Chachapoyas

4 11 2010

29.10. – 01.11.2010

Freitag Morgen wache ich mit einem fiebrigen Gefühl auf. Auf dem Fieberthermometer stehen 38 Grad. Nichts wo ich mir normalerweise Gedanken machen würde, aber nach dem Frühstück fühle ich mich dermassen platt, dass ich wieder ins Bett gehe und auf den für heute angesetzten Stadtrundgang verzichte. Am Nachmittag gehe ich dann alleine mal eine kleine Runde durch Chachapoyas, kurz Chacha, was mit die sicherste Stadt des Landes sein soll. Danach fühle ich mich allerdings als hätte ich einen Marathon gelaufen und so widme ich mich den Rest des Tages dem peruanischen Fernsehprogramm, dessem 60 Sender mit Top-Filmen und Live Spielen aus Premier-League und Primera Division gespickt sind.

Samstag stehen die anderen um 4.00 Uhr auf um die Tour zum Gocta-Wasserfall, einer der höchsten der Welt zu unternehmen. Ich muss leider wieder verzichten, da ich mich keineswegs besser fühle und die ganze Nacht mit Schüttelfrost zu kämpfen hatte. Als sich am Vormittag weitere beunruhigende Symptome hinzu gesellen, beschliesse ich einen Arzt aufzusuchen. Da ich allerdings die Begriffe für die Krankheitserscheinungen nicht auf spanisch übersetzen kann, begebe ich mich ins Internet-Café und suche anschliessend zunächst unseren Englischsprachigen Hotelier auf, um mir einen Arzt sagen zu lassen. Dieser ist so nett und bietet an mich zu begleiten. Da es Samstag ist müssen wir ins Hospital, meint er. Dieses ist um die Ecke, kann mich allerdings nicht dran nehmen, weil sie angeblich voll sind. Wir steigen in ein Taxi und fahren zum zweiten Hospital. Unser Hotelier scheint den „Ausflug“ richtig zu geniessen. Er erzählt mir, dass er gerade einen Deutschkurs macht und lässt sich von mir die Aussprache der Umlaute erklären.

Am Hospital angekommen, dass sich in einem Flachbau befindet und einem Militärkrankenhaus ähnelt, beginnt für mich eine Zeitreise, sagen wir in die 50er Jahre. Mir war vor der Reise klar, dass es wahrscheinlich irgendwann zu einem Arztbesuch kommen wird, aber schon jetzt und dann gerade hier hätte es vielleicht doch nicht sein müssen… Am Empfang zahle ich erstmal 8 Soles bevor ich ins Untersuchungszimmer darf. Dort werde ich bei offener Tür erstmal durchgecheckt und ich zeige den Zettel, auf dem ich die Symptome aufgelistet habe. Ich werde in ein Krankenzimmer geführt und lege mich in ein Metallbett dessen Matratze eher einer Hängematte gleicht und bekomme Blut abgenommen. Der Hotelier, der mir übersetzt chillt sich auf das Bett nebendran. Wer sich bei uns schon mal gewagt hat im Krankenhaus auf ein frisches Bett zu setzen weiss was dann los ist, hier ist das egal. Scheinbar genauso wie die Blutspritzer an Wand und Boden. Wir unterhalten uns über Europa, er staunt über die kurzen Entfernungen zwischen den verschiedenen Städten und erzählt mir stolz, dass Chacha einen deustchen als Bürgermeister hat. Die junge Ärztin kommt zurück und er übersetzt mir, dass ich eine starke Infusion habe. Was genau bekomme ich nicht raus. Da ich körperlich aber in guter Verfassung sei, könne ich wieder gehen und müsse nicht über Nacht bleiben. Ich atme auf. Dann geht sei nochmal kurz weg und als sie wieder kommt, meint sie ich solle nun doch noch hier eine Infusion bekommen. Das verhält sich in Peru so, dass mein im Krankenhaus ein Rezept bekommt, dieses dann verlässt, zur Apotheke geht und dort Infusion, Kanüle und Zubehör kauft und es anschliessend bei der Ärztin abgibt. In meinem Fall erledigt dies mein Dolmetscher für mich. Während ich warte führt ein Polizist einen Gefangenen, der gegenüber behandelt wird, auf die scheinbar einzige Toilette, die sich in meinem Zimmer befindet.

Als das Material da ist sucht die Ärztin, bei der ich mir mittlerweile nicht mehr sicher bin, ob es sich nicht um eine Studentin im Praktikum, welche man mal an dem Touristen üben lässt, handelt, eine Vene. Als die Kanüle, die um einiges dicker als die deutsche Variante ist, ihrer Meinung nach zu sitzen scheint, kommt eine zweite Ärztin hinzu, beide zerren an meinem Arm herum, drehen die Nadel als wäre ich aus Plastik und entschliessen sich am Ende doch den anderen Arm zu nehmen… Also wird das Bett, natürlich ohne Rollen von der Wand in die Mitte des Raumes gezerrt. Damals war noch echte Muskelkraft gefragt. Die Infusion läuft langsam. Der Hotelier bekommt einen Anruf und muss weg. Nach gut zwei Stunden will ich ihn auch nicht weiter aufhalten. Als das Antibiotika durch ist, bekomme ich noch einiges erklärt von dem ich nur verstehe, dass ich Dienstag wiederkommen soll. Ich hole mir in der Apotheke drei verschiedene Tabletten und fahre zurück. Insgesamt kostet mich die komplette Behandlung inklusive Medizin 20 Euro und die übernimmt sicher meine Reisekrankenversicherung.

Abends bekommen wir wegen möglicher Ansteckungsgfahr ein zweites Zimmer zum gleichen Preis zur Verfügung gestellt. Dafür darf ich mir eine der Tütensuppen, die noch aus meinem alten Haushalt in Deutschland stammen, in der Hotelküche kochen. Diese ist, dafür das wir uns im „besten Hotel Amazoniens“ befinden, doch grenzwertig. Als ich einen Löffel suche, stosse ich in einer Schublade auf die kleinen Teller mit der Butter, die gestern so slazig geschmeckt hat…der fabrikneue Kühlschrank hingegen ist aus. Die anderen gehen Abends noch zu einer Party zu der uns Fidel, ein peruaner, der hier eine Sprachschule betreibt, eingeladen hat.

Als ich am nächsten Morgen aufstehe sind sie auch schon wieder unterwegs. Mir geht es wieder halbwegs gut und ich nutze den Tag um Reiseplanung zu betreiben und meine Reisekasse zu kontrollieren. Für Ecuador habe ich weniger gebraucht als geplant, kann gerne so weitergehen. Am Nachmittag benutze ich zum ersten mal meinen Skype-Account wozu ich im Internet-Café 2 Rechner, 3 Headsets und 2 Cams in Anspruch nehmen muss, weil der Rest nicht funktioniert.

Als ich gegen 18.30 Uhr im Hostel bin geht auf einmal das Licht aus. Ich sehe aus dem Fenster und die Stadt ist komplett dunkel – Stromausfall! Ausser den Lichern der Autos sieht man nichts. Am Himmel blitzt es, vielleicht ist einer eingeschlagen. Ich suche meine Taschenlampe raus und gehe nach unten, weil ich sowieso nachsehen wollte, ob die anderen da sind. Im Hostel werden Kerzen aufgestellt. Scheinbar keine ungewöhnliche Situation hier. Ich setze mich ans Fenster und beobachte das Treiben. Polizei-Motorräder patroullieren, vielleicht doch nicht so sicher hier, aber nach 30 Minuten ist der Strom wieder da. Ich warte auf die anderen um Abendessen zu gehen und vertreibe mir die Zeit im Internet. Gerade als ich offline gehen will, bekomme ich eine Mail von Theresa: Sie sitzen in irgendeinen Dorf fest, von wo aus kein Taxi mehr fährt und müssen über Nacht bleiben. Ich soll morgen in eine Stadt in der Nähe kommen, von wo aus wir nach Kuelap fahren, was als nächstes auf unserem Plan steht.

Um 6.30 Uhr klopft es an der Tür. Ich denke erst es sei nebenan und ignoriere es. Als im Vorraum das Licht an und aus geht stehe ich auf und gehe zur Tür. Zu meiner Überraschung stehen dort Anja und Theresa. Sie berichten, dass sie auf einen Markt wollten, André sich den Namen des Dorfes falsch aufgeschrieben hätte, dort gab es dann Abends keine Taxen und eine Familie habe sie auf dem Boden unterm Dach schlafen lassen. Jetzt gehen sie erstmal ins Bett, also noch ein Tag im Hostel, mittlerweile sind es dann doch genug.

Nachmittags fällt mir auf, dass heute der 01.11. und meine Beamtenlaufbahn nun offiziell beendet ist. 11 Jahre und 2 Monate habe ich in Diensten der Stadt Offenbach gestanden und den Grossteil der Zeit werde ich auch in guter Erinnerung behalten. Aber Leben heisst Veränderung und ich freue mich auch ein Stückweit schon darauf, dass mein Leben nach meiner Rückkehr nach Deutschland nun auch eine gewisse Spannung verspricht und ich mit dem Alltagstrott, der sich einzuschleichen drohte, komplett gebrochen habe. Also auf ein Neues – morgen aber zunächst mal hier in Peru, Ziel Kuelap.



¡Hola Peru!

2 11 2010

28.10.2010

Wir beginnen den Tag mit einem amerikanischen Frühstück, wobei sich unser US-Boy morgens um neun gleich mal ein Mittagessen reinhaut. Um 10.00 Uhr soll der Bus fahren. Wir sind natürlich spät dran und traben zum „Terminal“, das sich in einem Hinterhof befindet in dem mehrere Kleinbusse stehen, wo wir wiederum noch 45 Min. bis zur Abfahrt warten. Unser Bus hat seine besten Zeiten sichtbar hinter sich und die Frontscheibe könnte man eher als Mosaikfenster bezeichnen. Normalkapizität ware bei uns wahrscheinlich 7 – 8 Personen, aber dank Umbaus und Dachgepäckträger passen nun 16 – 20 Fahrgäste rein, die wir auf der Fahrt auch mehrmals ausreizen. Mein gefiederter Sitznachbar braucht etwas weniger Platz und ich überlege ob es am Geschlecht liegt, dass Hähne mit in den Bus dürfen und Hühner in den Gepäckraum kommen…am Abend zuvor hatten wir ein Erlbenis mit einem Wachmann vor der Bank. Anja fragte nach einem anderen Geldautomaten und als André und ich dazukommen begrüsst er uns per Handschlag und führt das Gespräch nun auch nur noch ausschliesslich mit uns. Vom ersten Eindruck her scheint die Gleichberechtigung von Mann und Frau hier noch nicht vollzogen zu sein.

Die Landschaft, die an uns vorbeifliegt ist wieder komplett anders als in Ecuador. Reisfelder neben einem Fluss prägen das Bild und im Hintergrund erhebt sich die Cordillera. In Jaen müssen wir in den nächsten Kleinbus umsteigen. Jeffrey und ich bekommen, wohl wegen unserer Körpergrösse, die Beifahrerbank zugewiesen, wobei Jeffrey sich mit dem Schaltknüppel zwischen seinen Knien anfreunden muss. Wir nutzen die Zeit uns über Sport zu unterhalten, während wir eine kleine „Golden Gate Bridge“ überqueren und Amazonien erreichen. Jefffreys Bruder ist Ruderer und er selbst spielt Fussball, wodurch sich genug Themen ergeben. Als ich ihm das deutsche Ligasystem erkläre fragt er mich, ob man in der dritten Liga viel trainieren muss. Das Vollprofitum will er mir nicht wirklich abkaufen und als ich erkläre, dass man fast bis in den untersten Klassen fürs Fussballspielen Geld bekommt ist er vollkommen entsetzt (Gruss an meine Fussballerfreunde ;)).

Gegen 15.00 Uhr erreichen wir Bagua Grande, von wo aus Abends ein Bus nach Chachapoyas, unserem Zielort gehen soll. Allerdings weiss keiner wann und wo er fährt und eine Nachtankunft versuchen wir bisher zu vermeiden. Ein weiterer Kleinbus soll 20 Soles (ca. 6 Euro) pro Person kosten. Für 3 Std. eigentlich zu teuer, da wir für die bisher deutlich längere Strecke gerade mal 15 Soles bezahlt haben. Wir handeln auf 18 runter und unser Fahrer steht mit einem normalen PKW vor uns. Für 5 Personen mit Gepäck unmöglich, da erfahrungsgemäss maximal 3 Rucksäcke in den Kofferraum gehen. Wir sollen mit zum „Terminal“ kommen, wo er einen Kombi mit Dachgepäckträger hat. Auf der Hauptstrasse stoppt die Polizei unseren Busfahrer, der uns kulanterweise dort absetzen wollte, da er die Rucksäcke auf dem Dach nicht gesichert hat. Ruck Zuck hat sich um die beiden Polizisten eine Menschentraube gebildet und es wird wild diskutiert. Unser neuer Fahrer tut sich hier besonders hervor und scheint um keine Ausrede verlegen. Irgendwie habe ich bei dem Typ kein gutes Gefühl sage ich zu den anderen… Vom Terminal brüllen werden weitere Kommentare herübergebrüllt und zwischendrin verscuht ein Eismann seine Ware an den Mann zu bringen.

Nach langem hin und her laden wir ab und gehen den Rest zu Fuss. Am „Terminal“ von Chachapoyas-Tours, das bei uns die Bezeichnung Garage mit ungeteertem Hof und offener Toilette erhalten würde, entdecken wir nun zwei der PKWs. In dem einem sitzen bereits 2 Peruanerund wir sollen uns nun aufteilen. Der Preis steigt nun aber plötzlich auf 22 Soles was die nächste Diskussion mit sich bringt. Hier geht es allerdings mehr ums Prinzip. Untereinander noch etwas uneinig laden Theresa und ich unsere Rucksäcke wieder aus, woraufhin der Preis auch prompt wieder sinkt. Dieses Spiel muss man hier leider mitmachen. Als wir gerade losfahren wollen wird das zweite Auto mit Jeffrey umbeladen und seine Tasche kommt auf die Mittelkonsole und dazu insgesamt 4 Personen auf die Rückbank, wobei die beiden aussen ihre Köpfe aus dem Fenster halten mússen – viel Spass…

Es folgt sofort eine rasante Fahrt, erst durch den Stadtverkehr dann über die Landstrasse. Das Auto entpuppt sich als völliger Schrotthaufen. Neben wildem klappern scheinbar aller Teile und einer wippenden Motorhaupe, muss der Fahrer das Lenkrad eine viertel Drehung nach rechts ziehen um gerade zu fahren. Mein Beifahrersitz geht bei jedem Bremsen mit nach vorne, und von dort kommt mir durchweg das Amaturenbrett entgegen und es funktioniert weder Geschwindigkeitsanzeige noch Drehzahlmesser – und ich komm wegen einer defekten Lichtweitenregelung nicht durch den TÜV… Unsere kleinen Differenzen von eben verucht der Fahrer mit Witzen wett zu machen. Er fragt nach meinem und Andrés Namen und erkundigt sich nach unserem Amigo im anderen Auto. Die Frauen werden ignoriert. Wir peitschen durch ein Pfütze, bei der André durch das geöffnete Fenster eine unfreiwillige Dusche erhält, und unser Freund am Steuer betätigt den ca. 20 cm langen Frontscheibenwischer. Wir erreichen eine Baustelle vor der sich eine Schlange gebildet hat, die für uns aber scheinbar keine Bedeutung hat. Wir ziehen auf der Gegenfahrbahn vorbei, ignorieren die wild pfeifende Ampeldame und als uns in der Baustelle Autos entgegen kommen weichen wir kurz in die Böschung aus, hupen und weiter geht´s mit voller Geschwindigkeit! Wehe es beschimpft jemand nochmal Max wegen seines Fahrstils 😉

Nach einer Stunde unter dem Motto „auf der Gegenspur ist der Belag immer besser“ erreichen wir eine weitere Baustelle, vor der wir diesmal gestoppt werden. Aber wir stehen nun in erster Reihe. Wir fahren los, als wir aus der Baustelle raus sind starten wir sofort das nächste Überholmanöver. Ich merke ein ruckeln auf meiner Seite, bei frisch geteerter Fahrbahn doch ungewöhnlich. Als wir anhalten bestätigt sich meine Vermutung: Reifenpanne! Der Fahrer, nun gar nicht mehr der Scherzkeks, sucht nach Werkzeug und legt Steine vor die Reifen, da die Handbremse natürlich auch nicht funktioniert. Ich halte die Stelle am Hang hinter einer Kurve mit einspuriger Verkehrsführung für ungeeignet, da jeder vorbeidonnernde LKW uns mitzureissen droht. Trotzdem finden wir die Situation noch amüsant und witzeln „das ist Südamerika“. Ich frage nach warum wir nicht den Ersatzreifen im Kofferraum aufziehen, er zeigt mir daraufhin das ebenfalls platte Rad und steigt anschliessend mit dem abmontierten Reifen in ein Motorradtaxi.

Ich schlage vor zur Ansiedlung zu gehen und wir betrachten die ärmlichen Häusern, die mit Wahlwerbeslogans bemalt sind, die den Anwohnern wohl Elektrizität versprechen. Die Landschaft in nett, an einer Flussmündung sieht man wie sich zwei Wasserläufe mit unterschiedlichen Farben paaren. Als wir nach über eine Stunde zurúck zum Wagen gehen ist von dem Fahrer keine Spur…es wird dunkel und die Situation auf der Strasse damit nicht ungefährlicher. Wir versuchen den Kofferraum, der nur mit einem Seilzug funktioniert, zu öffnen. Nachdem dies geschafft ist packen wir die Rucksäcke und gehen zurück zu den Häusern. Vorher stelle ich als ordentlicher Verkehrsteilnehmer noch ein gelbes Hütchen (anstelle eines Warndreiecks) auf, welches ich im Kofferraum gefunden habe. Jedoch bezweifel ich dessen Wikrkung. Wir fragen, ob wir uns auf die Bank vor einer der Hütten setzen dürfen und die Bewohnern bringen sofort ihre halbe Wohnungseinrichtung auf die Strasse. Es wird dunkel und das heisst hier stockdunkel, denn es gibt tatsächlich kein Licht. Wahrscheinlich auch wegen uns werden Taschenlampen und Kerzen rausgeholt und wir sehen dabei den spärlich eingerichteten Wohnraum. Scheinbar sitzen die Bewohnern jeden Abend vor der Tür, wo sie das Licht (und die Staubwolken) der vorbeirasenden Fahrzeuge abbekommen. Bei jedem Lichtstrahl werden wir von den Kindern neugierig gemustert. Wir schenken ihnen ein paar Süssigkeiten, die wir noch bei uns haben.

Das Motorradtaxi kommt zurück. André dessen Rucksack im anderen Auto und wahrscheinlich schon irgendwo in Chachapoyas ist geht zurück, um den Rest unserer bereits bezahlten Fahrt zu beanspruchen. Nach einer halben Stunde rasen die beiden vorbei und wir stellen fest, das wir auch ohne jegliche Rückbeleuchtung unterwegs sind. Unter lautem „Vamos, vamos“ steigen wir ein. Die Stimmung ist angespannt und da ich beim schliessen des Kofferraums aus Versehen das Seil nach innen habe fallen lassen und der Fahrer nun unter der Rücksitzbank in den Kofferraum kriechen musste um diesen zu öffnen macht seine Laune nicht besser.

Was nun folgt übertrifft alles was ich unter dem Motto „Amokfahrt“ je erlebt habe. Wer die Geschichte meiner Autobahnrallye in Bangkok kennt, weiss das die Messlatte hoch liegt… Der Fahrstil von vor dem Stopp wird fortgesetzt, jetzt nur ohne Brille und mit kaum Beleuchtung aber dafür mit voller Geschwindigkeit. Rechts links vorbei, immer wenn möglich Gegenfahrspur und jedes Warnschild wie „Geschwindigkeit senken“ oder „Achtung Kurve“ wird zum Anlass genommen nochmal aufs Gas zu drücken. Auf der Gegenfahrspur, überholt ein PKW einen Laster und nimmt uns beim einscheren fast mit. Als beide Fahrzeuge vorbei sind, stelle ich fest, dass wir plötzlich kein Licht anhaben, aber unser Amigo schimpft wie ein Rohrspatz. Auf der Fahrbahn liegen Fussballgrosse Felsbrocken und weiteres Geröll, egal. An einer Tankstelle halten wir um Luft nachzufüllen, wir hatten schon vermutet, dass der Reifen wohl nur geflickt wurde.

Wir beraten, ob wir aussteigen und irgendwann den Bus nehmen (ja soweit war ich ;)), aber da nirgendwo eine Stadt in der Nähe ist müssen wir uns weiter dem Wahnsinnigen anvertrauen. Wir springen über unseren Schatten und bitten langsamer zu fahren, was er ablehnt und weiter beschleunigt! Ich erstelle einen „Notfallplan“ wie ich mit meinem losen Sitz einen möglichen Frontallaufprall überleben könnte. Ich klemme meine Tasche als Polster vor das Armaturenbrett und stemme mich mit dem linken Bein dagegen. Hinter uns will ein scheinbar noch Bekloppter uns überholen, woraufhin wir in die Fahrbahnmitte wechseln und ihn trotz permanenter Lichthupe nicht vorbeilassen.

Nach einem zweiten Stopp zum Luft nachfüllen haben wir noch eine Stunde – eine Ewigkeit, denn die Uhr scheint zu stehen. Als die hälfte geschafft ist ändert sich der Fahrstil auf einmal und wir schleichen fast durch die Gegend. Das herumleuchten im Anzeigenbereich deute ich dahin, dass der Sprit zur Neige geht. Da man sich nun aber nicht mehr auf´s Fahren konzentrieren muss werden SMS geschrieben und das USB-Radio zusammengebaut und eingestellt. Um 21.00 Uhr sind wir endlich am Ziel. Wir bitten uns am Hostel rauszulassen, was aus deutscher Sicht Service wäre. Er erwartet aber scheinbar ein Trinkgeld für die verlorene Zeit sowie die Kosten für Reifenreperatur und Taxi. Das sehen wir nach der Fahrt nicht ein, steigen aus und mir fällt „zufällig“ schon wieder das Seil beim zumachen in den Kofferraum 😀

In der dunklen Gasse in der wir uns befinden steht plötzlich Jeffrey hinter uns. So erhält André sein Gepäck und Anja ihr Geld was sie ihm geliehen hatte. Keine Ahnung wie wir ihn sonst kontaktiert hätten… Der Hosteltipp fúr 6 Euro die Nacht entpuppt sich als wahrer Traum in unserer Situation und das Restaurant, dass uns der Hotelier empfiehlt lässt auch keine Wünsche offen. Grosse gute Portionen für kleines Geld. Eine kleine Entschädigung für den chaotischen Tag!