füssen zu stehen. Um kurz nach sechs sind wir am Bahnhof, wo sich neben zwei Schienenbussen Touri-Gruppen versammelt haben. Wir scheinen die einzigen Backpacker zu sein. Wir gehen zum Ticketschalter, wo man uns zu verstehen gibt, dass der Zug ausgebucht ist. So ein Mist, der ganze Stress umsonst! Wir sind etwas zerknirscht, beratschlagen ob wir auf die nächste Fahrt am Dienstag warten oder mit dem Bus nach Cuenca, unserem nächsten Ziel, weiterfahren. Ich schlage vor auf jeden Fall zu warten, bis der Zug abfährt, hier weiss man ja nie was noch passiert…

Als die Passagiere am Einsteigen sind, spricht uns plötzlich eine Frau auf deutsch an und meint sie habe noch 2 Tickets von ihrer Reisegruppe übrig. So ein Glück und Pech zugleich, denn wo nehmen wir nun den 3. Platz her?! Wie gerufen steht auf einmal ein junger Typ da und bietet uns ein weiteres Ticket an – gibt es gar nicht! André kauft es für 10 statt der eigentlichen 11 $, ich erkläre dem Schaffner, da mir die passenden Vokabeln nicht einfallen, mit Händen und Füssen, dass wir nun doch mitfahren und der Zug noch warten soll. Ich eile zurück, wo Theresa gerade die Namen für die Reisendenliste diktiert hat und will bezahlen. Da entgegnet mir die Frau, die Tickets sind schon bezahlt und sie schenkt sie uns. Wenn´s läuft dann läuft´s! Quasi im losfahren werfen wir die Rucksäcke auf die Plattform und springen auf. Neben uns erhebt sich der Chimborazo, der grösste Berg Ecuadors. Alles hängt an den Fenstern und die Kamera surren. Wir blicken uns um und merken, dass wir tatsächlich in einem echten Touri-Express sitzen, dessen Altersschnitt wir deutlich senken.

Die Zugstrecke Riobamba – Sibambe, eine der letzten intakten des Landes, ist dafür bekannt, dass sich der Zug auf dem letzten Stück zwichen Alausi und Sibambe über die sogenannte „Nariz del Diablo“ (Teufelsnase) knapp 800 Höhenmeter in die Tiefe stürzt. Bis 2008 konnte man auf dem Dach der Güterwagons mitfahren. Nach einem Unfall wurde dies verboten. Zwischenzeitlich gab es dann die Variante mit den aus LKWs gefertigten Schienenbussen, mit denen wir nun auch unterwegs sind und welche Sitzbänke und Geländer auf den Dächern hatten – Abenteuer light! Mittlerweile gibt es aber auch dies nicht mehr und alles muss auf seinen Plätzen bleiben, wobei der Grossteil unseres Wagens es trotz Leiter wohl auch nicht auf das Dach geschafft hätte… Nun ist allerdings auch noch der entscheidende Teil der Strecke wegen Renovierungsarbeiten bis 2011 gesperrt, also eigentlich alles was diese Zugfahrt ausmacht und für uns eines der Highlights in Ecuador werden sollte, fällt weg. Aber so läuft das des Öfteren: Abenteuerlustige entdecken eine Attraktion, die zunächst nur per Mundpropaganda oder heutzutage in entsprechenden Internetforen weitergegeben wird. Dann wird aber irgendwann eine Touri-Attraktion daraus gemacht, bis das ganze vollkommen seinen Reiz verloren hat. Schade drum, aber wir werden sicher noch weitere Geheimtipps auf dieser Reise bekommen, die dann auch tatsächlich welche sind.

Bis zum ersten Stopp in Balbanera gibt es nicht viel zu sehen. Wir steigen aus und die Panamericana wird komplett gesperrt, damit unsere Mitreisenden sicher den Weg zur ältesten katholischen Kirche des Landes (1534) finden. Wir fühlen uns wie im falschen Film… Die Reiseleiterin kommt nochmal zu uns und bittet bereits beim nächsten Halt in Gutamole auszusteigen. Am Ende der Fahrt gebe es eine Kontrolle und da wir kein Rückfahrticket haben würde sie Probleme bekommen. Wir willigen ein, da wir von der Tour sowieso etwas enttäuscht sind. Das interessanteste befindet sich eigentlich innerhalb des Zuges und läuft auf zwei Beinen. Wie eine aufgescheuchte Affenherde lichtet die Meute, die sich scheinbar gerade gemeinsam im Outdoorladen komplett für diese “Abenteuer-Tour“ eingekleidet hat, alles ab was sich nicht wehren kann, und selbst dann hat mein keine Chance. “Schau, die Frau schöpft den Kaffee mit einer Kelle aus einem Topf, ob die hier keine Kaffeemaschinen haben?“ – “Ach der arme Hund, wenn ich könnte würde ich direkt mit ihm zum Tierarzt gehen.“ Klar und wenn wir alle Tiere des Landes gesund gepflegt haben, kümmern wir uns dann irgendwann um die Menschen, die hier täglich in den Slums an Unterversorgung sterben. Leider sieht man das aus dem Zugfenster nicht, nur eine Schaafherde, die auf dem Dach eines Busses steht.

Der zweite Halt auf einem Markt in Gutamole ist auch nicht weiter spektakulär. Wir schenken einem Mädchen ein Marmeladen-Toast, dass uns beim improvisierten Frühstück beobachtet. Unser Sitznachbarn fotografieren, als hätten sie gerade einen Ausserirdischen gesehen. Dann erfahren wir, dass wir doch bis zur Endhaltestelle weiterfahren dürfen, also geht es ohne weitere Highlights bis nach Palmira, einem Wüstenkaff im Nirgendwo.

Von dort machen wir uns zu Fuss auf zur Panamericana. Wenn wir wegen dieser Tour nun 3 Tage in Riobamba rumgehangen hätten, wäre ich sichtlich enttäuscht gewesen. So freuen wir uns umsonst ca. 200 km weiter gekommen zu sein und beschweren uns nicht, sondern bedanken uns nochmal für die Einladung. An der Strasse treffen wir Lisa, die wir bereits aus dem Secret Garden kennen. Ich nutze die Wartezeit zu einem Fotoshooting auf der Panamericana, der längsten Strasse der Welt, die von Alaska bis nach Feuerland führt und die erste Inspiration für diese Reise war. Wir halten den nächsten Bus an und machen uns auf nach Cuenca.

Über enge Pisten, neben denen der Hang mehrere hundert Meter steil ins Tal abfällt (was den Fahrer nicht von riskanten Überholmanövern bei nicht einsehbaren Kurven abhält…), geht es aus dem Hochland runter in das hübsche Cuenca, drittgrösste Stadt des Landes. Das 4. Hostel das wir ansteuern hat einem schönen Innenhof und sagt uns auch sonst zu. Den Rest des Tages wird vom Reisealltag ausgefüllt: Auspacken, Waschen, Reiseplanung und Blog schreiben 😉

Ein letztes Highlight bietet unser Hochbett: Als André gerade aufsteht um ins Bad zu gehen, klettere ich hoch uns lasse mich nieder. Da tut es einen Schlag und ich merke, dass die Matratze in der Mitte durchhängt. Auf Andrés Bett liegt ein Holzbrett, was von der max. 1 cm breiten Auflage gerutscht ist. Unsere französiche Bettnachbarin lacht und der Engländer auf der anderen Seite des Zimmers meint vor paar Tagen hätte jemand drin gelegen, als das Brett runter kam… Ein guter Einstand in Cuenca.



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