Hintergründe
Neben dem „Wo geht’s denn hin?“ ist eine der Fragen, die mir derzeit wohl am häufigsten gestellt wird „Wie machst du das mit deinem Beruf?“ Die wenigsten können nachvollziehen warum man den sicheren Hafen des Beamtentums verlässt „nur um mal länger Urlaub zu machen“. Im folgenden möchte ich einen kurzen Einblick geben, was mich dazu bewogen hat und was diese Reise für mich bedeutet.
Als die Planung meiner Südamerika-Tour konkreter wurden, war es natürlich eine der ersten Punkte zu klären, wie es mit dem Job vereinbar ist. Da die grundsätzliche Haltung meines Dienstherrn zum Thema Sonderurlaub bzw. Freistellung bekannt ist, habe ich mir jedoch nicht allzu viel Hoffnungen gemacht. Zwischenzeitlich standen zwar verschiedene Varianten im Raum, aber im Endergebnis wurde mein Antrag abgelehnt. Somit war klar, diese Reise ist nur realisierbar wenn ich mich aus dem Beamtenverhältnis entlassen lasse. Ein schwieriger Abwägungsprozess begann…
Alle bisherigen Entscheidungen waren mir bisher ziemlich leicht gefallen. Die Grundentscheidung so lange weg zu sein hatte ich recht schnell gefällt. Da ich bereits letztes Jahr wusste, dass der Startzeitpunkt im Herbst 2010 liegen sollte, habe ich im Winter 2009/2010 bewusst beobachtet was in einem halben Jahr eigentlich passiert. Die erschreckende Erkenntnis: Nicht viel! Obwohl ich quasi ständig unterwegs war und wirklich viele tolle Tage hatte, ist das Leben hier im Alltag doch oft das gleiche und ein Stück weit vorhersehbar. Es gibt Tage die stechen heraus, aber die Momente die sich wirklich im Gedächtnis einbrennen, gibt es eher selten. Und so war mir klar, auch wenn ich eine Zeitlang nicht da bin, wird sich hier in meiner näheren Umgebung nicht so viel verändern, dass ich nicht wieder integriert werden könnte. Familie, Freunde, Vereine werden noch die gleichen sein und dann ist man halt wieder da.
Die nächste Entscheidung, die der Wohnsituation war auch schnell getroffen. Behalten kann ich meine Wohnung über den Zeitraum der Reise nicht und untervermieten wollte ich nicht. Ich habe in meiner derzeitigen Wohnung zwar sehr gerne gewohnt und es wird sicher schwierig etwas vergleichbares zu finden. Allerdings stehen die Größe und damit die Kosten in keinem Verhältnis zu den wenigen Stunden, die ich mich täglich darin aufhalte, so dass ich schon länger mit dem Gedanken eines Umzugs gespielt habe. Also war eine Kündigung die logische Konsequenz. Der Hausrat wird nun erstmal eingelagert und nächstes Jahr geht es dann auf Wohnungssuche.
Also hing alles am dritten alles entscheidenden Punkt: Auf der einen Seite der bis zum Rentenalter sichere Arbeitsplatz mit einem durchaus zufriedenstellenden Einkommen, das wofür ich die letzten 11 Jahre in Ausbildung und Studium bei der Stadt Offenbach gearbeitet habe. Auf der anderen Seite der große Traum, den ich unbedingt in diesem Leben noch realisieren möchte.
Klar war: Gegen meinen Beruf spricht nichts, so dass man das nicht als Vorwand hätte nehmen können. Aber es war der letzte und einzige Punkt der mich jetzt noch von meinem Vorhaben abhielt. Also warum jetzt diese Reise mit den entsprechenden Folgen durchziehen?! Ein gute Begründung mußte her!
Als ich mich dann weiter in die Überlegungen und Abwägungen reinsteigerte begann ich zu hinterfragen worauf ich derzeit eigentlich hinarbeite und da wurde es dann philosophisch. Ich denke in unserer Erfolgsgesellschaft werden wir von klein auf dazu getrimmt möglichst viel zu erreichen, ein guter, möglichst auch noch angesehener Job, Karriere, ein schickes Auto und ein Eigenheim sind denke ich die üblichen Ziele. Aber brauch ich das wirklich um glücklich zu sein?! Ist es nicht vielleicht sinnvoller etwas weniger zu arbeiten, ein Auto zu fahren, dass einfach nur den praktischen Nutzen erfüllt und dafür mehr zu Leben? Besitz bindet zwangsläufig auch und nimmt einem so die Freiheit tun und lassen zu können was man will. So gesehen besitzt man eigentlich kein Haus, sondern das Haus besitzt einen selbst, denn man muß es ständig in Ordnung halten, damit es seinen Zweck erfüllt. Wenn ich mich dann umblicke habe ich oft den Eindruck, dass die meisten ziemlich gestresst davon sind, was sie leisten müssen, damit sie ihren Standard aufrechterhalten können. Tauscht man sich dagegen mit Menschen aus, die sich darauf beschränkt haben eher wenig zu besitzen und dafür mehr zu Leben bekommt man unweigerlich das Gefühl, dass diese Gruppe ein glückliches und erfülltes Leben führt.
Um nun wieder zur eigentlichen Frage zurück zu kommen, irgendwann dachte ich mir vielleicht lasse ich dann gar nicht soviel zurück wie es Anfangs den Anschein hatte. Im Gegenteil, es könnte genau die Art zu leben sein die mich anspricht, ich muß es einfach ausprobieren. Das Reisen ist hierbei dann vielleicht auch nur Mittel zum Zweck um eine andere Lebensführung zu beginnen. Aber es ist dann auch praktisch auf diese Weg den Reiz andere Länder zu entdecken und das in mir immer spürbare Fernweh zu stillen. Die Backpacker-Lebensart spielt mir da genau in die Karten, nur das besitzen was man mit sich tragen kann und einfach in den Tag reinleben. Vielleicht engagiere ich mich auch irgendwo in einem sozialen Projekt, das ist auch so eine Sache, die ich mal gemacht haben möchte. Deutlich wird mir aber auf jeden Fall: Ich muß hier mal raus um die Dinge klarer zu sehen. Ein wie ich finde ziemlich passendes Zitat gibt es von Mark Twain:
„In 20 Jahren wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume.“
Und so ist es tatsächlich, wenn ich jetzt nicht das Risiko eingehe etwas neues, anderes zu probieren werde ich mir das vielleicht ewig vorhalten und immer fragen, was wäre wenn du damals… Stellt es sich dann im Endeffekt als Fehler heraus, ist es sicher einfacher mit diesem Fehler zu leben, da man das Bewusstsein hat es wenigstens probiert zu haben. So schwer die Entscheidung nun auch fällt, ein Arbeitsplatz alleine darf mich nicht davon abhalten meinen Lebenstraum zu erfüllen! Und mal ganz ehrlich, wer garantiert mir denn dass mein derzeitiger Status und die damit verbundene Altersvorsorge die nächsten 38 Jahre (eine fast beängstigende Zahl ;)) tatsächlich Bestand haben wird? Das ist jetzt kein Pessimisten-Denken, aber wer weiß denn schon was bis dahin ist?!
Nachdem die Entscheidung nun getroffen war wurde mir immer klarer, eigentlich ist jetzt der perfekte Zeitpunkt. Ich gehe vielleicht nicht ganz auf dem Höhepunkt, aber zu einem Zeitpunkt wo so ziemlich alles gestimmt hat. Und das war mir persönlich wichtig, denn das ganze als Flucht vor irgendetwas zu starten ist wenig sinnvoll.
Wenn ich wieder komme wartet nach der Winterpause mein Leuchtturm auf mich, was mich zumindest soweit absichert, dass ich nicht verhungern oder von öffentlichen Geldern leben muß. Wenn ich nun nachlege, dass ich dieses Projekt ins Leben gerufen habe, um diese Reise mit zu finanzieren und mir eine Absicherung zu bieten, glauben mir das sicher die wenigsten, aber im Grunde genommen war die Verwirklichung dieses Lebenstraums Anstoß für meinen Schritt in die Selbstständigkeit, den doch einige zu Anfangs nur belächelt haben. Zwei Sommer später kann man sagen, dass die Entscheidung, die Idee mit dem Main-Turm zu verwirklichen zu hundert Prozent richtig war – vielleicht ist also das Umsetzen nicht alltäglicher Ideen genau mein Ding… Schließen möchte ich den jetzt doch recht langen Text mit einem weiteren Zitat:
„Ein Schiff ist im Hafen sicher, dafür wurde es aber nicht gebaut.“
Hallo Roland,
Auch wenn wir in der Schule sehr wenig Kontakt hatten, stolpere ich doch immer wieder über deine Fotos wo du schon überall warst! Ich habe Respekt vor deiner Job-Entscheidung und wünsche dir im nächsten halben Jahr viele unterschiedliche und einprägsame Erlebnisse! Wie gerne würde ich so etwas auch wagen, mit Kind fällt die Entscheidung aber nicht leicht! Das Fernweh ist noch nicht so stark, auch wenn wir als Familie schon lange Auswandergedanken hegen!
Nun, ich möchte kein Märchen schreiben und freue mich auf deine Erzählungen! 🙂
Viele Grüsse Tina
Hi Roland;
also da gehört nicht nur Neugier sondern auch eine Portion Mut dazu. Vieles aufzugeben, sogar den Arbeitsplatz, um einen Traum zu verwirklichen das würden nicht viele Menschen machen.
Wenn ich das alles so lese, bewundere ich Dich zu dieser Lebenseinstellung.
Ich hoffe alles oder vieles wird so wie Du es Dir vorstellst, obwohl auf so einem Trip ist vieles nicht planbar.
Ich werde Dein Tagebuch, mit Spannung, verfolgen und wünsche Dir alles Gute.
LG
Harald
Roland, eine wunderschöne Art zu schreiben!
Ich bin gespannt was noch so alles in deinen Kopf vorgeht und hoffe, dass deine Erwartungen erfüllt werden. Lass uns wissen, wenn du Momente erlebst, in denen du dich selber überraschst und besser kennenlernst.
Liebe Grüsse aus Santiago, wir warten hier schon auf dich! Komm aber geduscht^^
Hallo Roland!
Jetzt wo ich deine Hintergründe gelesen habe ,verstehe ich deinen Wunsch zu dieser Reise u. wünsche dir alles alles Gute und „lebe deinen Traum“ !
Komm gesund wieder !!
Deine Tante
Du sprichst mir aus der Seele!
Genau das sind auch unsere Beweggründe. Bei uns geht es leider erst Anfang 2012 los, werden aber gespannt deinen Blog verfolgen!
Gruß,
weltentdecker
Hallo Roland,
ich kann mich den bisherigen Kommentaren nur anschließen. Es ist wunderschön die Welt zu entdecken und es ist mit Sicherheit JETZT der richtige Zeitpunkt. Muss es wiederholen, weil es so ist: Lebe deinen Traum!
Ich wünsch dir noch alles Gute auf deiner Reise und komm gesund wieder. Deine Berichte und Fotos sind echt klasse 🙂
LG Nadine