Asuncion

18 03 2011

14./15.03.2011, Tag 160/161

Am nächsten Nachmittag starte ich bei strahlend blauem Himmel, Sonnenschein und knapp 30 Grad zu einem Rundgang durch die Stadt. Paraguay zählt zu einem der sichersten Reiseziele Südamerikas, wird aber trotzdem meist links liegen gelassen. Die einzelnen Touristen, die mir heute über den Weg laufen sind ausschliesslich Leute die in meinem Hostel wohnen. Ich komme vorbei an der Kathedrale und am Universitätsgebäude. Davor begrenzt eine halbhohe Mauer die weitläufige Plaza Constitucion und es scheint mir als beginne davor der Fluss. Als ich näher komme und herunter blicke entdecke ich jedoch eine Ansammlung von Blech- und Holzhütten, die in der Uferböschung stehen, die enstanden ist als der Fluss sich wohl zurückgezogen hat. Ein paar Meter weiter steht die “Cabildo“, das ehemalige Regierungsgebäude, ganz in rosa gehalten. Arm und reich scheinen ganz eng beeinander zu liegen, denn vor dem von Soldaten bewachten Neubau der “Casa Legislativo“ erstreckt sich nur durch einen Grünstreifen getrennt das nächste Armenviertel. Nach einem Stopp am prunkvollen „Palacio Lopez“ wo gerade zahlreiche Männer mit der Grünpflege beschäftigt sind, gehe ich über die kaputten Bürgersteige ich weiter zum Hafen, wo ein allgemeiner Trubel herrscht. Zurück im Zentrum besichtige ich an der Plaza de los Heroes das “Panteon de los Heroes“, wo man auf Gedenktafeln den Helden des Landes gedenkt. Auch ein Sarg eines bedeutenden Generals und mehrere Urnen sind hier ausgestellt. Paraguay ist stolz auf seine Helden und überall findet man Hinweise darauf, das es als erstes Land Südamerikas 1811 seine Unabhängigkeit von Spanien erklärt hat.

An der Plaza Uruguaya erwartet mich wieder ein ernüchterndes Bild: Über den ganzen Platz verteilt sind Behausungen aus Plastiksäcken errichtet und deren Bewohnern sitzen oder liegen daneben. Was einem sonst nur auffällt wenn man wirklich danach sucht bekommt man hier ungeschönt und in harter Realität präsentiert. Am Ende der Plaza liegt der alte Bahnhof “Estacion Ferrocarril“ von wo aus die erste Eisenbahnstrecke Südamerikas in den Süden nach Encarnacion führte. Hinter dem Gebäude stehen auf den Resten der ehemaligen Gleise noch verschiedene Wagen und Loks herum. Dazwischen entdecke ich eine Frau mit 3 Kindern, die im Müll scheinbar nach etwas essbaren sucht. Nach einem Stopp im Hostel mache ich mich auf zum Markt, der etwas ausserhalb des Zentrums liegt. Unterwegs fallen mir die alten bunten Busse auf, sowie unzählige Gebäude aus der Kolonialzeit, die mit dem Verfall zu kämpfen haben. Auf dem Mercado findet man Stände mit gefälschten Klamotten, aber auch Lebensmittel und was man sonst für den Alltag so braucht. Als ich mich durch das Labyrinth an Ständen gekämpft habe mache ich mich auf den Rückweg. Ich bekomme hier das was ich gesucht habe. Paraguay ist absolut authentisch. Hier wird nichts “geschminkt“ oder für Besucher aufgehübscht, sondern man findet sich im realen Leben der Menschen wieder, so wie das sein soll wenn man ein fremdes Land bereist.

Mit meiner Bettnachbarin Elli und ihrer Freundin gehe ich zum Supermarkt, wo an der Kasse auf einem Bildschirm ein Film zum Verhalten im Brandfall läuft. Das hat einen Hintergrund, denn 2006 brach in einem Supermarkt hier in Asuncion ein Feuer aus, woraufhin der Inhaber das Gebäude gegen Plünderer “absichern“ liess und so fast 1000 Menschen verbrannten. Die Mädels, die beide um die 20 sind führen im Laufe des Abends eine unterhaltsame Diskussion, in der es darum geht ihre Rückflüge zu stornieren und in Südamerika zu bleiben. Elli hat keine Lust auf die Aufnahmeprüfung an ihrer Uni, die am Tag nach der Rückkeher ansteht und ihre Freundin hat einen 36-jährigen verheirateten Chilenen kennengelernt, der sie zum bleiben überreden will. Irgendwann fragen sie mich dann auch nach meiner Meinung und ich versuche zu vermitteln, dass trotz aller Begeisterung für Südamerika das Studium nun Priorität besitzen sollte. Denn die “Qualifizierung“ als Weltenbummler ist mit der deutschen Gesellschaft irgendwie nicht kompatibel…aber wie glaubhaft ist jemand der seinen Beamtenstatus wegschmeisst um 6 Monate nach Südamerika zu reisen?! “Kopfentscheidungen“ stellen einfach nicht zufrieden, also entscheidet doch einfach aus dem Bauch heraus. Es gibt keine falschen Entscheidungen, sondern maximal welche aus denen man gelernt hat. Während aus dem 14 ein 18 Personen Schlafsaal wird, erörtert die nun grösser gewordene Runde nun wie es wohl ist heimzukehren nach so einer Reise. Wie waren die 6 Monate? Wie fühlt es sich nun an, das alles vorbei ist? Eine Antwort kann ich in meiner Situation nicht geben, aber ich merke wie sich das Blatt gedreht hat. War ich vor ein paar Monaten noch derjenige der mit grossen Ohren zugehört hat wenn andere Geschichten erzählt haben und beeindruckt war das man nur durch das Reisen eine Sprache lernen kann, gebe ich nun allerlei Tipps und übersetze zwischendrin noch für Pauolo, einen Argentinier, der hier die spanischsprachige Minderheit stellt. Die “Ausbildungszeit“ ist nun vorüber 🙂

Der nächste Tag unterstreicht nochmal wie weit weg ich vom Tourismus bin. Zwei sonst im Handumdrehen zu erledigende Dinge stellen sich hier als echte Herausforderung heraus: Eine Postkarte kaufen und verschicken und einen Aufnäher für meinen Rucksack zu bekommen. Nachdem ersteres irgendwann klappt, fahre ich auf der Suche nach einem Paraguay-Banner durch die halbe Stadt zu einem Einkaufszentrum, wo ich wieder zurück ins Zentrum geschickt werde… Ich kaufe an den Strassenständen noch ein paar der günstigen Handwerksarbeiten und verstaue diese anschliessend in meinem Rucksack, denn morgen geht es schon wieder zurück nach Brasilien, mit einem Zwischenstopp am Staudamm Itaipu.




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