¡Hola Peru!
2 11 201028.10.2010
Wir beginnen den Tag mit einem amerikanischen Frühstück, wobei sich unser US-Boy morgens um neun gleich mal ein Mittagessen reinhaut. Um 10.00 Uhr soll der Bus fahren. Wir sind natürlich spät dran und traben zum „Terminal“, das sich in einem Hinterhof befindet in dem mehrere Kleinbusse stehen, wo wir wiederum noch 45 Min. bis zur Abfahrt warten. Unser Bus hat seine besten Zeiten sichtbar hinter sich und die Frontscheibe könnte man eher als Mosaikfenster bezeichnen. Normalkapizität ware bei uns wahrscheinlich 7 – 8 Personen, aber dank Umbaus und Dachgepäckträger passen nun 16 – 20 Fahrgäste rein, die wir auf der Fahrt auch mehrmals ausreizen. Mein gefiederter Sitznachbar braucht etwas weniger Platz und ich überlege ob es am Geschlecht liegt, dass Hähne mit in den Bus dürfen und Hühner in den Gepäckraum kommen…am Abend zuvor hatten wir ein Erlbenis mit einem Wachmann vor der Bank. Anja fragte nach einem anderen Geldautomaten und als André und ich dazukommen begrüsst er uns per Handschlag und führt das Gespräch nun auch nur noch ausschliesslich mit uns. Vom ersten Eindruck her scheint die Gleichberechtigung von Mann und Frau hier noch nicht vollzogen zu sein.
Die Landschaft, die an uns vorbeifliegt ist wieder komplett anders als in Ecuador. Reisfelder neben einem Fluss prägen das Bild und im Hintergrund erhebt sich die Cordillera. In Jaen müssen wir in den nächsten Kleinbus umsteigen. Jeffrey und ich bekommen, wohl wegen unserer Körpergrösse, die Beifahrerbank zugewiesen, wobei Jeffrey sich mit dem Schaltknüppel zwischen seinen Knien anfreunden muss. Wir nutzen die Zeit uns über Sport zu unterhalten, während wir eine kleine „Golden Gate Bridge“ überqueren und Amazonien erreichen. Jefffreys Bruder ist Ruderer und er selbst spielt Fussball, wodurch sich genug Themen ergeben. Als ich ihm das deutsche Ligasystem erkläre fragt er mich, ob man in der dritten Liga viel trainieren muss. Das Vollprofitum will er mir nicht wirklich abkaufen und als ich erkläre, dass man fast bis in den untersten Klassen fürs Fussballspielen Geld bekommt ist er vollkommen entsetzt (Gruss an meine Fussballerfreunde ;)).
Gegen 15.00 Uhr erreichen wir Bagua Grande, von wo aus Abends ein Bus nach Chachapoyas, unserem Zielort gehen soll. Allerdings weiss keiner wann und wo er fährt und eine Nachtankunft versuchen wir bisher zu vermeiden. Ein weiterer Kleinbus soll 20 Soles (ca. 6 Euro) pro Person kosten. Für 3 Std. eigentlich zu teuer, da wir für die bisher deutlich längere Strecke gerade mal 15 Soles bezahlt haben. Wir handeln auf 18 runter und unser Fahrer steht mit einem normalen PKW vor uns. Für 5 Personen mit Gepäck unmöglich, da erfahrungsgemäss maximal 3 Rucksäcke in den Kofferraum gehen. Wir sollen mit zum „Terminal“ kommen, wo er einen Kombi mit Dachgepäckträger hat. Auf der Hauptstrasse stoppt die Polizei unseren Busfahrer, der uns kulanterweise dort absetzen wollte, da er die Rucksäcke auf dem Dach nicht gesichert hat. Ruck Zuck hat sich um die beiden Polizisten eine Menschentraube gebildet und es wird wild diskutiert. Unser neuer Fahrer tut sich hier besonders hervor und scheint um keine Ausrede verlegen. Irgendwie habe ich bei dem Typ kein gutes Gefühl sage ich zu den anderen… Vom Terminal brüllen werden weitere Kommentare herübergebrüllt und zwischendrin verscuht ein Eismann seine Ware an den Mann zu bringen.
Nach langem hin und her laden wir ab und gehen den Rest zu Fuss. Am „Terminal“ von Chachapoyas-Tours, das bei uns die Bezeichnung Garage mit ungeteertem Hof und offener Toilette erhalten würde, entdecken wir nun zwei der PKWs. In dem einem sitzen bereits 2 Peruanerund wir sollen uns nun aufteilen. Der Preis steigt nun aber plötzlich auf 22 Soles was die nächste Diskussion mit sich bringt. Hier geht es allerdings mehr ums Prinzip. Untereinander noch etwas uneinig laden Theresa und ich unsere Rucksäcke wieder aus, woraufhin der Preis auch prompt wieder sinkt. Dieses Spiel muss man hier leider mitmachen. Als wir gerade losfahren wollen wird das zweite Auto mit Jeffrey umbeladen und seine Tasche kommt auf die Mittelkonsole und dazu insgesamt 4 Personen auf die Rückbank, wobei die beiden aussen ihre Köpfe aus dem Fenster halten mússen – viel Spass…
Es folgt sofort eine rasante Fahrt, erst durch den Stadtverkehr dann über die Landstrasse. Das Auto entpuppt sich als völliger Schrotthaufen. Neben wildem klappern scheinbar aller Teile und einer wippenden Motorhaupe, muss der Fahrer das Lenkrad eine viertel Drehung nach rechts ziehen um gerade zu fahren. Mein Beifahrersitz geht bei jedem Bremsen mit nach vorne, und von dort kommt mir durchweg das Amaturenbrett entgegen und es funktioniert weder Geschwindigkeitsanzeige noch Drehzahlmesser – und ich komm wegen einer defekten Lichtweitenregelung nicht durch den TÜV… Unsere kleinen Differenzen von eben verucht der Fahrer mit Witzen wett zu machen. Er fragt nach meinem und Andrés Namen und erkundigt sich nach unserem Amigo im anderen Auto. Die Frauen werden ignoriert. Wir peitschen durch ein Pfütze, bei der André durch das geöffnete Fenster eine unfreiwillige Dusche erhält, und unser Freund am Steuer betätigt den ca. 20 cm langen Frontscheibenwischer. Wir erreichen eine Baustelle vor der sich eine Schlange gebildet hat, die für uns aber scheinbar keine Bedeutung hat. Wir ziehen auf der Gegenfahrbahn vorbei, ignorieren die wild pfeifende Ampeldame und als uns in der Baustelle Autos entgegen kommen weichen wir kurz in die Böschung aus, hupen und weiter geht´s mit voller Geschwindigkeit! Wehe es beschimpft jemand nochmal Max wegen seines Fahrstils 😉
Nach einer Stunde unter dem Motto „auf der Gegenspur ist der Belag immer besser“ erreichen wir eine weitere Baustelle, vor der wir diesmal gestoppt werden. Aber wir stehen nun in erster Reihe. Wir fahren los, als wir aus der Baustelle raus sind starten wir sofort das nächste Überholmanöver. Ich merke ein ruckeln auf meiner Seite, bei frisch geteerter Fahrbahn doch ungewöhnlich. Als wir anhalten bestätigt sich meine Vermutung: Reifenpanne! Der Fahrer, nun gar nicht mehr der Scherzkeks, sucht nach Werkzeug und legt Steine vor die Reifen, da die Handbremse natürlich auch nicht funktioniert. Ich halte die Stelle am Hang hinter einer Kurve mit einspuriger Verkehrsführung für ungeeignet, da jeder vorbeidonnernde LKW uns mitzureissen droht. Trotzdem finden wir die Situation noch amüsant und witzeln „das ist Südamerika“. Ich frage nach warum wir nicht den Ersatzreifen im Kofferraum aufziehen, er zeigt mir daraufhin das ebenfalls platte Rad und steigt anschliessend mit dem abmontierten Reifen in ein Motorradtaxi.
Ich schlage vor zur Ansiedlung zu gehen und wir betrachten die ärmlichen Häusern, die mit Wahlwerbeslogans bemalt sind, die den Anwohnern wohl Elektrizität versprechen. Die Landschaft in nett, an einer Flussmündung sieht man wie sich zwei Wasserläufe mit unterschiedlichen Farben paaren. Als wir nach über eine Stunde zurúck zum Wagen gehen ist von dem Fahrer keine Spur…es wird dunkel und die Situation auf der Strasse damit nicht ungefährlicher. Wir versuchen den Kofferraum, der nur mit einem Seilzug funktioniert, zu öffnen. Nachdem dies geschafft ist packen wir die Rucksäcke und gehen zurück zu den Häusern. Vorher stelle ich als ordentlicher Verkehrsteilnehmer noch ein gelbes Hütchen (anstelle eines Warndreiecks) auf, welches ich im Kofferraum gefunden habe. Jedoch bezweifel ich dessen Wikrkung. Wir fragen, ob wir uns auf die Bank vor einer der Hütten setzen dürfen und die Bewohnern bringen sofort ihre halbe Wohnungseinrichtung auf die Strasse. Es wird dunkel und das heisst hier stockdunkel, denn es gibt tatsächlich kein Licht. Wahrscheinlich auch wegen uns werden Taschenlampen und Kerzen rausgeholt und wir sehen dabei den spärlich eingerichteten Wohnraum. Scheinbar sitzen die Bewohnern jeden Abend vor der Tür, wo sie das Licht (und die Staubwolken) der vorbeirasenden Fahrzeuge abbekommen. Bei jedem Lichtstrahl werden wir von den Kindern neugierig gemustert. Wir schenken ihnen ein paar Süssigkeiten, die wir noch bei uns haben.
Das Motorradtaxi kommt zurück. André dessen Rucksack im anderen Auto und wahrscheinlich schon irgendwo in Chachapoyas ist geht zurück, um den Rest unserer bereits bezahlten Fahrt zu beanspruchen. Nach einer halben Stunde rasen die beiden vorbei und wir stellen fest, das wir auch ohne jegliche Rückbeleuchtung unterwegs sind. Unter lautem „Vamos, vamos“ steigen wir ein. Die Stimmung ist angespannt und da ich beim schliessen des Kofferraums aus Versehen das Seil nach innen habe fallen lassen und der Fahrer nun unter der Rücksitzbank in den Kofferraum kriechen musste um diesen zu öffnen macht seine Laune nicht besser.
Was nun folgt übertrifft alles was ich unter dem Motto „Amokfahrt“ je erlebt habe. Wer die Geschichte meiner Autobahnrallye in Bangkok kennt, weiss das die Messlatte hoch liegt… Der Fahrstil von vor dem Stopp wird fortgesetzt, jetzt nur ohne Brille und mit kaum Beleuchtung aber dafür mit voller Geschwindigkeit. Rechts links vorbei, immer wenn möglich Gegenfahrspur und jedes Warnschild wie „Geschwindigkeit senken“ oder „Achtung Kurve“ wird zum Anlass genommen nochmal aufs Gas zu drücken. Auf der Gegenfahrspur, überholt ein PKW einen Laster und nimmt uns beim einscheren fast mit. Als beide Fahrzeuge vorbei sind, stelle ich fest, dass wir plötzlich kein Licht anhaben, aber unser Amigo schimpft wie ein Rohrspatz. Auf der Fahrbahn liegen Fussballgrosse Felsbrocken und weiteres Geröll, egal. An einer Tankstelle halten wir um Luft nachzufüllen, wir hatten schon vermutet, dass der Reifen wohl nur geflickt wurde.
Wir beraten, ob wir aussteigen und irgendwann den Bus nehmen (ja soweit war ich ;)), aber da nirgendwo eine Stadt in der Nähe ist müssen wir uns weiter dem Wahnsinnigen anvertrauen. Wir springen über unseren Schatten und bitten langsamer zu fahren, was er ablehnt und weiter beschleunigt! Ich erstelle einen „Notfallplan“ wie ich mit meinem losen Sitz einen möglichen Frontallaufprall überleben könnte. Ich klemme meine Tasche als Polster vor das Armaturenbrett und stemme mich mit dem linken Bein dagegen. Hinter uns will ein scheinbar noch Bekloppter uns überholen, woraufhin wir in die Fahrbahnmitte wechseln und ihn trotz permanenter Lichthupe nicht vorbeilassen.
Nach einem zweiten Stopp zum Luft nachfüllen haben wir noch eine Stunde – eine Ewigkeit, denn die Uhr scheint zu stehen. Als die hälfte geschafft ist ändert sich der Fahrstil auf einmal und wir schleichen fast durch die Gegend. Das herumleuchten im Anzeigenbereich deute ich dahin, dass der Sprit zur Neige geht. Da man sich nun aber nicht mehr auf´s Fahren konzentrieren muss werden SMS geschrieben und das USB-Radio zusammengebaut und eingestellt. Um 21.00 Uhr sind wir endlich am Ziel. Wir bitten uns am Hostel rauszulassen, was aus deutscher Sicht Service wäre. Er erwartet aber scheinbar ein Trinkgeld für die verlorene Zeit sowie die Kosten für Reifenreperatur und Taxi. Das sehen wir nach der Fahrt nicht ein, steigen aus und mir fällt „zufällig“ schon wieder das Seil beim zumachen in den Kofferraum 😀
In der dunklen Gasse in der wir uns befinden steht plötzlich Jeffrey hinter uns. So erhält André sein Gepäck und Anja ihr Geld was sie ihm geliehen hatte. Keine Ahnung wie wir ihn sonst kontaktiert hätten… Der Hosteltipp fúr 6 Euro die Nacht entpuppt sich als wahrer Traum in unserer Situation und das Restaurant, dass uns der Hotelier empfiehlt lässt auch keine Wünsche offen. Grosse gute Portionen für kleines Geld. Eine kleine Entschädigung für den chaotischen Tag!