Isla Chiloe

11 02 2011

20.01.2011, Tag 107

In meiner Herberge gibt es normalerweise erst ab 8.00 Uhr Frühstück, aber da ich dann schon los muss, serviert es mir der „gute Geist“ des Hauses es etwas früher. Dann ganze hat wirklich absolut was von „bei Oma“: selbstgemachte Marmelade, frische Brötchen, dazu Tee und jemand der ständig um einen herumwuselt und fragt ob alles o.k. ist. Während der knapp 15 Minuten die ich dort sitze verstellt sie zudem mindestens 6 mal das Radio, ohne das Empfang oder Programm tatsächlich besser werden^^ Während ich mich (aussergewöhnlich) pünktlich vor dem Büro einfinde, sind meine chilenischen Freunde natürlich zu spät…als ich dann in den Kleinbus einsteige denke ich zunächst ich befinde mich auf einem Familienausflug. Zumindest wirken die Anwesenden, allesamt Chilenen, so auf mich. Mario, neben den ich mich auf die Rückbank setze erklärt mir aber, dass er und seine Freundin sowie das weitere Pärchen mit dem sie hier ihren Jahresurlaub verbringen, den Rest auch gerade erst kennengelernt haben. Auf jeden Fall wieder ein guter Anlass mein Spanisch zu verbessern, da niemand Englisch spricht.

Die Isla Grande de Chiloe, so der offizielle Name, ist nicht das was man ein Hauptreiseziel für Traveller nennt. Das macht sie für mich umso interessanter, da es an solchen Orten meist noch etwas ursprünglicher ist. Dazu endet im Süden der Insel die Panamericana, wie schon des Öfteren erwähnt die längste Strasse der Welt, auf der ich so viele Kilometer von Reisebeginn in Ecuador bis hier in Chile herunter in den Süden gefahren bin. Wenn man von hier aus weiter ins südliche Patagonien will gibt es nur wenige Möglichkeiten, aber dazu mehr im nächsten Bericht. Die Insel selbst ist 180 km lang, 50 km breit und auf ihr leben ca. 180.000 Menschen, die hauptsächlich von Fischfang, Lachszucht und Landwirtschaft leben. Letztere ist durch das feuchte Klima begünstigt. Der 2 km breite Kanal von Chacao trennt die Insel vom Festland, im Osten befindet sich der 50 km breite Golf von Ancud, im Südosten der Golf von Cocorvado. Ich nehme ganz stark an, dass dies niemanden etwas sagt, aber sollte irgendwann eure 1 Mio.-Frage bei “Wer wird Millionär” lauten durch was Chiloe von Chile getrennt ist wisst ihr nun Bescheid und ich würde mich über sagen wir mal 10 % freuen 😉

Nach etwa einer Stunde erreichen wir die Ablegestelle der Fähre rüber nach Chiloe (wer weiss noch wie der Kanal heisst?^^) und können direkt auf das Schiff fahren, das gerade ablegen wollte. Während der Überfahrt kann man aussteigen und auf der Plattform im Wind stehen -eine kleine Einstimmung auf Patagonien- oder in der Snack-Bar fernsehen. Den Grossteil der halbstündigen Fahrt verbringe ich auf der Terasse, dann gehe ich kurz rein und entdecke eine Preisliste für den Transfer. Das ist deswegen interessant, da ich es bei meiner Mietwagen-Kalkulation irgendwie vergessen hatte und die einfache Strecke schon genauso viel wie die heutige Tour gekostet hätte…jetzt war es auf jeden Fall ein Schnäppchen!

Auf Chiloe angekommen machen wir direkt in Chacao, dem kleinen Dorf an der Nordspitze Station. Die “Highlights” auf der Insel sind die vielen Holzkirchen, die hier zu besichtigen sind und wir sehen nun die erste. Meine neuen Reisegefährten stellen sich nun vor und fangen an mich über alles mögliche auszufragen. Sich mit einem Deutschen zu unterhalten scheint ein echtes Event zu sein, denn das ganze Gespräch wird per Video aufgezeichnet. Wir fahren weiter nach Ancud, wo es eine Festung zu besichtigen gibt, oder das was übrig geblieben ist. Unterwegs kommt uns ein Bauer mit seinem Ochsenkarren entgegen, ein scheinbar nicht ganz unübliches Fahrzeug hier und ein Beweis etwas ausserhalb der “touristischen Pfade” zu sein. Oberhalb des Ortes legen wir zuvor noch einen Stopp ein und nun nutzen meine neuen Freunde die Möglichkeit mit einem Aleman ein Foto zu machen. Erinnert mich ein bisschen an Peru, als auch wir und nicht der Ort das beliebteste Fotomotiv waren. Genauso weiter geht es dann an der Festungsmauer wo noch einige Kanonen zu besichtigen sind. Es vergeht kaum eine Minute in dem nicht jemand fragt: “Roland, una Foto?” – “Si….!” Der nächste Stopp ist an einer Kirche in der wiederum Miniaturmodelle aus Holz der schönsten Kirchen der Insel ausgestellt sind. Als wir danach zur Plaza gehen, erlebe ich ein weiteres Beispiel chilenischer Begeisterungsfähigkeit: Hier befinden sich etwa 12 Figuren auf kleinen Podesten (auf den Fotos braun mit orangenen Sockel), die ich wahrscheinlich kurz betrachtet und dann links liegen gelassen hätte. Die vier schaffen es aber sich vor jeder Figur fotografiaren zu lassen und dabei immer neue Begeisterungswellen auszulösen. Ich komme wieder zu dem Schluss, dass Chilenen einfach leicht zufrieden zu stellen sind. Ein beneidenswerter Charakterzug.

Auf der Weiterfahrt in die Insel-Hauptstadt Castro nicke ich ein und wache erst wieder auf, als wir die ersten Pfahlhäuser erreichen. Ein tolles Postkartenmotiv, aber ich registriere auch die ärmlichen Umstände in denen die Menschen hier leben, denn die Gebäude sind nach wie vor bewohnt. Alleine kann man da natürlich wenig ändern, wie so oft in ähnlichen Situationen auf dieser Reise. Um mein Gewissen zu beruhigen sage ich mir in solchen Momenten meistens, dass dadurch das ich den Ort oder das Land bereise und hier mein Geld ausgebe dies die Wirtschaft ankurbelt und ich so wenigstens einen winzigen Teil zur Verbesserung beitrage. Daher gehen wir nun erstmal im Hafen essen, natürlich in einem Restaurant das auf Pfählen in der Bucht steht. Während des Essen beantworte ich dann ausführlich die Fragen zu meiner Reise, meiner beruflichen Situation in Deutschland usw. Das ist das Thema, welches mir auf spanisch am leichtesten fällt, da ich die passenden Vokalbeln und Sätze nun schon mehrfach üben konnte und mittlerweile auswendig kann. Nach dem Essen geht es mit einem Boot einmal rund durch die Hafenbucht, von wo aus wir nochmals die Pfahlbauten und den Blick auf die Stadt geniessen können. Dazu entdecken wir noch einige Komorane auf einer Boje sitzend. Anschliessend haben wir noch etwas Zeit und verbringen diese auf dem Markt am Hafen und an der Plaza, wo sich nochmal eine tolle Holzkirche befindet.

Letzte Station ist der Kleine Ort Dalcahue, wo unzählige Boote vor Anker oder an Land liegen und im Hintergrund die Lachszuchten zu sehen sind. Auf der kurzweiligen Rückfahrt bekommt Mario einen Anruf und er spricht voller Stolz ins Telefon: “Wir sind auf Chiloe, mit einem Deutschen!” Ich denke das beschreibt den Tag ganz gut. Für mich ein netter Ausflug, bei dem ich neben der schönen Insel wieder einen guten Einblick in das Thema “Leute” (von dem viel genannten „Land und Leute kennenlernen“) bekommen habe. Und als ich erfahre das der Preis für die Chilenen bei 15.000 Pesos (ich habe wie geschrieben 9.000 bezahlt) lag, weiss ich nun auch sicher, dass es ein gutes Geschäft war. Zum Abschluss lernen sie noch ein paar deutsche Wörter (nein, keine Schimpfwörter…) und wir verabschieden uns nach der Ankunft in Puerto Montt als würden wir uns jahrelang kennen. Zurück an meiner Hospedaje muss ich über den 2-Meter-Zaun klettern, da bereits abgeschlossen ist und es draussen keine Klingel gibt. Als mir dann das Mütterchen in Bademantel öffnet ist sie untröstlich, dass sie mich scheinbar vergessen hat… Einfach ein sympathisches Volk, denke ich mir während ich meine Sachen für die Reise durch die chilenischen Fjorde zusammenpacke.



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