„Año Nuevo“

20 01 2011

31.12.2010, Tag 87

Reisen und trinken ist so wie Silvester und nüchtern sein, es passt einfach nicht zusammen 😉
Normalerweise heisst es am nächsten Tag nämlich weiterreisen, was mit „dickem Kopp“ sehr unangenehm werden kann, oder es steht irgendeine Aktivität an, die widerum Geldverschwendung wäre, wenn man nur damit beschäftigt ist mit seinem Kater zu kämpfen. Und wenn man danach einen „freien Tag“ hat, dann ist da immer noch das liebe Geld und die, die meine Art zu feiern kennen, wissen das ich zu den Menschen gehöre, die ungern nach Hause gehen und das wird selbst in Südamerika irgendwann teuer…was ich damit sagen will: In den letzten 3 Monaten habe ich so wenig getrunken wie lange nicht mehr, aber heute geht es in steil in bester Tradition!

Die beste Vorbereitung für eine lange Nacht ist natürlich ausschlafen! Am frühen Nachmittag machen wir uns dann auf den Weg uns einen guten Platz für das Feuerwerks-Spektakel zu finden. Als Geheimtipp haben wir die „Plaza Bismarck“ an der „Calle Aleman“ empfohlen bekommen, klingt spontan symphatisch soviel Heimat in der Fremde. Also klettern wir wieder den Hügel hinauf und kommen immer wieder in den Genuss neue enge Gassen mit bunten Häusern zu entdecken. Irgendwann stelle ich die These auf, dass in Valparaiso wahrscheinlich vorgeschrieben wird, dass ein neues Haus einen anderen Baustil und eine andere Farbe haben muss als das Nachbarhaus. Vielleicht ist es auch einfach nur eine Stadt in der Architekten ihre Kreativität ausleben können, auf jeden Fall ist Valpo wunderschön, auf eine ganz spezielle Art und Weise. Als wir unser Ziel erreicht haben sitzen dort in der ersten Reihe, von der man einen tollen Blick über die Stadt zum Hafen hat, der bis ins benachbarte Viña del Mar reicht, um 13.00 Uhr schon Leute mit Stühlen und Tischen und haben sich die Plätze reserviert. Das könnte eng werden heute Abend…also laufen wir den oberen Ring entlang, der über die Hügel oberhalb der Altstadt führt, finden aber keinen vergleichbaren Platz, dafür weitere hübsche Seiten der Stadt. Besonders die Wandgemälde, die wahrscheinlich durch die hier in grosser Anzahl ansässigen Künstler gefertigt wurden, haben es mir angetan.

Als wir wieder unten in der Stadt sind, ist dort die Hölle los: In den Strassen verkaufen unzählige Händler alles was man heute Abend braucht (oder auch nicht…). Auf der Plaza steht extra ein Festzelt in dem es nur Silvesterartikel zu kaufen gibt. Dabei handelt es sich nicht um Kracher oder Tischfeuerwerk, sondern um Verkleidungen. Schon in den letzen Tagen ist mir aufgefallen, dass es in allen Läden irgendwelche Kostüme zu kaufen gibt, hier hat Silvester eher etwas von dem wie wir Fastnacht feiern. Auf jeden Fall platzt Valparaiso aus allen Nähten. Das Feuerwerk gibt es dort seit den 50er Jahren und seitdem pilgern jedes Jahr am 31.12. Millionen (und das ist nicht übertrieben) in die 300.000 Einwohner-Stadt an der chilenischen Pazifikküste. Die Autobahn ins 120 km entfernte Santiago wird in diese Richtung gesperrt, damit man für die aus der Hauptstadt ankommenden Fahrzeuge mehr Spuren zur Verfügung hat. Damit wäre dann auch beantwortet warum die Zimmerpreise so extrem ansteigen. Das kann man sich wahrscheinlich nicht vorstellen, aber das ist einfach der ganz normale Wahnsinn, wenn die Chilenen Silvester feiern. Und um mich ein wenig anzupassen kaufe ich mir noch einen Mütze in den Landesfarben 🙂

Um 20.00 Uhr sind wir mit Anja und Theresa bei uns im Hostel verabredet um dann gleich mit unseren Getränkevorräten Richtung Aussichtspunkt zu marschieren. Aber wie das immer so ist dauert das Vorglühen länger als gedacht und so starten wir erst gegen 22.30 Uhr. Im Hostel hat es in der Zwischenzeit unzählige male geklingelt und irgendwelche armen Kerle haben nach einem Zimmer gefragt. Der letzte wollte dann sogar nur noch seinen Rucksack abstellen…zum Glück war ich wenigstens einmal auf dieser Reise früh dran! Direkt vor dem Hostel beginnt in der schmalen Strasse eine zweite Parkreihe. Ich ahne böses was unseren Platz angeht und verbreite zur Beruhigung das Gerücht, dass die meisten Touris den Platz gar nicht kennen oder zu faul sind so weit hochzumarschieren und deshalb wir uns dort „nur“ mit den Einheimischen die Plätze teilen müssen (und die sind meistens kleiner als ich). Als wir nach 20 Min. oben sind scheine ich mit meinem Dummgelaber sogar recht zu haben! Der Platz ist gut gefüllt, aber wir finden ohne Probleme noch ordentliche Plätze mit freier Sicht auf die Bucht mit dem Spektakel. Noch ein bisschen was trinken und dann ist es soweit:

Diez, nueve, ocho, siete, seis, cinco, cuatro, tres, dos, uno – Feliz año Nuevo! Was dann los ist würden wir deutschen mit dem Begriff  „ausrasten“ umschreiben. Eine wildes Gejubel,  „Chi-Chi-Chi-, -le-le-le, vive CHILE“ Sprechchöre und wildfremde Menschen die sich um den Hals fallen. Es heisst nämlich, dass man umso mehr Glück im kommenden Jahr hat,  je mehr Leuten man ein frohes neues Jahr wünscht. Wenn das stimmt, sollte es bei mir ein sehr glückliches Jahr werden! Das Feuerwerk beginnt übrigens erst um um 0.05 Uhr, damit sich alle voll darauf konzentrieren können. Während die restliche Stadt dunkel ist (wie gesagt werden hier sonst keine Raketen geschossen), ist der Hafen hell erleuchtet. Von den vor Anker liegenden Schiffen startet eine Rakete nach der anderen und es erscheinen alle nur denkbaren Formationen am Himmel. 23 Minuten dauert das Schauspiel, einfach nur beeindruckend! Eine der besten Entscheidungen hierher zu kommen, und die Nacht fängt jetzt erst an…

Wir gehen runter zur Bühne auf der Plaza, wo sicher über 100.000 Menschen feiern (ich denke nach den Fussball-Fanfesten in Deutschland kann ich sowas halbwegs einschätzen ohne zu übertreiben). Innerhalb kürzester Zeit „kenne“ ich die meisten Menschen um mich herum, ein Aleman mit Chile-Mütze, der Pisco-Cola trinkt kommt scheinbar gut an… Die Mädels beschliessen in einen Club zu gehen und nachdem ich noch eine Zeit mit Andre auf der Plaza verbracht habe trennen sich auch unsere Wege. Morgen wird er sagen er war nur kurz auf Toilette gewesen und genau an die gleiche Stelle zurückgekehrt, doch ich halte das für ein Gerücht^^ Ein paar Meter weiter treffe ich Daniel, Jessy und Frederick aus unserem Hostel und schliesse mich ihnen an. Und was ist besser als ein grosser  Blonder? Zwei davon! Als Gentlemann möchte ich hier nicht alle Details niederschreiben^^ aber sowas was wir heute sind nennt man wohl  Könige für einen Tag 🙂

Wir gehen wieder hoch auf einem der Hügel und in allen Strassen herrscht Party, die so aussieht, dass einfach jemand ein paar Boxen auf die Fensterbank stellt und die Menschenmassen davor stehen bleiben, tanzen, singen und trinken. Es vergeht keine Minute in der ich ohne Glas und/oder Flasche da stehe. Jeder unserer Gastgeber/innen will heute wohl einen neuen Amigo haben. Irgendwann verliere ich die drei aber auch wieder im Gedränge und stehe alleine da – mit meinen chilenischen Freuden. Im Minutentakt werde ich von irgendjemand, irgendwo hingezogen und dem ganzen Freundeskreis vorgestellt. Ich kann nicht einen Namen wiedergeben, wie so einiges was in den nächsten Stunden passiert (daher gibt es auch nicht so viele Bilder), aber es war einfach nur eine Hammerparty! Ich erinnere mich noch, dass ich irgendwann mit einer dieser Gruppen eine Strasse runtergelaufen bin, die an der Plaza endete, die so voll war, das wir nirgendswo durchgekommen sind und das war sicher min. 4.00 Uhr morgens. Mit einer meiner neuen Kumpels, der mich unbedingt noch auf eine Party schleifen will, bin ich dann gegen 6.00 Uhr zufällig vor unserem Hostel und beschliesse kurz nachzusehen, ob ich noch Getränke im Zimmer habe. Soweit kommt es nicht, denn im Flur fängt mich Fabian ab, der ebenfalls seine Leute verloren hat. Als wir uns gerade, aus Mangel an Gläsern, Pisco-Cola in die Kaffetassen giessen kommen Mascha und Sabrina, unsere Zimmergenosinnen, dazu und wir starten eine After-Hour. Ich weiss nicht mehr wie lange diese Runde noch zusammengesessen hat, aber gegen 9.00 Uhr wache ich mit dem Kopf auf dem Esstisch auf, 4 leere Tassen vor mir, und höre wie in der Küche das Frühstück vorbereitet wird…Zeit ins Bett zu gehen!

Ich würde sagen einer der besten Jahreswechsel, die ich gefeiert habe.  So kann das neue Jahr weitergehen!



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