Torres del Paine – Torres

19 02 2011

29./30.01.2011, Tag 116/117

Als der Wecker um 7.00 Uhr klingelt schüttet es wie aus Eimern, echtes patagonisches Wetter! Wir verschieben den Abmarsch um 2 Stunden, da wir durch die letzte Nacht sowieso nicht wirklich ausgeschlafen sind. Das Zelt hält dicht, doch es ist ein echte Herausforderung nicht an irgendeiner Stelle die Zeltwand zu berühren, wenn man sich beim schlafen umdreht. So trägt mein Schlafsack doch einige nasse Stellen davon. Als wir aufstehen hat der Regen zwar nachgelassen, aber nun ist alles nass. Wir packen das klatschnasse Aussenzelt separat in einen Müllsack, aber nun trage ich durch das Wasser und den Dreck wieder entsprechend mehr Gewicht mit mir rum… Als wir eine Viertelstunde gelaufen sind lässt der Regen nach und langsam kommt die Sonne durch. Über Holzstege durchqueren wir Sumpflandschaften und laufen in einem Balanceakt über im Wasser liegende Steine um die Bäche zu überqueren. Wir benutzen eine Abkürzung, die auf der offiziellen Karte nicht eingezeichnet ist, uns aber etwa 1 Stunde sparen soll. Dafür geht es steil bergauf und der Wind nimmt langsam zu. Von der Landschaft ist es wieder absolut unterschiedlich, von Kiesflächen über weite Graslandschaften, wo Pferde am Hang grasen. Übrigens keine Wildpferde, das erkennt man an den Sattelnarben wie Theresa uns erklärt. Ich hätte es allerdings cooler empfunden jetzt von wilden Pferden zu berichten und wie ich eins mit blossen Händen eingefangen habe um damit das letzte Stück zu reiten, aber bleiben wir bei der Wahrheit 😉

Als wir relativ weit oben angekommen sind machen wir eine Pause, bei der wir echte Probleme haben, dass uns nicht irgendetwas wegfliegt. Laut Plan kommt nun der windigste Teil, deswegen wird nun nochmal alles festgezogen und verpackt. Keine schlechte Entscheidung, denn als wir “um die Ecke” kommen und in das Tal einbiegen an dessen Ende sich die Torres befinden, habe ich das Gefühl weggeweht zu werden. Mit dem schweren Rucksack ist es kaum möglich voran zu kommen, so stürmisch ist es dort oben. Im Schneckentempo kämpfe ich mich durch den Windkanal und diese Beschreibung ist keineswegs übertrieben. Die wenigen Bäume, welche hier am Berg wachsen, zeigen eine deutliche Biegung in eine Richtung. Hier sind deutlich mehr Leute unterwegs, da die meisten Tagestouristen nur diesen Teil des Parkes besuchen und sich teilweise mit Pferden hochtragen lassen… Nach der anstrengensten halben Stunde bergab laufen, geht es wieder halbwegs mit dem Wind und nach einiger Zeit erreichen wir das am Fluss gelegene Campamento Chileno. Von hier sind es noch 1,5 Stunden bis zu unserem Nachtlager zu Fusse der Torres. Erst geht es über mehrere Holzbrücken und dann bergauf durch den Wald. Nach 15 km in 9,5 Stunden erreichen wir dann das Campamento Torres. Der Zeltplatz liegt abschüssig im Wald, weshalb es schwierig ist einen Stellplatz zu finden. Nachdem wir uns damit abgefunden haben die letzte Nacht bergab zu schlafen, beschliessen wir bereits heute Abend den einstündigen Weg hoch zu den Torres zu laufen. Da der Himmel gerade recht frei ist bietet sich es an und falls es morgen beim Sonnenaufgang bewölkt ist haben wir die Berge wenigstens einmal in voller Grösse gesehen. Also machen wir uns auf den Weg, obwohl bei mir eigentlich nichts mehr geht. Die Knie schmerzen, der Rücken sowieso und da ich nur das nötigste eingepackt hatte, habe ich für heute auch nur noch eine Mahlzeit und bisher ausser Toastkrümeln zum Früstück und ein paar Keksen nichts gegessen. Schritt für Schritt muss ich also auf die Zähne beissen um mich nach oben zu schleppen, aber es soll ja nicht alles umsonst sein. Der Höhenunterschied beträgt nochmal 400 m und führt grösstenteils über Steine und Felsen. Dann endlich ist das Ziel dieser 5-Tagestour erreicht und vor mir erheben sich über einer Lagune die Spitzen der Torres. Ein toller Moment, aber mehr am morgigen Tag. Es ist ziemlich kalt, also steigen wir ab und können im Camp endlich essen. Vorher entwickle ich noch eine neue Waschtechnik, nämlich das eiskalte Wasser einfach kurz auf dem Kocher zu erwärmen, welches sofort von meinen israelischen Freunden kopiert wird. Das englische Pärchen zeltet auch wieder neben uns und Anthony, der die Strecken meist alleine läuft ist ebenfalls eingetroffen. Da man sich jeden Abend wieder trifft kennt man sich mittlerweile und es ist immer wieder nett sich auszutauschen und einen kurzen Smalltalk zu halten.

Um 4.30 Uhr haben wir uns den Wecker gestellt. Da ich irgendwie total benebelt bin lasse ich die anderen vorlaufen. Als ich mich um kurz nach fünf auf den Weg mache bin ich allerdings schon bei den Letzten auf dem Zeltplatz. Mit Taschenlampe geht es den gleichen Weg wie gestern hinauf, was gut ist, denn ich weiss nicht, ob ich ihn sonst gefunden hätte… Heute bin ich deutlich schneller unterwegs und als ich im Tal hinter mir das erste Licht sehe, gebe ich nochmal zusätzlich Gas. Nach 40 Minuten bin ich oben, wo sich auf den Felsen mit Blick auf die Berge ca. 30 Leute versammelt haben und teilweise eingehüllt in Schlafsäcke auf den Sonnenaufgang warten. Ich setze mich zu den anderen und frühstücke meinen letzten Müsliriegel. Die Atmosphäre hat was von dem Sonnenaufgang in Machu Pichu und während dies das kulturelle Highlight Südamerikas ist, sind die Torres del Paine auf jeden Fall das landschaftliche. Und wie dort beginnt das Schauspiel in Zeitlupentempo, dafür umso beeindruckender:

Langsam beginnt sich die mittlere Bergspitze rötlich zu färben, ein Raunen geht durch die Runde, dann Stille und alles blickt gespannt nach oben, nur das Klicken der Kameras ist zu hören. Wie in einem Film färbt sich erst die mittlere Bergspitze etwas mehr, dann die rechte und beginnen zu leuchten wie ein Streichholz. Ich habe viele Fotos davon gesehen und dachte immer das sei nachbearbeitet, aber genauso findet dieses Naturspektakel statt und ist live um ein vielfaches beeindruckender. Das Wetter ist perfekt und wir haben absolut freie Sicht. Die einzelnen Wolken die ab und zu an den Bergspitzen hängenbleiben verfärben sich und untermalen das ganze nochmal extra. Der grosse Torre im Vordergrund behält dabei durch den Lichteinfall zunächst seine dunkle Färbung bei und lässt das ganze so noch etwas surrealer erscheinen. Die Lagune dient dabei als zusätzlicher Farbtupfer, einfach gigantisch was es hier zu beobachten gibt. Mit jeder Minute verändern sich die Farben und verschieben sich die Verfärbungen nach unten. Ihr denkt bei den Fotos sicher ich habe jetzt einen Faible für Berge, aber ich kann euch sagen, das sind nicht mal 5 %, von meinen Fotos, die dort entstanden sind. Trotz der eisigen Kälte harren wir weiter aus und gehen anschliessend nochmal runter zur Lagune, von wo (so behaupte ich) der Blick wahrscheinlich noch beeindruckender gewesen wäre. Auf einen Felsen im Wasser gibt es dann eine letzte Fotosession, ehe wir gegen 7.00 Uhr wieder absteigen. Das war wieder einer dieser unvergleichbaren und unvergesslichen Momente meiner Reise!

Im Camp packen wir schnell zusammen und machen uns auf den Rückweg, da wir den Bus um 14.30 Uhr erwischen wollen. Mein Rucksack ist nun ohne Essen und mit trockenem Zelt deutlich leichter. Nur da es an den kostenlosen Camps keine Mülleimer gibt, müssen wir unseren Abfall wieder abtransportieren. Und wenn wir wie heute alles zusammenwerfen, kann da schon einiges (auch an Gewicht) zusammenkommen. Aber eine verständliche Regelung. Der Weg zurück vergeht wie im Flug und wir treffen alle wieder mit denen wir die letzten Tage verbracht haben und überall herrscht Begeisterung über das fantastisches Erlebnis. Wie schon so oft auf dieser Reise hat das Wetter, was für hiesige Verhältnisse absolut ungewöhnlich ist, fast durchweg mitgespielt. Mit unserer 4er-Gruppe war es super lustig und ich bin mir sicher, dass, wenn alle zurück in Deutschland sind, wir uns auch nochmal wiedersehen. Der stürmische Pass ist heute auch erträglich, aber jetzt könnte es aus Eimern regnen und ein Sturm über uns hinwegfegen, die gute Stimmung kann nichts trüben. Dann geht es nur noch bergab und gegen zwölf erreichen wir das Park-Hotel, von wo aus die Busse zum Parkeingang fahren. Ich esse meine letzten Gummibärchen und dann habe ich wirklich nichts mehr. Als wir zum benutzen der Toilette das Hotel betreten fühlen wir uns durch all den Luxus in eine andere Welt versetzt und nach 5 Tagen sehe ich mich zum ersten mal wieder im Spiegel… Bis zum Parkeingang sind es noch 7 km und da wir noch 2 Stunden Zeit haben, beschliessen wir uns die knapp 5 Euro für das Shuttle zu sparen. Die Strecke machen wir jetzt mit links und es zeigen sich nochmal ganz unterschiedliche Landschaften. An der Rangerstation steigen wir in den Bus und nachdem ich noch ein paar Alpakas erblickt habe schlafe ich ein und wache erst wieder auf als wir um fünf in Puerto Natales ankommen.

Wir geben das Zelt zurück und verabreden uns für den Abend in einer Pizzeria. Anschliessend gehe ich in den Supermarkt und habe das Gefühl hier jeden zu kennen, da sämtlicher Park-Besucher, scheinbar auch völlig ausgehungert, gerade ihre Vorräte aufstocken. Ich räume meinen Rucksack aus und um und als ich anschliessend meine Mails checke, lese ich das mein schon als vermisst abgeschriebenes Paket aus Bolivien nach 7 Wochen endlich angekommen ist! Die Familienpizza mit dem dicksten Käsebelag, den ich je gegessen habe, krönt dann diesen tollen Tag. Und als ich im Bett zum ersten mal nach 4 Nächten wieder gerade schlafen kann ist alles perfekt!




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