Regenwald – Dschungel
22 11 201010. – 12.11.2010
Um 7.30 Uhr stehen wir vor der Tür unseres Guides um in den Regenwald südlich des Pacaya-Samira Nationalparks aufzubrechen, wo wir über den Rio Yarapa für 3 Tage tief in den Dschungel vordringen wollen, bevor wir noch 2 Tage in der Lodge verbringen. Als wir bereits im Auto sitzen bekommen wir noch Regenponchos von einem Strassenhändler angeboten. Die Mädels greifen zu, ich denke wozu, da ich doch eine Regenjacke dabei habe. Eine fatale Entscheidung… Zunächst geht es mit dem Auto eine Stunde nach Nauta, wo wir bereits auf der Amazonas-Tour vorbeigekommen sind. Dort wartet im „Hafen“ ein Longtailboot mit Palmendach auf uns, dass zunächst uns bis zur Lodge bringen soll. Zunächst schippern wir auf dem Amazonas entlang, was von der Grösse ungefähr einem Papierboot auf dem Main entsprechen würde. Nach etwa 1,5 Std. biegen wir dann auf den Rio Yarapa ab, der sich später in unzählige kleinere Flüsse aufteilt. Am Ufer zeigen sich Strohhütten, Kanus und echte Einbäume, die hier das einzige Verkehrsmittel darstellen. Kinder planschen im Wasser und Frauen waschen ihre Wäsche in der für uns braunen Brühe. Weitere 30 Min. später haben wir die Lodge erreicht. Wer unter der Bezeichnung (wie ich vor Buchung der Tour) irgendeinen Luxus vermutet, hat weit gefehlt. Einfach Pfahlbauten mit hohen Dächern und einfachster Ausstattung erwarten uns. Insgesamt wirkt der Ort aber sympathisch auf uns und keine 12 Std. später werde ich mich hierher zurück sehnen… Wir treffen auf Alivio, der hier in einem der Dschungel-Dörfer aufgewachsen ist, und uns die nächsten Tage begleiten wird.
Zum Mittagessen esse ich meinem ersten Fisch auf dieser Reise. Wer mich und meinen Speiseplan kennt wird jetzt wahrscheinlich schmunzeln, da Meerestiere dort üblicherweise nie auftauchen. Aber es gehört ja auch zum Reisen dazu Neues zu probieren und in einer Fischernation geht da sowieso kein Weg daran vorbei. Nachdem wir jeder ein paar schicke Gummistiefel ausgesucht haben, beladen wir unseren Einbaum mit dem wir die nächsten Tage in den Dschungel vordringen wollen. Der Motor, mit der um ca. 1,20 m verlängerten Stange an der die Schraube befestigt ist, erinnert mich von der Bauweise an ein Modell mit dem wir vor ca. 15 – 20 Jahren auf dem Main unser Kanu angetrieben haben. Wir fahren den Fluss wieder ein Stück hinauf und legen an einer Holzhütte an. Alivio sprintet die Böschung rauf und kommt wenig später mit einem Schrottgewehr wieder, dass bei uns in jedem Museum ein Platz bekommen würde. Der Guide meint zum jagen oder vielleicht auch zum Schutz… Wenig später beobachten wir vom Kanu aus die ersten Vögel (da ich die Namen der Tiere nur auf spanisch habe und noch nicht zum Übersetzen gekommen bin nenne ich immer nur die Arten). Im Fluss liegen oder treiben unzählige Baumstämme von denen viele auf den ersten Blick aussehen wie ein Krokodil oder eine Anaconda, die es hier ebenfalls gibt. Plötzlich stoppt der Motor und unser Guide wedelt wild Richtung eines im Wasser liegenden Baumstamms, von wo aus uns ein Otter beobachtet. Er meint diese Art habe er bisher erst einmal vor fünf Jahren hier in der Region gesehen, wobei ich mir nicht sicher bin ob das nicht eine Masche ist, um das die Tour spektakulärer zu machen^^
Nach 3 Stunden auf dem Boot erreichen wir einen Platz, wo wir das Camp für die erste Nacht aufschlagen wollen. Dazu werden die Matten in ein Zelt gefädelt, welches aussieht als hätte man es falschrum aufgestellt, und zwischen zwei Bäumen mit Lianen aufgespannt – fertig. Die beiden Guides bereiten derweil das Essen vor, Suppe aus Flusswasser! Falls man es auf den Fotos nicht sieht: Verglichen mit dem Rio Yarapa wirkt unser Main wie ein klarer Gebirgsbach. Daher herrscht auch eine gewisse Skepsis, da wir zwar alle Wasserreinigungstabletten besitzen, aber natürlich in den Rucksäcken in Iquitos liegen… Die Suppe schmeckt nach über 30 Min. abkochen allerdings gut und vor allem „würzig“. Anschliessend legen wir noch Planen über die Zelte, falls es zu Regnen beginnen sollte und machen uns auf zu einem Nachtspaziergang durch den Dschungel, dessen Geräuschkulisse absolut beeindruckend ist. Das erste Tier auf unserem Rundgang ist ein Handtellergrosser Grasshüpfer, den Alivio zwischen den Blättern, die die gleiche Farbe haben entdeckt. Aufgrund dieser Fähigkeit, die er in den nächsten Tagen noch mehrmals unter Beweis stellen soll, bekommt er von mir den Beinamen „Falkenauge“ 😉 Als nächstes entdecken wir ein Tümpel mit Zitteraalen und eine Tarantel. Schon beruhigend was sich nur durch einen dünnen Stofffetzen von uns getrennt hier rumtreibt während wir später schlafen… Wir brechen den Ausflug dann jedoch vorzeitig ab, da das Donnern über uns ein nahendes Gewitter ankündigt. Wir packen alle Gepäckstücke weg vom Boden, was bei dem wenigen Raum in den Zelten eine echte Kunst ist, suchen Stöcke um die Gummistiefel falschrum aufzuspiessen, damit morgens nichts drin sitzt und kriechen dann in unsere Betten, wo ein Klima wie in der Sauna herrscht. Die Guides waschen sich noch im Fluss, ich hatte auch erst überlegt, aber wegen Sinnlosigkeit verzichtet und auf morgen vertagt… Die Uhr zeigt kurz vor zehn und ich lausche dem „Dschungelsound“, während ich ohne Bewegung so schwitze als hätte ich gerade eine Trainingseinheit hinter mir. Ich wünsche mir sehnlichst Regen, damit die Temperatur etwas runtergeht – hätte ich bloss nicht dran gedacht…
Gegen 0.00 Uhr weckt mich das Gewitter (wo man den Begriff Gewitter nicht mit denen in unseren Breiten vergleichen kann). Ich fühle irgendetwas nasses unter mir, greife zur Zeltwand und merke das diese komplett nass ist. Scheinbar ist die Plane nicht dicht. Ich taste mich weiter und merke dass die Hängematte komplett durchgeweicht ist und kann aus meiner Hose das Wasser auswringen, kurz gesagt: Alles ist Klatschnass! Ich überlege was ich machen könnte?! In meiner Tasche sind noch trockene Klamotten, die ich zur Sicherheit in Tüten eingewickelt habe. Da das Wasser aber sowohl von oben als auch von unten durch die Nasse Matte kommt wäre es nur eine Frage von Minuten bis die Kleider auch alle nass sind und wir haben noch drei Tage hier. Ich habe sonst kein Problem mal nass zu werden, allerdings passiert das sonst immer wenn man in absehbarer Zeit sich wieder irgendwo trocknen kann. Auf einem Zeltplatz gebe es jetzt ein grösseres Zelt oder irgendwas zum unterstellen, wo man nicht permanent weiter nass werden würde. Diesen Luxus bietet unser Camp allerdings nicht und da der Regen dermassen laut auf die Planen trommelt, habe ich auch keine Möglichkeit die anderen zu fragen wie es bei Ihnen aussieht. Wer meine Situation nachfühlen möchte kann sich mit nassen Klamotten in eine kalte Pfütze in die Badewanne legen und versuchen zu schlafen – keine Chance! Ich ziehe meine Reckenjacke über um wenigstens obenherum ein feuchtwarmes Klima zu erzeugen und friste mein dasein. Irgendwann döse ich doch weg und träume passenderweise von einem Besuch im Schwimmbad…
Um 5.00 Uhr als die Sonne aufgeht sind alle wach. Ich klettere komplett durchnässt aus dem Zelt, das Wort Regenwald hat für mich ab jetzt eine völlig neue Bedeutung! Anja und die beiden Guides hat es ebenfalls erwischt und so frösteln wir bei ca. 20 Grad vor uns hin. Dem Fluchen der beiden Einheimischen, was aus einer Mischung aus Spanisch und einer Urwaldsprache besteht, entnehme ich das die Situation an ihnen ebenfalls nicht spurlos vorbei gegangen ist. Das beruhigt mich ein wenig doch kein Gringo-Weichei zu sein und so drücken wir das Wasser aus Zelt, Matte und Klamotten und fahren nachdem wir uns halbwegs getrocknet haben los. Auf dem Fluss begrüsst uns ein Delfin. Der Nachwuchs der hier heimischen Rasse hat zunächst eine Rosa-Färbung, bevor sie das typische Silber-Grau annehmen. Nach 2 Stunden stoppen wir zum Frühstück. In wenigen Minuten steht mit zwei Astgabeln eine Feuerstelle, von der wir ein vorzügliches Omlett serviert bekommen. Unsere Abfälle verbrennen wir jeweils vor Ort. Wahrscheinlich auch nicht optimal, aber so bleibt wenigstens nichts in der Wildnis zurück. Wir fahren weiter und beobachten die ersten Affen und weitere Vögel. Dabei stelle ich fest, dass Affen zu fotografieren fast ein Ding der Unmöglichkeit ist, da die Jungs verdeckt von allerlei Ästen, so schnell sind, das man nur blind knipsen kann und hoffen irgendwas zu erwischen. Wer Glück hat entdeckt was auf den Fotos unten 😉
Plöztlich stoppt das Boot erneut und Alivio fordert uns auf das Gewehr durchzugeben. Wir paddeln ins Gebüsch und entdecken eine Schlange. Der Guide erklärt, dass diese Art extrem giftig sei und sie diese abschiessen müssen, damit sie keinen der einheimmischen Fischer beisst, die dort angeln. Ich bin gespannt wie er so ein dünnes Ziel aus einem wackelden Boot mit dieser Büchse ohne Zielvorrichtung erwischen will. Es knallt, wir hören etwas ins Wasser fallen und wenige Sekunden später hat er den Rest der Schlange in der Hand, der er einfach den Kopf weggeschossen hat! Das nächste Camp errichten wir auf einer Halbinsel. Wir versuchen unsere Sachen zu trocknen, aber das feuchtwarme Klima gibt dazu keine Möglichkeit. Nach einem weiteren vorzüglichen Urwaldimbiss starten wir in der Dämmerung zu einer Nachtfahrt auf dem Fluss. Es beginnt natürlich zu regnen und so warten wir in einer Bucht auf die Dunkelheit, während alles unterhalb meiner Regenjacke wieder langsam durchnässt – hätte ich mir doch bloss so einen blöden Poncho gekauft… Wir entdecken ein Fischernetz in dem zwei Piranhas zappeln und holen diese aus dem Netz um sie in unseren Speiseplan einzubauen. Der Rückweg wird um die Tiere nicht zu verscheuchen gepaddelt, was bei der starken Strömung allerdings auch kein Problem ist. Ausser einem „Bullfrog“, der Geräusche in der Lautstärke eines bellenden Hundes von sich gibt, entdecken wir auf dieser Tour leider nichts. Zurück lege ich mir meine immer noch nasse Matte mit Tüten aus um diesmal „nur“ feucht zu schlafen.
Diesmal weckt mich der Regen gegen 2.00 Uhr, allerdings ist nichts neues dazu gekommen. Draussen sehe ich jemand das Ufer ableuchten, vermute das es einer der Guides ist und schlafe weiter. Als ich morgens mein Zelt öffne sehe ich das der Fluss durch den Regen um ca. 1 m angestiegen ist. Unsere Feuerstelle von gestern ist verschwunden und das Boot, dass nun an einem Ast mitten im Fluss hängt muss erst wieder eingefangen werden. Wir fahren ein Stück den Fluss hinab, der sich nun vollkommen verändert präsentiert. Jeder Regen reisst irgendwelche Bäume am Ufer aus ihren Wurzeln, die dann der Fluss heruntertreiben, oder ihn versperren. Wir gehen an Land und betreten den Dschungel. Vor uns tun sich die ersten „Raketenbäume“ wie ich sie nenne, auf. Rundherum ist alles zugewachsen, so dass wir uns Stück für Stück mit der Machete freikämpfen müssen. Das schwüle Klima lässt die Kamera durchweg beschlagen, so dass hiervon wenige Bilder existieren. Wir überqueren einige Flussläufe, wo wir teilweise selbst „Brücken“ bauen müssen um sie zu überqueren. Wir entdecken ein Rudel Affen in den Gipfeln der Bäume, angeblich über 200, von denen ich allerdings die wenigsten sehe. Anschliessend hören wir wieder einen lauten Knall: Alivio hat unser Abendessen geschossen, ein Wildhuhn. Auf dem Rückweg erhöhen die beiden Guides das Tempo, so dass es zu einem echten „Dschungel-Run“ wird. Normalerweise kann man schon keinen Schritt machen ohne auf den Boden zu schauen, aber jetzt ist man entweder am Stolpern oder bekommt irgendwas ins Gesicht. Irgendwann verliert Theresa den Anschluss und so stehen wir beide, da ich den Schluss der Gruppe bilde, alleine da. Auf unser Rufen reagiert niemand. Um uns herum wirkt alles gleich grün, so wie man es aus den Filmen kennt, Orientierung absolut unmöglich. Nach einiger Zeit entdecke ich etwas leuchtendes in einiger Entfernung, Andrés Shirt. Die beiden Guides scheinen über die Richtung zu diskutieren, was sie später als Unstimmigkeit über die Dauer des Rückwegs abtun. Nach fast 4 Stunden im Dschungel erreichen wir dann endlich unser Boot.
Zurück im Camp ist das Wasser nochmal um einen halben Meter gestiegen. Wir diskutieren, ob wir zurück in die Lodge fahren sollen, da wir ausser einer (wahrscheinlich nassen) Nacht nichts verpassen und die Möglichkeit besteht morgen im Fluss aufzuwachen. Ansonsten würden wir morgen vor dem Frühstück zurück fahren. Nach langem hin und her packen wir zusammen und machen uns auf den Rückweg. Ich denke an die ersten Abenteurer die diesen Teil des Landes betreten haben und mit welch einfacher Ausrüstung sie vorgedrungen sind. Ab jetzt meine neuen Helden! Die zweite hälfte der Rückfahrt absolvieren wir bei Dunkelheit. Wir entdecken am Ufer noch einen Kaiman und eine weitere Schlange. Gegen neun sind wir in der Lodge und freuen uns über die einfachen Hütten als hätten wir gerade in ein Luxus-Hotel eingecheckt. Nach 3 Tagen ohne Waschen ist mein erster Gang unter die (natürlich kalte) Dusche, bevor wir ins (trockene :))Bett fallen. Der erste Teil des Urwald-Abenteuers liegt hinter uns, aber morgen um 5.30 Uhr geht es weiter.